Während in Deutschland zum Teil noch tiefster Winter herrscht und die Schneedecke nicht einmal daran denkt zu schmilzen, kann man bei uns schon Frühlingsgefühle bekommen. Überhaupt war es dieses Jahr noch überhaupt nicht richtig kalt und Schnee hatten wir vielleicht zwei Wochen lang. Diese Woche hat mehrfach die Sonne geschienen und gestern war es so warm, dass wir uns einfach auf den Vogelturm stellen und in die Sonne gucken konnten, ohne zu frieren. Dabei sind uns dann auch noch ein paar Vögel und andere schöne Motive vor die Kamera geflogen.
Da es in der Sonne so schön war, entschieden wir uns gegen einen längeren Spaziergang, denn dann geht man hauptsächlich durch schattigen Wald – oder langweilige Wohngebiete. Stattdessen zogen wir nur bis zum Badplatz weiter und setzten uns wieder in die Sonne. Zwischendurch musste ich allerdings doch testen, ob das Eis am Ufer noch trägt.
Jetzt wollen wir mal sehen, was das Wetter die nächsten Tage macht. Eigentlich ist es noch deutlich zu früh für Frühling, aber an einen späten Wintereinbruch glauben wir mittlerweile auch nicht mehr.
Seit wir Anfang November aus den Herbstferien zurückgekehrt sind, jinglebellt es bei uns in den Musikschulen. Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totensonntag – oder wenigstens eine ehrliche weltliche Novemberdepression – all das wird vom fröhlichen Glöckchenklang überdeckt.
Am gestrigen Samstag hatte Jonas das erste Weihnachtskonzert mit den ersten 150 Schülern – wenn über 2000 Kinder an mindestens einem Weihnachtskonzert teilnehmen sollen, dann reichen vier Adventswochenenden eben einfach nicht aus.
Heute – am Totensonntag – hatten wir immerhin einen halben Tag gemeinsam frei… und das auch noch bei Sonnenschein, welch Glück! Zeit für einen kleinen Spaziergang zu „unserem“ Vogelturm, der gerade abgerissen und neu aufgebaut wurde, jetzt gibt es oben sogar eine Bank, die wir bisher immer vermisst haben. Auch der Bohlenweg zum Turm wurde ganz neu angelegt. Das Bild mit Jonas habe ich genau um 13.00 Uhr geschossen, man sieht darauf schön, wie tief die Sonne bereits steht. (Alle Bilder kann man wie immer anklicken und vergrößern.)
Trotz – oder besser: wegen – des Sonnenscheins blieb das Thermometer heute den ganzen Tag unter Null. Wir hoffen sehr auf anhaltende Minusgrade, damit der See bald zufriert. Denn dann können wir endlich wieder in der Sonne spazieren gehen, denn die meisten unserer Spazierwege liegen leider im Wald, außer dem See gibt es wenig offene Flächen zum Wandern.
Um halb zwei ist die Abendstimmung an „unserem“ Badeplatz perfekt, nur ein kleiner Holzarbeiter stört die Abendruhe…
Abends hatten wir dann ein Kirchenkonzert mit unserem Göteborger Chor – wohltuenderweise ein „echtes“ Novemberkonzert zum Ende des Kirchenjahres mit Bachs Motette „Komm Jesu, komm“, Heinrich Schütz‘ „Die mit Thränen säen“ und vier ganz wunderbaren Barockmusikern mit alten Instrumenten. Im allgemeinen Gejinglebelle ein wohltuender Kontrapunkt.
Vom Vorplatz der Kirche hatte man eine schöne Aussicht über das nächtliche Göteborg, dessen Silhouette jetzt wieder von Schwedens größtem Weihnachtsbaum geprägt wird. Dazu wird kurzerhand der Freefalltower des Vergnügungsparkes Liseberg mit 32 Lichterketten behängt:
Am Schluss setzt ein Helicopter in 130m Höhe dem Ganzen die Krone… pardon… den Stern auf:
Und so sah das dann heute Abend aus:
Das erste Bild habe ich vor dem Konzert gegen fünf Uhr geschossen, das andere gegen halb acht. Links im Bild sieht man das alte Riesenrad, das blaue rechts ist das neuere Göteborgshjul (Göteborgsrad), hier im Profil zu sehen.
