Alle schriftlichen Prüfungen, die ich seit meinem Abitur absolviert habe, liefen eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab: ich hatte monatelang vorher den Termin und das Thema und schob die Prüfungsvorbereitung je nach Prüfung bis zu drei Wochen oder drei Tage vor der Prüfung vor mir her, natürlich mit wöchentlich schwärzerem Gewissen. Dann folgte eine Phase der intensiven Vorbereitung, in der ich weitgehend auf Schlaf, Essen und soziale Kontakte verzichtete. Die Nacht vor der Prüfung war ich zwar meist so vernünftig nicht mehr zu lernen, geschlafen habe ich aber trotzdem wenig.
Am Prüfungsmorgen war mir dann vor Aufregung (und Schlafmangel) so schlecht, dass an Frühstück nicht zu denken war. Stattdessen hatte ich dann für die Prüfung Fresspakete, die für eine siebentägige Fjällwanderung ausgereicht hätten.
Die vier- oder fünfstündige Prüfungszeit habe ich dann bis zur letzten Sekunde ausgenutzt um an meinen Texten zu feilen und ohne auch nur einen Bissen zu essen. Nach der Prüfung saß man dann mit den Kurskollegen zusammen und diskutierte über Fragestellung und ob 16 Seiten nicht doch ein bisschen wenig waren um die Geschichte der Schriftentwicklung in ihrer vollen Komplexität zu erörtern. Anschließend folgten einige Wochen des Wartens auf das Ergebnis, dessen Veröffentlichung nochmal fast genauso aufregend war wie die Prüfung selbst.
Die anschließenden Saufgelage, Autokorsos und das steinzeitliche Urgebrüll meiner Klassen- und Studienkameraden habe ich allerdings nie richtig nachvollziehen können, ich Spaßbremse…
Heute hatte ich meine nationale Prüfung in Svenska som andraspråk B. Die Prüfung ist die gleiche wie die, die schwedische Schüler am Ende ihrer Gymnasialzeit ablegen – unabhängig davon, ob ihre Muttersprache Schwedisch oder eine andere Sprache ist. Zwar gibt es unterschiedliche Kurse für Muttersprachler und Nichtmuttersprachler, die Prüfungsaufgaben und -anforderungen sind jedoch schlussendlich die gleichen und werden zentral vom Skolverket herausgegeben.
In dieser Prüfung ging es daher auch nicht mehr um Vokabel- oder Grammatikkenntnisse, sondern vor allem um die Fähigkeit, einen sinnvoll aufgebauten Text zu produzieren – also eine Fähigkeit, die meines Erachtens ziemlich unabhängig von der Frage Fremd- oder Muttersprache ist.
Aus organisatorischen Gründen (dazu demnächst mehr) musste ich meine Prüfung etwas vorziehen, denn der offizielle Prüfungstermin ist eigentlich erst im Mai. Dank des familiären Klimas und der wenigen Schüler an unserem kleinen Ale komvux (Erwachsenengymnasium) war das aber glücklicherweise kein Problem. Mein jetziger Schwedischlehrer hat mich von Anfang an als Kollegin betrachtet, die die gleiche Qualifikation hat, wie er selbst – nur eben in einer anderen Sprache.
Und was soll ich sagen… seit vier Wochen standen Termin und Oberthema meiner „Schwedisch-Abiturprüfung“ fest. Ich bekam ein 20seitiges Heft mit verschiedenen Texten zum Thema „Engagement und Einfluss“, das ich mir gestern Abend durchgelesen habe. Dann habe ich gut geschlafen, normal gefrühstückt und meinen achtseitigen Text über die Frage „Was beeinflusst unser Verhalten mehr: biologische Faktoren oder unsere Umwelt?“ nach zwei statt fünf (möglichen) Stunden abgegeben.
Eine halbe Stunde später erhielt ich per SMS das Ergebnis: „Guter Text und gute Note. Lass dir von Gunilla dein Zeugnis mit MVG ausdrucken. Viele Grüße, S.“
Damit habe ich in sieben Monaten drei Schwedischkurse durchgezogen und darf mit diesem Zeugnis z.B. ohne weitere Sprachprüfung an einer schwedischen Uni studieren.
Seitdem ich im Januar angefangen habe zu arbeiten, habe ich jedoch nicht mehr viel für den Kurs getan. Zuletzt ging es ohnehin nur noch um Literatur- und Sprachgeschichte und kaum noch um den Ausbau von Wortschatz oder Grammatik. Das fand ich persönlich etwas schade, weil Literatur“wissenschaft“ auf Grundkursniveau für mich – gelinde gesagt – sterbenslangweilig war. Umso schöner, dass die Prüfung so herrlich unkompliziert, erfreulich und vor allem: stressfrei! lief. Ganz ohne Mangelernährung und Schlafentzug.
Grattis!
Tack!