Herdenimmunität – und ich bin dabei!


Es war ja nur eine Frage Zeit, bis auch ich meinen persönlichen Beitrag zur Herdenimmunitätsstrategie unseres Staatsepidemideologen Anders Tegnell leisten würde. Aber dass ich gleich solch ein early adopter sein würde… wer hätt’s gedacht.

Ich dachte ja, das fängt an damit, dass man jemanden kennt, dessen Arbeitskollege jemanden kennt, der… Aber – nein. Außer meinen deutschen Ärztefreunden, die hier auf der Intensivstation arbeiten, kenne ich niemanden, der von sich sagt, dass er/sie Covid-19 hatte oder jemanden kennt, der es hatte oder oder jemanden kennt, der jemanden kennt… Nun kann das ja auch niemand wirklich sicher von sich behaupten, der nicht einen positiven Test gemacht hat, aber ich dachte wirklich, ich würde erst mal eine Zeit von Fällen hören, bevor… naja, whatever. War nicht so. Bin die erste.

Am Dienstag wachte ich mit einem leichten Kratzen im Hals auf und dachte zunächst, dass ich am Montagabend bei unserer Orchesterprobe draußen im Regen zuviel, zu lange, zu laut geredet hatte und deswegen heiser sei. Im Laufe des Vormittags kamen dann Halsschmerzen, also den Unterricht für den Tag abgesagt. Am Nachmittag gesellte sich dann Husten dazu, am Abend Fieber.

Heute habe ich den ganzen Tag quasi ununterbrochen gehustet, sehr trocken, sehr schmerzhaft. Dazu leichtes Fieber und starke Kopfschmerzen. Klingt nach Jackpott.

Aber ich werde es wahrscheinlich nie erfahren, denn ich werde nicht auf Covid-19 getestet werden – zumindest, solange ich nicht ins Krankenhaus muss.

Ich habe heute bei der nationalen Gesundheitshotline angerufen – 55 Minuten Wartezeit – da der Selbsteinschätzungstest auf der Seite des Gesundheitsportals mir einen Anruf aufgrund meiner Symptome empfahl. Die Krankenschwester am anderen Ende der Leitung war sehr professionell nett und offensichtlich sehr Callcenter-geschult, hat mich aber auch nur mit den erwartbaren Floskeln abgefüttert. Ja, alle meine Symptome würden zu Covid-19 passen, aber ich solle mir keine Sorgen machen, es könnte ja auch ein normaler Schnupfen sein. Testen? Nur wenn ich in der Pflege arbeiten würde, allen anderen würde der Test „nichts bringen“.

Außerdem solle ich mir die Hände waschen und in die Armbeuge husten und auf keinen Fall unter Leute gehen. Mein Mann könne jedoch weiter arbeiten gehen, solange er keine Symptome habe.

Zu meiner Frage, ob ich die Leute, die ich am Montag noch getroffen habe, informieren sollte, meinte sie, dass sei nicht nötig, schließlich sei man ja nur ansteckend, wenn man Symptome habe (!).

Zur Linderung meiner Symptome empfahl sie mir regelmäßig essen, viel Tee trinken und bei Bedarf fiebersenkende Mittel. Soforn es mir nicht nennenswert schlechter gehe, solle ich die Sache zuhause aussitzen. Abwarten und Tee trinken. Buchstäblich. Das kann ich durchaus kaufen, was will man auch machen. Ich weiß selbst nicht genau, was ich mir von dem Anruf eigentlich erwartet habe, außer den üblichen Floskeln.

Natürlich ging ich im Kopf die letzten Tage durch, wenn ich zuletzt getroffen habe und ob ich jemanden vor Ausbruch der ersten Symptome angesteckt haben könnte. Schließlich entschied ich mich, drei Leute anzufrufen, die ich am Montag länger getroffen habe und von denen ich weiß, dass sie wiederum viele Kontakte haben.

Erst im zweiten Schritt kam mir die Frage „woher hab ich den Scheiß eigentlich?“ Ich habe mich die letzten zwei Wochen nur zwischen Zuhause und Schule aufgehalten und einmal ein Besuch im Supermarkt, ansonsten nur im leeren Wald. Ich habe immer brav Abstand gehalten, mir die Hände wundgewaschen und mir von niemandem ins Gesicht husten lassen. Ich habe keine singuläre Situation erlebt, wo ich dachte „oh, oh, das war jetzt nicht gut“ – kein erkälteter Schüler, keine Gedrängesituationen oder Ähnliches, wo die schwedischen Maßgaben sagen würden, dass es zu vermeiden sei. Keine singuläre Situation, das nicht, dafür mein permanentes („deutsches“) Grundunwohlsein, über das ich hier ja auch mehrfach geschrieben habe. Klavierschüler treffen. Gesamtlehrerkonferenzen mit 48 Lehrern. Blasorchesterproben im Freien.

Nun hab ich also aller Wahrscheinlichkeit die Scheiße an der Backe Covid-19. Zu eurer Beruhigung: im Moment gehts mir „den Umständen entsprechend gut“. Ich halte euch auf dem Laufenden. Hab ja jetzt Zeit dazu.

