Sköna maj, välkommen! oder: Dienstkleidung, die Zweite


Am 30. April feiert man in Schweden valborgsmässoafton. Als uns das Wort vor vier Jahren das erste Mal im Schwedischkurs in Karlsruhe begegnete, haben wir uns beinahe die Zunge gebrochen: Wahl-borjschs-mässou-afton im hiesigen Dialekt (Västgötska), Walpurgisnacht. Inzwischen ist valborg – kein Mensch hier sagt valborgsmässoafton – ein fester Bestandteil unseres (Berufs-)Lebens.

Der Tarifvertrag, den die Lehrergewerkschaft für uns ausgehandelt hat, sieht eigentlich vor, dass an Vortagen von Feiertagen wie z.B. dem 1. Mai, nur bis 16.00 Uhr gearbeitet wird, danach gilt bereits der Feiertagsaufschlag, den kein Arbeitgeber gerne zahlen möchte. Für uns an der Musikschule ist Valborg hingegen ebenso wie Advent, Weihnachten, Schuljahresabschluss und Mittsommer eine besonders arbeitsintensive Zeit.

Bereits vor zwei Monaten trudelten die ersten Anfragen von Kirchen und Heimatvereinen bei uns ein, welche Orchester, Chöre und und Ensembles wir in den verschiedenen umliegenden Orten zu den jeweiligen Walpurgisfeierlichkeiten schicken könnten. Oft beginnt der Abend mit einem Gottesdienst, danach wird vor der Kirche oder einem Festplatz ein großes Feuer entfacht, Reden geschwungen, gesungen und musiziert und sich bei Kaffee und labberiger Grillwurst den Allerwertesten abgefroren. (Den Maibaum spart man sich hier, der kommt erst an Mittsommer zum Einsatz.) Im weiteren Verlauf des Abends beginnt es traditionsgemäß zu regnen oder zu schneien und die Feier wird ins Private verlegt.

Ich hätte diesen Abend locker an drei Stellen gleichzeitig arbeiten können, aber da meine Fähigkeit zur Bi- bzw. Trilokation nach wie vor unterentwickelt ist, habe ich einen Musikgottesdienst an drei konzerterfahrene, selbstständige Siebtklässler übertragen, das Mittelstufenorchester zwei Kollegen überlassen und bin selbst mit dem großen Orchester um die Häuser gezogen. Und letzteres meine ich sehr wörtlich.

Nach der Aufstellung vor der Kirche hieß es Orkester: marsch! und der Lieblingskollege, der früher im Paradeorchester der königlichen Garde gedient hat, wedelte munter mit seinem Tambourmajorsstab.

Wegen des Filmmusikkonzerts am letzten Wochenende hatten wir bisher erst eine einzige Marschprobe und die Wechsel zwischen fünf- und dreireihiger Marschformation müssen wir noch ein bisschen üben, ebenso das Kurvenlaufen und die 180°-Wende, bevor wir in zwei Wochen mit dem Orchester wieder zum norwegischen Nationalfeiertag fahren.

Nach fünf Minuten Marsch, vorbei an Zahnarztpraxis, Supermarkt und Thaimassage kamen wir am Bahnhof mit nebenliegendem Festplatz an, wo wir die Marschformation auflösten und Konzertaufstellung einnahmen. Ich war froh, mein Geschirr mit Glockenspiel in die Ecke stellen zu können, das Ding ist nicht ganz leicht. Stattdessen übernahm ich von Jonas die Kamera und Jonas mischte sich als Bassist unter unser Orchester. Treue Leser wissen sicherlich, dass Jonas nicht mein Kollege im engeren Sinne ist, sondern für die Konkurrenz in der großen Stadt arbeitet. Deswegen musste er sich natürlich als „einer von uns“ verkleiden, damit er nicht sofort als Gastmusiker erkannt wurde. Hat natürlich den ganzen Abend für Heiterkeit im Freundeskreis gesorgt: „Jonas, duck dich, da kommt dein Chef!“

Als sich gegen neun das Thermometer dann langsam der 0°-Grenze näherte, verlagerte sich die Gesellschaft ins Gemeindehaus, wo die Bigband Himlaväsen den Abend lang spielte.

Mein Kollege und ich hatten zu diesem Zeitpunkt bereits einen zwölfstündigen Arbeitstag in den Knochen und eigentlich stand keinem von uns mehr so richtig der Sinn nach Musik, aber heimgehen wollte auch noch keiner. Hätten wir im Ort eine gemütliche Kneipe, wären wir wohl dorthin gegangen, aber in Ermangelung einer solchen (Pizzeria/Thai/Sushi wollten wir nicht), setzten wir uns in ein Nebenzimmer des Gemeindehauses und ließen den Abend in mittelgroßer Runde mit ein paar Schülereltern und Himlaväsen als Hintergrundbeschallung gemütlich ausklingen.

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Auf dem Heimweg beglückwünschten Jonas und ich uns nicht zum ersten Mal dazu, wie gut wir es hier getroffen haben und dass wir so wunderbare Freunde gefunden haben. Vor vier Jahren haben wir uns im Sprachkurs in Karlsruhe noch die Zunge verrenkt bei valborgsmässoafton.

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