Leider schaffen wir es wohl dieses Jahr nicht auf den Weihnachtsmarkt in Liseberg. Im Winter sind kaum Fahrgeschäfte geöffnet, dafür gibt es einen hübschen Weihnachtsmarkt und abends eine tolle Eisshow. Wir waren letztes Jahr an einem Mittwoch dort, da war es erfreulich leer. Ob ich mir das an einem Adventswochenende antun möchte… zweifelhaft. Aber die Frage stellt sich dieses Jahr ohnehin nicht, denn mit zwei Musikschulen sind unsere Adventswochenenden bereits gut gefüllt.
»Warum seid ihr denn nach Schweden gezogen? Deutschland ist doch so schön!«
Diese Frage habe ich nicht erst einmal hier in Schweden gehört; beim Nachbarn ist das Gras halt immer grüner. Die Schweden sind fasziniert von den Alpen und vor allem von schönen deutschen Fachwerkstädten und dabei vergessen sie gerne die schwedischen Vorteile, die sie genießen: Platz, Seen, Natur,… Selbst wenn man mitten in Göteborg oder Stockholm wohnt ist es nie weit in die vildmark (= Wildnis). Natürlich hat nicht jeder gleich das norrländische fjäll oder die riesigen Wälder vor der Tür, aber selbst die städtischen Parks und Wäldchen sind hier irgendwie wilder und laden zum Pilze sammeln und Beeren pflücken ein.
Eine solche kleine Vildmark fängt direkt hinter unserem neuen Zuhause an. Zu beiden Seite der Straße nach Borås liegt ein Naturschutzgebiet rund um den Fluss Viskan, der hier in den Öresjön mündet. Direkt nach dem Umzug haben wir schon eine kleinere Erkundungstour des Gebiets unternommen und heute wollte ich mir das ganze noch einmal durch die Kameralinse ansehen, denn es hat gestern und heute ordentlich geschneit und draußen war es den ganzen Tag wunderschön. Auch ohne Sonne.
Unser Nachbar wohnt kitschig!
Zunächst schlage ich den Weg zu einem Vogelturm ein.
Leider ist der Baum umgefallen, aber für den Heimwerker bestimmt trotzdem ein attraktives Angebot.
Über einen Steg geht es durch das überflutete und überfrorene Mündungsgebiet, bis der Turm in Sicht kommt,…
…von dem aus man eine tolle Sicht…
…über unseren neuen Haussee hat.
Zurück geht es über den Steg,…
…vorbei an einem lustig verschneiten Zaunrest,…
…entlang dem Viskan…
…hin zur Badestelle.
Dort lagern die Stege am Strand und warten auf den Frühling,…
…genau wie die Blaubeeren, von denen es nur so wimmelt.
Im Jahr 2000 steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, Emails waren noch nicht überall eine Selbstverständlichkeit und vieles wurde sogar noch der guten, alten Post anvertraut. In ebendiesem Jahr war ich als Austauschschülerin mehrere Monate in einer Kleinstadt mit einer Million Einwohnern in der tiefsten zentralchinesischen Provinz.
Da ich bei meiner Abreise wenig über meine Gastfamilie und meine Lebensverhältnisse in den kommenden Monaten wusste, aber schon vermutete, dass die Kommunikation schwierig werden könnte, vereinbarte ich mit meiner Mutter: Keine Nachrichten = gute Nachrichten.
