Meine Güte ging das schnell! (Der Satz war jetzt bei Olaf geklaut:-)) Auch wenn es erst Donnerstag ist, ist, glaube ich, heute schon ein kleiner Überblick über die Woche fällig.
Montag:
Ich finde eine Jobannonce, die schon etwas veraltet scheint und frage an, ob sie noch aktuell ist. Die Antwort kommt zügig: man habe zwar schon einige Kandidaten, sei aber nicht richtig zufrieden, meine Bewerbung ist also noch välkommen. Ich schicke meine Bewerbung und am frühen Abend kommt ein Anruf: Bewerbungsgespräch am Dienstag? Jo, passt.
Dienstag:
Bewerbungsgespräch. Sehr neutral und kühl, nicht die Kuschelatmosphäre, die ich bisher in schwedischen Schulen kennengelernt habe. Ich habe zwar das Gefühl, alle Fragen „irgendwie ok“ pariert zu haben, aber angenehm ist anders. Es kamen keine Fangfragen, alles ausschließlich jobbezogen (und deshalb erwartbar), null Smalltalk. Zumindest bekomme ich das Feedback, dass meine Kleidung dem Dresscode der Schule angemessen ist. Um die Frage nach meinen Gehaltsvorstellungen winde ich mich herum.

Mittwoch:
Der nächste Schritt im Rekrutierungsverfahren sind zwei Online-Tests: Intelligenz und Persönlichkeit. Der Intelligenztest besteht aus 40 geometrischen Aufgaben von nebenstehendem Typ, für die ich 30 Minuten Zeit habe. Die ersten 20 Aufgaben fallen mir leicht, danach wird es schwieriger, am Schluss rate ich mich irgendwie durch.
Der Persönlichkeitstest ist ein klassischer Big-Five-Test und besteht aus 120 Sätzen, die ich auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 4 (stimme voll zu) bewerten soll: „Ich rede gerne vor größeren Gruppen.“ „Ich finde es wichtig, dass sich alle an gegebene Regeln zu halten.“ „Bei schwierigen Aufgaben gebe ich schnell auf.“
Offensichtlich besitze ich sowohl Intelligenz als auch Persönlichkeit (zumindest genug für solche Tests…), denn am frühen Abend kommt der Anruf der Schule: Die Tests habe ich bestanden und wenn ich will, kriege ich den Job – YEAH! Und erneut die Frage nach meinen Gehaltswünschen. Wieder laviere ich mich raus, ich will erst noch mit zwei Lehrerinnen aus dem Chor sprechen, die ich den Tag über nicht erreicht habe. Der weitere Abend vergeht mit Telefonaten und Lohnrecherche.
Donnerstag:
Ich bringe erst Jonas zum Flughafen, der übers Wochenende beim Neujahrskonzert der FES in Bonn spielt und fahre anschließend weiter zur Schule. Die erste Gehaltsverhandlung meines Lebens steht an. Ich weiß, was ich will, ich weiß wo meine Untergrenze ist. Als es dann soweit ist, sage ich eine Zahl, die wohl völlig unerwartet ist. Merke für die Zukunft: in Schweden verhandelt man bei Teilzeitstellen nicht das tatsächliche Gehalt, sondern das 100%-Niveau und rechnet dann entsprechend runter. Wir multiplizieren also schnell (und sehr „über den Daumen gepeilt“, was mir in der Aufregung nicht auffällt) meine Vorstellungen auf ein 100%-Niveau und landen mehrere 1000 SEK über dem, was man mir eigentlich zahlen möchte. Ich rechtfertige mich jedoch mit dafür vorher zurechtgelegten Argumenten (Studium, Berufserfahrung) und komme durch. Schon steht die Zahl im Vertrag. Als ich später in Ruhe nachrechne, merke ich, dass das Über-den-Daumen-Gerechne zwar zu meinen Ungunsten ausgefallen ist, dass mein Gehalt aber noch über dem liegt, was mir meine gewerkschaftlich informierte Chorgenossin als Richtwert genannt hat. Auch der Blick in die Lohnstatistik sagt mir, dass ich mich nicht unter Wert verkauft habe – wenn man mal davon absieht, dass es sich um eine 30%-Stelle handelt, die erstmal bis zu den Sommerferien befristet ist. Trotzdem bin ich sehr glücklich. Es ist ein Anfang und mein „Marktwert“ auf dem Arbeitsmarkt ist so allemal höher als vorher.
Wie sieht mein Arbeitsplatz jetzt also aus? Das private Gymnasium (d.h. Klasse 10-12), das zu einer der größten Bildungsfirmen Schwedens gehört, liegt in einem schicken Jugendstilgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zu Anwaltskanzleien, Architekturbüros und schicken Hotels, ein paar Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Es hat eine deutlich sichtbare Ausrichtung auf… ich nenne es mal „Business“. Sichtbar insofern, als da für die Lehrer ein Dresscode gilt – für die Männer heißt das Anzug, für Frauen… keine Ahnung. Jeans jedenfalls nicht. Ich werde wohl das erste Monatsgehalt in neue Klamotten investieren müssen, kann ja jetzt nicht täglich zwischen meinem Konzert- und meinem Prüfungsoutfit wechseln…
Auch die Schüler wirken auf den ersten Blick wie… wart ihr schonmal an einem Sommertag in einem schicken Schärenort und habt gesehen, was da so von den Motoryachten runterkommt? Alternativ verweise ich auf einen ehemaligen deutschen Verteidigungsminister. Nur mit mehr Haargel.
Aber don’t judge a book by its cover. Immerhin gibt es Umkleideräume für die Lehrer und die Rektorin sagte frei heraus, dass sie natürlich noch keinen Hosenanzug trage, wenn sie mit dem Fahrrad zu Schule komme. So praktisch, die Schweden…
Ich werde zwei Deutschkurse übernehmen – einen montags und mittwochs, den anderen dienstags und donnerstags. Keine optimale Aufteilung für eine 30%-Stelle, aber was solls. Ich konnte heute schon mit der werdenden Mutter sprechen, die ich vertrete und das war ausgesprochen positiv. Morgen treffen wir uns nochmal länger und ich werde einen dicken Ordner mit Schüler- und Unterrichtsunterlagen erben. Das Wochenende ohne Jonas wird also nicht langweilig, denn am Montag ist schon mein erster Arbeitstag.
Das Schicksal meinte es diese Woche wirklich gut mit uns. Nicht nur, dass Jonas ein neuer (bezahlter!) Kompositionsauftrag aus Deutschland in Aussicht gestellt wurde, es kam für mich auch noch eine Einladung zu einem weiteren Vorstellungsgespräch im Februar. Ein Verein für Waldpädagogik sucht ab März einen hauptamtlichen Projektleiter, der Ferienlager und Waldtage für Schulen organisiert und betreut. Auch eine befristete Stelle, aber immerhin bis August 2013.
Falls dieser Verein mich tatsächlich auch wollen sollte, müsste ich mich entscheiden. In jedem Fall müsste ich shoppen gehen. Fragt sich nur: Fjällräven oder Lacoste (haben die überhaupt Frauensachen? – Keine Ahnung.), Fleecejacke oder Hosenanzug, Wander- oder Stöckelschuhe…
Aber noch ist ja nicht soweit. Aber nach so einer Woche darf man doch ein bisschen träumen, oder?