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Frühlingstag in Ulricehamn


Und plötzlich war alles anders. Freitag abend war noch alles beim Alten. Und dann kam der Samstagmorgen. Als könnte ich nicht endlich mal ausschlafen, war ich um halb acht hellwach. Und was sehen meine müden Augen? Einen riesigen Feuerball! (Danke Olaf für den Link!)

Mindestens seit Weihnachten, aber eigentlich schon seit Oktober hatten wir keinen Sonnentag mehr. Wir hatten auch nur selten Schnee und wenn doch, dann war er pappig und nach drei Tagen wieder weg. Stattdessen hatten wir Regen. Viel. Regen. Und jetzt einfach so: blauer Himmel. Also nicht: „Guck mal Jonas, heute ist es draußen hellgrau statt dunkelgrau“ sondern so richtig blau. Unfassbar.

Und wie ich noch so im Schlafanzug am Fenster stand und fasziniert den blauen Himmel anstarrte, tummelte sich in unserer Eiche das Geflügel:

Wir hoffen, dass sich einer der kleinen Gesellen in unserem neuen Vogelhäuschen niederlassen möchte, mit meinem ebenfalls neuen Teleobjektiv kann man so wunderbar aus unserem Schlafzimmerfenster fotografieren…
Die drei Bilder sind aus der Hand geschossen und nochmal stark ausschnittsvergrößert, aber ich bin trotzdem ganz zufrieden mit meinen ersten Gehversuchen in Sachen Kleinvogelfotografie…

An Weiterschlafen war trotz der einigermaßen frühen Stunde nicht zu denken – wer weiß, wann das nächste Tiefdruckgebiet heranrollt. Stattdessen machten wir uns auf den Weg nach Ulricehamn, etwa eine halbe Stunde von uns entfernt. Dort gibt es ein „kallbadhus“, ein Kaltbadehaus, das wir schon länger mal ausprobieren wollten. Das ist eine Sauna, die von einem Verein in den See gebaut wurde und nach der Sauna springt man direkt in den See – auch bei Eis, denn rund um den Steg wird das Wasser durch eine Sprudelanlage eisfrei gehalten (was dieses Jahr aber nicht vonnöten war – grummel…).

Kallbadet in Ulricehamn
Links im See: Das Kallbadet in Ulricehamn

Zum Vergleich: letztes Jahr waren wir einen ganzen Monat später in Ulricehamn und da sah der See noch so aus: Klick.

Dort angekommen, wollten wir aber erstmal durch Ulricehamn bummeln. Borås meiden wir inzwischen an Samstagen, weil einer von uns immer irgendwelche Schüler samt deren Eltern trifft und wir nicht so viel Lust auf Elterngespräche in der Fußgängerzone hatten. (Hat aber nicht geklappt, Ulricehamn ist noch zu nah.)
Ulricehamn ist ein richtiges Bilderbuchstädtchen mit vielen bunten Holzhäuschen, kleinen Künstlerlädchen und Hinterhof-Second-Hand-Läden.

Ulricehamn
Ulricehamn

Und gemütlichen Cafés. Und Günthers brödstuga.
Günther ist so deutsch wie das tysk ü in seinem Namen vermuten lässt und er hat schon Silvias und Carl Gustavs als auch Victorias und Daniels Hochzeitstorte gebacken (öööh… „backt“ man Torten?) und hat – deutsche Brotjunkies aufgepasst! – eine große Auswahl an „ordentlichem“ Brot. Nicht, dass wir uns nicht längst an gesüßtes Gummibrot gewöhnt hätten, aber ab und zu darfs dann auch mal ein Roggenvollkornbrot für den Feinschmecker sein. Oder auch eine rosa Marzipantorte zum Weltfrauentag…

Auf der Suche nach einem Lunch stießen wir auf die Pizzeria Jamaica, die heute Schnitzel med Pommes och stor stark öl  im Angebot hatte. Wir entschieden uns dann doch für den Torgstallet, ein sehr gemütliches Café mit schwedischer Hausmannskost.

Nach einem deftigen Lunch stellten wir fest, dass uns bei Sonnenschein und zweistelligen Plusgraden der Sinn so gar nicht mehr nach Sauna stand. Stattdessen juckelten wir von der Sonne beseelt die Uferstraße entlang, einmal um den halben See herum zu einem Aussichtspunkt, wo wir stilecht mit Wollmütze und Winterjacke die Eis-am-Stil-Saison eröffneten.