Sollte heißen: Wenn ich mit Malaria darniederliegen, mit Blinddarmentzündung nach Hongkong ausgeflogen würde oder mir eine Rikschah den Fuß abgefahren hätte, dann hätte vermutlich jemand meine Mutter informiert. Im Normalfall bedeutete Funkstille aber höchstwahrscheinlich Stromausfall, keine Internet-/Telefon-/Faxverbindung oder schlicht: viele Erlebnisse und keine Zeit für Heimweh.
Die Funkstille, die hier auf Brevlåda in den letzten Wochen herrschte, ist auf letzteres zurückzuführen. Der Sommer, der sich im August letztlich doch noch hergetraut hat, war einfach zu kostbar, um länger als unbedingt notwendig vor dem Rechner zu sitzen. Außerdem waren in der alten Heimat Sommerferien, sodass wir viel Zeit mit urlaubenden Freunden hier in der Gegend verbracht haben. Die Kombination aus: Job mit Möglichkeit zum Homeoffice + Jonas‘ Semesterferien + VW-Bus + in Schweden (fast) überall verfügbares Internet ermöglichte uns drei lange Wochenenden in Folge, nur ab und zu mussten wir uns dann doch mal bei der Arbeit blicken lassen… (Das heißt nicht, dass ich nicht gearbeitet hätte, aber dabei mit Freunden vor deren Ferienhaus zu sitzen und nach der Arbeit noch schnell in den Vänern zu springen, hat schon was.)
…
Aber warum „wir“ bei der Arbeit – Jonas hat doch noch Semesterferien? Jein. Die Hochschule ruht zwar noch ein paar Tage, aber sein neuer Job als Kontrabass-/Streicherlehrer in einer kommunalen Kulturschule hat bereits begonnen. Aber davon soll er selbst demnächst hier berichten.
Naturgemäß sammelt sich bei so vielen Erlebnissen eine Menge Erzähl- und Fotomaterial an. Und unser Åland-Urlaub wurde hier auch noch nicht in der nötigen Ausführlichkeit bebildert, ebensowenig wie unser Ein-Jahr-in Schweden-Jubiläum gewürdigt wurde… waaaah, Freizeitstress!
Der hat die Ruhe weg.
Für kommendes Wochenende hoffe ich daher mal ganz ketzerisch auf schlechtes Wetter, damit neben meiner (deutschen) Steuererklärung von 2011 auch hier ein paar Zeilen entstehen können. Denn am Wochenende danach sind wir auf einen 40. Geburtstag bei (schwedischen) Freunden eingeladen, anschließend folgen drei Chorwochenenden mit Proben und CD-Aufnahme, dann eine Konzertreise nach Cambridge, dann eine Konzertreise nach Karlsruhe und dann ist Weihnachten. Jedenfalls gefühlt.
Auch wenn es hier gerade etwas ruhiger ist – irgendwann kommen auch wieder lange, dunkle Novemberabende und die eignen sich ja bekanntlich ausgezeichnet dafür, die Fotos des vergangenen Sommers zu sortieren und in den Erinnerungen an endlose Sommernächte zu schwelgen. Aber solange lassen wir euch nicht warten. (Wage ich jetzt mal mutig zu behaupten…) Ansonsten gilt: keine Nachrichten = gute Nachrichten.
…unser Wohnmobil. Nicht, dass unser Bus als solcher besonders luxuriös wäre. Natürlich ist er bequemer als ein Zelt, und die Toilette hat uns auch schon manchen Gang durch den Regen erspart. Aber klassischer Luxus sieht im Wohnmobil sehr anders aus.
Der eigentliche Luxus mit unserem Bus ist ein ganz anderer: Freiheit. Die Möglichkeit, einfach mal am Wochenende abzuhauen und den Alltag zu Hause zu lassen. Und zwar ohne sich vorher große Gedanken über die Reiseorganisation zu machen. Einfach ein paar Klamotten zusammengepackt, WoMo-taugliches Essen eingekauft und fahren, wohin einen die Straße führt. Oder wo nette Freunde aus Deutschland auf einen warten. Zum Beispiel über die Pfingstferien in Dalsland.
