Datenschutz auf Schwedisch


Seit einer Woche läuft in Deutschland Zensus 2011 – die erste Volkszählung, bei der in der gesamten Europäischen Union gleichzeitig die gleichen Daten über die Bevölkerung gesammelt werden. Die letzte Volkszählung in Deutschland hatte, nach Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und daraus resultierenden sechs Jahren Verzögerung, zu großen Protesten und Boykottaufrufen geführt. Man fürchtete den gläsernen Bürger, die Entwicklung hin zum Überwachungsstaat und hatte generelle Bedenken bezüglich des Datenschutzes und der Wahrung der menschlichen Grundrechte. Zwar wird die diesjährige Volkszählung nicht von derartig heftiger Kritik begleitet, trotzdem wird auch Zensus 2011 von allgemeiner Skepsis begleitet, was denn der Staat mit all den gesammelten Daten anfangen will.

Zwar weiß ich nicht, wie die Schweden zu dieser Volkszählung stehen. Dass sie aber eine grundsätzlich andere Haltung zum Thema Datenschutz haben, äußert sich beispielsweise in der schwedischen Personennummer: Diese Nummer erhält jeder, der in Schweden gemeldet ist oder war und behält diese ein Leben lang. Ein wenig also wie eine Sozialversicherungsnummer, nur dass man die personnummer bereits bei der Geburt zugeteilt bekommt und dass man sie wesentlich häufiger braucht. Nicht nur wenn man eine Wohnung mieten möchte, sollte man sie parat haben. Auch beim Abschluss eines Handyvertrags, beim Kaufen eines Buches im Internet und sogar beim Pizzaservice wird man danach gefragt – und muss dann unter Umständen nicht einmal mehr Name, Adresse und Telefonnummer angeben: Diese kann der Pizzabote dann beim skatteverk, dem schwedischen Finanzamt, nachschlagen. Und nur wenige Schweden scheinen ein Problem mit dieser freien Verfügbarkeit ihrer persönlichen Daten zu haben.

Bisher sind wir noch nicht besonders mit dieser Offenheit im Umgang mit Daten in Kontakt gekommen, denn noch wohnen wir nicht in Schweden und haben keine personnummer. Als Annika aber neulich egogoogelnd bzw. jonasgoogelnd im Netz unterwegs war, stieß sie auf diese Seite. Hier hat die Musikhochschule Göteborg die Namen sämtlicher Personen veröffentlicht, die in diesem Jahr an der Hochschule angenommen wurden – ohne dass ich mein Einverständnis dazu erklärt hätte oder auch nur darüber informiert worden wäre. Mir selbst macht diese Tatsache zwar nichts aus, ich würde aber gerne einmal den Skandal an einer deutschen Universität erleben, wenn auch nur die Noten einer Klausur ohne Verschlüsselung über die Immatrikulationsnummer in einem Flur am hintersten Ende des Campus ausgehängt würden.

3 Kommentare zu „Datenschutz auf Schwedisch“

  1. Hmmm, beim Pizzaservice oder beim Bestellen eines Buches im Internet musste ich bisher noch nie meine Personennummer angeben.
    Und dass der Pizzabote meine Adresse beim Skatteverket nachschlagen kann, stimmt so auch nicht. Das klingt fast so, als könnte man beim Skatteverket online alles über jeden erfahren. So ist es nicht. Man kann zwar auf Anfrage eine Personenauskunft erhalten, dann wird aber die betroffene Person schriftlich darüber informiert.
    Der Umgang mit personenbezogenen Daten ist hier in Schweden wirklich anders als in Deutschland. Aber damit muss man sich abfinden, wenn man hierher zieht. Es ist einfach ein kultureller Unterschied – den kann mögen oder nicht, ändern wird sich daran nichts…
    Lieben Gruß aus Örebro :-D

    1. Ich gebe zu, dass wir noch nicht in Schweden wohnen, aber als wir einmal per couchsurfing in Vänersborg gewohnt haben, hat unser Gastgeber online eine Pizza bestellt und musste (oder vielleicht auch konnte?) dort seine personnummer angeben. Und bei den Buchhädlern habe ich mich tatsächlich vertan, ich habe gerade noch einmal geschaut und die Angabe der personnummer ist dort freiwillig. Es findet sich aber ein Knopf „hämta adress“ bei bokus. Zumindest die können über die personnummer eine Adresse herausfinden.
      Viele Grüße zurück, noch! aus Karlsruhe.

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