8 Kommentare zu „Herdenimmunität – und ich bin dabei!“

  1. Ich wünsche dir gute Besserung und einen milden Krankheitsverlauf. Wenn es dich tröstet, auch hier in Deutschland wird nicht jeder mit Symptomen getestet. Auch Risikoträger nicht. Das Ich bin nach einer Hirnblutung & Herzinfarkt wohl. Hausarzt: AU -ein oder möchten Sie zwei Wochen? Zentraler ärztlicher Dienst: zuhaus bleiben, schonen. Test? NEIN – erst wenn Atemnot und/oder stationäre Aufnahme von Nöten…
    Naja, da muss man wohl durch. Kopf hoch 😉

  2. Auch ich wünsch dir GUTE BESSERUNG, und dass es möglichst schnell vorbei geht. Ich danke dir, dass du uns auf dem Laufenden hälst, meine Gedanken sind bei dir.
    Ich war gerade bei unserem Bäcker, seit einer Woche das erste Mal wieder in einem Geschäft. Ist schon etwas unheimlich, dass alle mit Masken herumlaufen, aber absolut notwendig.
    LGMama

  3. Ach du Arme – ausgerechnet du als eine, die sich von Anfang an Gedanken gemacht und vernünftig verhalten hat (bis auf die ungewollten, unvernünftigen Anforderungen der Arbeit!),
    Und du tauchst nicht in der Statistik auf, weil ungetestet….

    Ich wünsche dir ganz herzlich, dass es erträglich bleibt und du schnell wieder gut zu Kräften kommst! Was soll man Jonas denn nur wünschen? Darüber denkt ihr bestimmt auch heftig nach. Wie erträgt er den Gedanken, möglicherweise andere anzustecken, wenn er weiter arbeiten muss? Auf jeden Fall solltet ihr nicht gleichzeitig krank sein, oder? Gäbe es Hilfe in der Nachbarschaft?
    Und gibt es wenigstens später die Möglichkeit, einen Bluttest auf den Grad einer Immunität zu machen? Der kostet ja nicht so viel ;-)

    Allle guten Gedanken und Wünsche für euch – gute Besserung und guten Mut!

    Liebe Grüße von Gabi

    1. Vielen Dank für Deine guten Wünsche. Ja, Jonas fühlt sich nicht wohl damit, gerade arbeiten zu gehen. Er hält halt noch mehr Abstand, aber er sagt auch, wenn er jetzt zu unseren Chefs sagt, er wolle meinetwegen zuhause bleiben (also nicht als Pfleger, sondern wegen des Verbreitungsrisikos), dann gucken die ihn wieder an wie ein Auto bzw einen Aluhutträger. Er hat gestern noch nen Großeinkauf gemacht, die nächsten zwei Wochen müssten wir das Haus eigentlich nicht verlassen.
      Ansonsten ist er eher neidisch auf meine bald verfügbaren Antikörper :-)

      Antikörpertests… hm, keine Ahnung ob es die hier überhaupt gibt, jedenfalls für den Ottonormalkranken. Ein paar private Anbieter mussten ihre Tests kürzlich zurückziehen, wegen zweifelhafter Qualität, bzw Nichtanerkennung durch die Arzneizulassungsbehörde (läkemedelsverket).

  4. Zunächst mal gute Besserung! Ich freue mich über jeden Freund, der es durch hat, weil der dann für mich die beste Firewall hat – du wirst ANTIKÖRPER haben! Super!!! Freunde von mir hier oben haben es durch. Er wurde sogar negativ getestet, ist aber 200% sicher, dass es Covid war. Er hatte auch die beschriebene plötzliche Anosmie: von jetzt auf gleich riecht man nichts mehr. Nicht wie bei fiesem Schnupfen, sondern komplett weg. Aber der Test findet bis zu 30% nicht – ganz schön miserabel…. Die drei sind also nächste Woche sehr zum Angrillen willkommen. :-) Eine Kollegin hat es aus Eskilstuna mitgebracht und lag 2 Wochen danieder. Sie war echt krank – aber mittlerweile war sie beim Frisör und kommt Montag wieder. Sie ist meine Handledarin und wie teilen ein Büro. Prima. Sie hat Antikörper. Ich freu mich auf sie.
    Behandlung: ja klar. Symptomatisch. Viel trinken. Eher kein Ibuprofen (sehr umstritten, aber wenn man es vermeiden kann). Viel schlafen. Und durchhalten. Es geht vorbei. Und an Jonas: bleib gesund! Alles Gute Euch zwei.

    1. Vielen Dank. Ja, das mit der Anosmie (toll! ein neues Wort gelernt!) kann ich jetzt auch bestätigen. Der Apfel-Zimt-Milchreis, den Jonas mir zum Frühstück gemacht hat, hatte zwar eine angenehme Konsistenz, aber ansonsten genau 0 Geschmack.
      Ich komm schon damit klar. Bleibt ihr Ärzte mal schön gesund!

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