Mein erstes Studienjahr ist schon seit ein paar Tagen vorbei, ich hatte also am Freitag keine Verpflichtungen und konnte schon (fast) alles für die Reise vorbereiten. Ziemlich bald nachdem Annika den Laptop zugeklappt hatte – sie kann freitags mittlerweile von zu Hause aus arbeiten – waren wir auf der Straße nach Norden. Gegen acht hatten wir unser Ziel erreicht und warteten auf unsere Freunde.
Die Abendsonne sorgte wieder einmal…
…für fantastische Licht- und Schattenspiele…
…und wunderschöne Farben.
Kleine Blumen,…
…kleine Schnecken…
…und weite Landschaft.
Am nächsten Morgen gab es dann Frühstück mit verspätetem Geburtstagskuchen für Annika vorm Ferienhaus und…
nicht nur uns…
…lockte die Morgensonne heraus.
Auch der Mohn wird sich wohl nicht mehr lange bitten lassen.
Dann ging es weiter zu einem Antiquitätenladen. Zu Mittag aßen wir im Holzofen gebackenes Brot mit Butter und Käse im urgemütlichen Café in Hamrane (dazu an anderer Stelle mehr).
Den Abschluss machten dann ein Spaziergang und ein Eis am Vänerstrand.
Neben kleinen Blumen…
…wachsen auf der Burgruine Dalaborg…
…riesige Fliederbüsche.
Das Panorama war wunderbar…
…und auch das Wetter spielte mit.
Zum Baden war es uns aber zu kalt.
Am Sonntag war dann das Wetter leider nicht mehr ganz so schön, was uns aber nicht von einem Besuch der Schleusen in Trollhättan abgehalten hat.
Selbst in den heute stillgelegten Schleusentreppen grünt und blüht es überall.
Und jetzt dürft ihr raten, was Annika außer dem Kuchen noch zum Geburtstag bekommen hat.
Luxus ist, wenn man auf seinem 70 km langem Weg zur Arbeit an mindestens fünf schönen Badeplätzen vorbeikommt.
Luxus ist, wenn man morgens an die Badesachen gedacht hat und auf dem Heimweg mal eben ins Wasser hüpfen kann.
Luxus ist, wenn man zwar das Wasserthermometer nicht dabei hat, aber ein netter Schwede mit Thermometer vorbeikommt.
Luxus ist, wenn man im Wasser war, bevor der Schwede mit dem Thermometer die Wassertemperatur verkündet.
Luxus ist, wenn man nach dem Bad im 12,5°C warmem Wasser auf dem warmen Holzsteg in der Sonne trocknen kann.
Luxus ist, wenn man am Freitag zuhause arbeiten darf.
Luxus ist, wenn der nächste See nur einen Katzensprung weit weg ist.
Luxus ist, wenn Jonas um 12 das Mittagessen fertig gepackt hat.
Luxus ist, wenn man in der Mittagspause fix zum Haussee fahren, baden und anschließend picknicken kann.
Luxus ist, wenn dieser See, auf dem wir vor drei Monaten noch eislaufen waren, so klein ist, dass er im Mai schon warm genug ist, um es fünf Minuten darin auszuhalten, ohne zu frieren.
Da ich am Freitag leider eine Absage von meinem erhofften neuen Arbeitgeber erhalten hatte, mussten wir dieses Wochenende unbedingt was Schönes machen.
Deshalb haben wir gestern eine befreundete deutsch-schwedische Familie besucht, die hier in der Nähe „im Wald“ wohnt. Eigentlich wollten wir gemeinsam Eisangeln gehen, aber da es doch ziemlich windig, kalt und ungemütlich war, gingen wir direkt wieder ins Haus, nachdem wir das Loch gebohrt hatten.
Wie tief das Eis wohl ist?