Der Schwede an sich begrüßt den Frühling jedoch mit einem anderen Ritual, das uns auf der Rückfahrt auffiel: in nahezu jedem Garten brannte ein Feuer. Also nicht so ein bisschen Lagerfeuer oder zum Grillen, neenee – da werden ganze Bäume, Gartenmöbel, alte Reifen und was sich sonst noch so das Jahr über angesammelt hat, auf einen Haufen geworfen, ein bisschen Benzin dran gekippt und schon hat man das Osterfeuer Marke Eigenbau. Und aus jedem Garten steigt eine im besten Falle weiße, ansonsten auch eine gelbe, braune oder schwarze Rauchsäule auf.

Osterferien


Eine gute Woche lang hatten wir jetzt Besuch aus Deutschland, meine Mutter hat unser Gästezimmer eingeweiht. Und leider ist es wie immer – je mehr man erlebt, desto weniger Zeit hat man zum Bloggen. Und nach einer Woche mit ununterbrochen strahlendblauem Himmel (Zitat meiner Mutter: „Euer Wetter ist echt langweilig. Jeden Tag gleich.“) und täglichen Ausflügen in die nähere und weitere Umgebung sitzt man dann auf rund 1000 Fotos und gefühlt ebensovielen Erlebnissen und weiß überhaupt nicht, wo man anfangen soll zu erzählen und zu bebildern.

Ich könnte zum Beispiel erzählen von Karfreitag, als Jonas und ich in einer wunderschönen blau-weißen Holzkirche unsere erste Mugge als Duo hatten. Ich würde mir den Kommentar erlauben, dass Kontrabass und Klavier die optimale Besetzung für die Umrahmung von Karfreitagsgottesdiensten seien.

Oder ich könnte erzählen vom Samstag, als wir um die Mittagszeit in der Innenstadt eher versehentlich in einen Umzug von kleinen Påskkärringar (Osterhexen), Osterhasen und Osterhühnchen gerieten, die sich anschließend auf dem Marktplatz zum großen Tanz um den Osterbaum versammelten. Die Lieder waren zum Großteil die gleichen wie an Mittsommer (und an Weihnachten) – Hauptsache, in der Mitte steht etwas, um das man tanzen und singen kann…

Ich könnte erzählen von dem kleinen Flugzeug, das am Samstagabend auf unserem zugefrorenen See landete und am Sonntag morgen wieder abhob. In diesem Zusammenhang könnte ich auch noch erzählen, wie ich an die Telefonnummer des gutausehenden Piloten kam.

Die vielen Spaziergänge auf unserem Haussee würde ich vermutlich am Rande erwähnen, aber vor allem würde ich erzählen, wie oft wir mit unseren Kiekern auf dem Vogelturm am See standen und uns über die auf dem Eis rastenden Wildgänse und Singschwäne freuten.

Natürlich würde ich euch ein bisschen neidisch machen wollen mit unserem Besuch in dem kleinen Mühlencafé, in dem es sehr leckere Hausmannskost und süße Leckereien gab und wo wir definitiv nicht das letzte Mal waren. Oder mit dem kleinen lanthandel direkt an der Mühle, in dem es fantastisches Apfelmus, Marmeladen und hantverk gibt. Und ich würde die faszinierenden Eisformationen im Mühlbach erwähnen.

Bestimmt würde ich euch auch vorschwärmen von unseren Wanderungen durch Hochmoore und über vereiste Wege, der fantastischen Aussicht vom Gipfel des Boråser Skiberges und der Tatsache, dass wir jeden Mittag irgendwo in der Sonne rumgelegen haben. Nicht nur auf unseren Wanderungen, sondern auch auf unserem Ausflug nach Ulricehamn, einem Bilderbuchstädtchen etwa 30 km von hier, welches ebenfalls auf unserer „Nicht-zum-letzten-Mal-Liste“ gelandet ist.

Und mit Sicherheit würde ich Unmengen von Fotos posten, die ich an unserem Tag am Hornborgasjö geschossen habe. Ich würde erzählen, dass der Hornborgasjö jedes Jahr fester Rastplatz der aus dem Süden zurückkehrenden Kraniche ist und sich dort bis zu 25 000 Kraniche tummeln und ihre Paarungstänze vollführen. Im gleichen Atemzug würde ich mich darüber beschweren, dass wegen der Kälte in Deutschland die meisten Kraniche noch nicht angekommen waren, aber dass auch gut 1000 Kraniche + Wildgänse + Schwäne schon für ein unglaubliches Gewimmel und noch ohrenbetäubenderes Gekreische sorgen können. Vielleicht würde ich auch noch zwei Links setzen: zur täglich aktualisierten Kranichzählung und zu den Webcams, auf denen man das Vogelgewusel live beobachten kann.

Aber wann soll ich bitte diese ganzen Artikel schreiben – unsere Osterferien gehen doch nur noch bis Sonntag?!