Männer bei der Arbeit
Jonas schafft den Durchbruch
„Uiii, ist das tief!“
Wir waren einigermaßen beruhigt, als wir sahen, dass das Eis an die 30cm dick war. Der Jüngste schien trotzdem ziemlich Angst davor zu haben, sich auf dem Eis aufzuhalten, was sein Vater mit den Worten „ist halt ein halber Deutscher“ kommentierte…
Heute, am Sonntag, konnten wir in der Sonne frühstücken, die jetzt bereits wieder zur (Sonntags-)Frühstückszeit in unsere Küche scheint. Das Thermometer auf der Außenfensterbank stieg dann auch rasch auf unrealistische +15° an – die tatsächliche Lufttemperatur dürfte jedoch tatsächlich im Plusbereich gewesen sein.
Bei diesen fantastischen Voraussetzungen mussten wir unbedingt an den Hultasjön, wo wir ja im Sommer immer baden gehen, und wo auch das Ferienhaus liegt, das Jonas Eltern an Weihnachten gemietet haben.
Mit dem Wissen, dass das Eis dick genug ist, noch dazu bei warmer Mittagssonne und Windstille war das heute ein echter Wintertraum – oder doch schon vårvinter (Frühlingswinter), die schwedische fünfte Jahreszeit?
Wir waren bestimmt zwei Stunden auf dem Eis und ich war danach auch ordentlich durchgeschwitzt, obwohl ich meine Winterjacke schon bald ausgezogen hatte. Warum? Seht selbst…
Zugegeben, meine besten Zeiten als Eisprinzessin habe ich wohl hinter mir, aber zu meiner Verteidigung muss ich auch sagen, dass die Schneedecke auf der Eisfläche ganz schön gewöhnungsbedürftig war und das Eis mit schönem Eishalleneis ungefähr so viel gemein hatte, wie eine Schotterstraße mit einer Bowlingbahn…
Letzten Samstag hatte ich ein anställningsintervju für eine Vollzeitstelle in Bohuslän und da wir die lange Fahrt (nach deutschen, nicht nach schwedischen Maßstäben) dann schon mal hinter uns hatten, haben wir den Rest des Tages für ausgiebiges Sightseeing genutzt.
Es war zwar nicht so kalt wie in Piteå, wo an diesem Tag -34° gewesen wären (Piteå stand ja im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Schweden eine Zeitlang ganz oben auf der Wunschliste), aber auch bei uns kletterte das Thermometer an diesem Tag in der Mittagssonne auf der Fensterbank gerade mal auf -12°.
Beim Frühstück haben wir -19°C – zum Glück nur draußen
Nach dem Intervju am Vormittag kamen wir an einem See vorbei. Da nur Tierspuren auf dem Eis waren, haben wir uns nicht weiter hinaus getraut, sondern blieben brav am Ufer.
Winterschilf am Aspen
Dann gings weiter Richtung Küste. Unterwegs fuhren wir an einigen zugefrorenen Wasserfällen vorbei. Eigentlich waren das gar keine richtigen Wasserfälle, sondern nur Rinnsale; ich fand es trotzdem ziemlich beeindruckend.
Wer ist größer?Warum hast du so ein großes Maul?
Glitzerndes EisIn der Halle des Bergkönigs
Schließlich kamen wir in Bovallstrand an, einem kleinem Fischerort. In dieser Gegend gibt es einige Fjorde und die waren alle zugefroren, aber das offene Kattegat ist natürlich eisfrei. Die Küstenorte in Bohuslän, die im Sommer ziemliche Touristenmagnete sind, sind jetzt im Winter menschenleer, aber deshalb nicht weniger idyllisch – im Gegenteil.
BovallstrandStrand und Steg
Auch wenn ich den Job letztendlich nicht bekommen sollte, so hat sich die Fahrt doch wenigstens für diesen wunderschönen Tag gelohnt. Abends zeigte der Kilometerzähler im Auto übrigens über 200km an. Also läppische 20 schwedische mil (Meilen)…
So, das war’s also: der erste Weihnachts-Neujahr-Familienbesuch in der neuen Heimat. Da in unseren zwei Zimmern natürlich kein Schlafplatz für die ganze Mannschaft ist, kamen meine Mutter und ihr Freund im eigenen Wohnmobil, Jonas‘ Eltern und Brüder hatten sich ein Ferienhaus in der Nähe gemietet und nur mein Bruder schlief während seines Kurzbesuchs hier in unserem Wohnzimmer. Platz ist ja aber bekanntlich in der kleinsten Hütte und so konnten wir wenigstens zu den Mahlzeiten alle hier bei uns an einer langen Tafel unterbringen.
Heiligabend: 9 Menschen und ein Weihnachtsbaum in unserem kleinen Wohnzimmer
Das Ferienhaus können wir übrigens allen zukünftigen Gästen, die hier aufkreuzen sollten, wärmstens empfehlen: auf einem kleinen Hügel direkt am See gelegen, mit eigenem Steg (der um diese Jahreszeit allerdings eine eher untergeordnete Rolle spielt), Kaminofen (im Moment wesentlich wichtiger) und fantastischer Aussicht, bietet es Platz für vier Personen – und nein, ich werde nicht für die Werbung bezahlt…
Trotzdem: Hier kann man das Haus mieten…
Das Ferienhaus am leicht angefrorenen See
Das Wetter war zwar insgesamt eher durchwachsen und leider immer noch schneefrei, dennoch hatten wir immer mal wieder ein paar Stunden Sonne für diverse Unternehmungen. Die Fahrt mit dem Göteborgshjulet, dem Riesenrad im Göteborger Hafen z.B., um das wir bisher immer einen großen Bogen gemacht haben („wir sind doch keine Touris“) hat sich trotz des stolzen Preises von rund 10 Euro wirklich gelohnt, schon deshalb, weil man eine Viertelstunde im Warmen sitzt :-) Und die Aussicht ist wirklich fantastisch. Wir waren um die Mittagszeit drin, als die Sonne am höchsten stand…
Übrigens dürften wir zu den letzten gehört haben, die an diesem Platz im Riesenrad waren (was wir zu diesem Zeitpunkt gar nicht wussten). Seit gestern wird das Riesenrad abgebaut und zieht nach Liseberg um, dem Göteborger Vergnügungspark, wo es zur Saisoneröffnung im Frühjahr wieder in Betrieb genommen werden soll.
GöteborgshjuletAussicht über den Hafen, rechts im Bild Läppstiftet (der Lippenstift); der Viermaster ist ein ***Hotel, Liseberg Barken VikingRund 60 m hoch und mit 42 beheizten GondelnMittagssonnenstand in Göteborg, sechs Tage nach dem kürzesten Tag des Jahres
Am 30. waren bis auf meine Mutter und Freund alle bereits wieder abgereist, sodass wir in kleiner Runde einen Ausflug nach Marstrand machten. Wir waren ja im Sommer schon mal dort gewesen, aber an einem sonnigen Wintertag hat das Inselchen auch was. Was es zur Zeit jedenfalls nicht hat: Touristen. Wir hatten die Insel quasi für uns allein.
Carlstens Festung auf Marstrand - mitten im Winter...Auch im Winter schön: die Schären vor Marstrand - mittags um zwei.
Von Dagmar, dem Sturm, der an Weihnachten halb Schweden lahmgelegt hat, haben wir übrigens nur wenig mitbekommen. Klar, gestürmt und geschüttet hats hier auch, aber wir hatten weder Stromausfall noch sind unsere Dachziegel weggeflogen oder der (nicht vorhandene) Keller vollgelaufen.
Jetzt im (astronomischen) Mittwinter kommt die Sonne selbst zur Mittagszeit nur mit Mühe über den Horizont und scheint einem dann gerade so in die Kniekehlen. Das führt dazu, dass eigentlich den ganzen Tag lang Sonnenuntergangslicht ist – zumindest bei klarem Wetter. Dicke Regenwolken oder gar Nebel hingegen bewirken, dass ich mich an manchen Tagen wie eine Schlafwandlerin fühle. Denn wenn es draußen dunkel ist, gehört man schließlich ins Bett – oder wenigstens mit Buch, Wolldecke und einem Becher Kakao aufs Sofa…
Silvester wurde es dann wenigstens etwas kälter (wenn schon kein Schnee), sodass über Nacht der See zufror und wir am Silvesternachmittag eine wunderschöne Seerundwanderung machen konnen und uns das Elchfondue zum Jahreswechsel auch ordentlich verdient hatten.
Als Einwanderer in Deutschland kann man ziemlich viel Geld für Sprachkurse lassen, wenn man ihn bei einer privaten Sprachschule macht. (Das meiste Geld dabei verdient die Sprachschule, nicht der Sprachlehrer, denn der wird üblicherweise nur auf Honorarbasis bezahlt und das Einstiegsniveau liegt bei 11-12€/45 min für jemanden der sein Fach studiert hat und frisch von der Uni kommt.) Wenn man nicht gerade mit einem dicken Geldbeutel gesegnet ist und sich Einzel- oder Kleingruppenunterricht leisten kann, sitzen in diesem Sprachkurs Menschen mit riesigen Bildungsunterschieden nebeneinander. Die iranische Ärztin neben dem kasachischen Gebrauchtwagenhändler, der chinesische Ingenieur neben der chilenischen Reinigungskraft, der Arabisch-Englisch-Dolmetscher neben dem Flüchtling aus Somalia, der gerade den Alfabetisierungskurs abgeschlossen hat. Die Aufzählung mag klischeehaft klingen, habe ich aber tatsächlich mal so in einem Sprachkurs gehabt. Und weitere 19 Schüler.
Sfi-Schema (Quelle: skolverket.se)
Der schwedische Staat verpflichtet seine Kommunen, jedem Einwanderer kostenlosen Sprachunterricht, sogenannte Sfi-Kurse zu gewähren. Dabei gibt es drei Schienen (Sfi 1/2/3), die das Lernvermögen nach Grad des Schulabschlusses der Schüler berücksichtigen. Sfi 1 ist für Menschen mit wenig bis gar keiner Schulbildung und Analphabeten, Sfi 3 für Menschen mit 12 oder mehr Jahren Schulbildung. Jede Kursschiene ist wiederum in zwei Teilkurse aufgeteilt, jeweils in einen Anfänger- und einen Fortgeschrittenenkurs. Aber auch, wenn man als Analphabet mit Kurs A anfängt, darf man bis Kurs D weiterlernen, dauert dann eben länger, aber das ist den Schweden egal.
Für Sfi kann man sich anmelden, sobald man eine Personnummer hat. Also war ich gleich noch letzten Freitag bei Komvux, so heißt hier in Ale die kommunale Einrichtung für Erwachsenenbildung. Weil gerade Semesterstart ist, war am Montag direkt die Info-Veranstaltung dazu. Zusammen mit etwa 25 anderen Menschen, die überwiegend aus Asien und arabischen Ländern stammten, soweit ich das von Aussehen und Namen her beurteilen konnte, ließ ich mich also von Anna, der Schwedischlehrerin belehren, dass ich Wörterbuch, Stift und Papier im Kurs brauche und erhielt mein Kursbuch. Die letzte Lektion darin behandelte die Wochentage. Ich sah mich schon im falschen Film, weil ich doch schon eine Weile über dieses Stadium raus bin, da beendete Anna die Veranstaltung auch schon wieder, bat aber mich und fünf andere, noch zu bleiben. Bei uns war sie sich nicht sicher, ob wir in diesem Kurs richtig seien. Sie fragte dann jeden von uns, ob und wo wir schon Schwedisch gelernt hatten und nachdem ich dann meine Schwedischbiografie aufgesagt hatte, schaute sie mich bestürzt an und meinte, ich dürfe gar nicht an Sfi teilnehmen. Mir sank das Herz in die Hose – kein Schwedischkurs? Dann bat sie mich, mich etwas abseits zu setzen und einen ausformulierten Lebenslauf zu schreiben, während sie die anderen Fälle durchging. Als die anderen dann alle schon weg waren, las sie sich mein Geschreibsel durch und schüttelte den Kopf: „Kein Sfi… du gehst direkt in Schwedisch als Zweitsprache.“
Svenska som andraspråk – Schwedisch als Zweitsprache
Svenska som andraspråk (SAS) besteht aus drei Stufen (Grund, A und B) und soll drei Jahre dauern, wobei eine bestandene Prüfung in SAS Grund dem schwedischen Grundschulabschluss nach der 9. Klasse entspricht und SAS B gleichbedeutend mit der schwedischen Abiturprüfung oder TISUS ist. Grund und B werden jeweils mit einer nationalen Zentralprüfung abgeschlossen. Ich war ein bisschen stolz, direkt so hoch eingestuft zu werden, gleichzeitig heißt es aber auch, dass ich weniger Unterricht bekomme und mehr zuhause machen muss. Wie es aussieht, habe ich zweimal die Woche 100 Minuten Unterricht und es werden zusätzlich 2-3 Stunden tägliches Selbststudium vorausgesetzt. Und wenn man ganz besonders fleißig ist, darf man die Prüfung für Grund auch schon nach einem halben Jahr machen, also im Februar. Dann muss man sich allerdings die Inhalte des zweiten Halbjahres selbstständig aneignen. Ist ja klar, was jetzt mein Ziel ist…
Ein schönes Fleckchen zum Lesen...
Im Kurs arbeiten wir natürlich an Grammatik und Wortschatz, aber wir werden auch mehrere Bücher lesen und vorstellen, die wir aus einer Liste auswählen dürfen. Ich war gestern gleich in der Bibliothek und habe meinen ersten schwedischen Henning Mankell auch schon halb durch. Wenn Annas Unterricht so ist, wie ihre Erwartungen, die sie uns schriftlich mitgegeben hat, dann wird das nächste halbe Jahr super. Und super anstrengend. Wir sollen natürlich ganz viel lesen, aber auch viel fernsehen und Radio hören. Damit kann ich leben… Deswegen habe ich auch den gestrigen Nachmittag in der Sonne am Göta Älv gesessen und – gelesen.
Mein gestriger Besuch bei der Arbeitsvermittlung war auch ganz erfreulich. Noch kein Job, aber Perspektiven. Zumindest war der Arbeitsvermittler einigermaßen entsetzt, als ich gesagt habe, zur Not würde ich auch Burger bei McDoof einpacken oder Briefe austragen. „Aber warum denn, du hast doch studiert! Da nimmst du doch anderen den Job weg, die wirklich nichts anderes machen können.“ Das find ich gut, das seh ich nämlich eigentlich auch so.
Zum Schluss: das Wetter.
...und ein anderes zum Reinspringen!
Als Einwanderer in Schweden hat man aber nicht nur Anrecht auf Sprachkurse, sondern auch die Möglichkeit, abends in einen schönen See zu springen. Auch wenn sich die Anzeichen des nahenden Herbstes langsam nicht mehr ignorieren lassen, machen wir davon nach wie vor Gebrauch. Tagsüber ist es zwar noch wunderbar warm, aber nachts wird es doch empfindlich kalt, deshalb ist unser See inzwischen auf 16°C abgekühlt. Egal, damit war er gestern Abend immer noch vier Grad wärmer als die Luft… :-)