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Jonas‘ Hochzeitsreise


Während Annika nach unserer Hochzeit lieber mit ihrem Lieblingskollegen als mit mir verreist – und das gleich zwei Mal – wurden wir Mitarbeiter der Kulturschule von unserem Chef auf eine kleine Reise eingeladen; und damit meine ich nicht den Tagesausflug mit 120 Zweit- bis Viertklässlern im Schlepptau nach Göteborg, wo wir das naturhistorische Museum bestaunt, für Cafébesucher gespielt und danach noch einen großen Spielplatz besucht haben, denn das war dann doch eher anstrengend als lustig, erholend, anregend oder was eine Reise sonst noch alles sein soll.

Wie auch im Vorjahr, als der Betriebsausflug nach Eksjö ging, wussten wir auch dieses Mal bei der Abfahrt nicht, wohin die Reise gehen sollte; unserem Chef bereitet es nämlich immer wieder eine diebische Freude, uns das Reiseziel während der Fahrt erraten zu lassen. Dieses Jahr war ich tatsächlich der erste, der richtig lag: Als der Bus in Richtung Göteborg auf die Autobahn einbog, schlug ich gleich Marstrand vor. Daraufhin meinten dann zwar alle abwehrend, dass man dort doch erst vor drei Jahren war, aber am Ende sollte ich Recht behalten.

Auf Marstrand waren Annika und ich zwar schon öfter, denn als wir noch in Skepplanda wohnten, war die Insel immer die nächste Gelegenheit, um ans Meer zu kommen, aber unser letzter Besuch lag seit dem Umzug nach Borås ziemlich lange zurück und so freute ich mich riesig, als wir auf die kleine blaue Fähre gingen, die uns von der mit dem Bus zu erreichenden „Kuhinsel“ Koön nach Marstrandsön übersetzte. Dort angekommen ging es in die alte Küstenbatterie Strandverket, die ursprünglich Göteborg und Bohuslän gegen die Dänen verteidigen sollte und in der sich heute ein Museum mit Skulpturenpark befindet. Dieses wurde vom Verleger und Nachbar des Strandverket Peter Hjörn gegründet, den die dort vorher ansässige Disco genervt hatte und der fand, dass Marstrand statt noch einer Bar doch dringend einen ordentlichen Ort für hochkarätige Ausstellungen brauchte. Als Kurator konnte er dann den ehemaligen Chef des Boråser Kunstmuseums Hasse Persson gewinnen, was wiederum erklärte, warum unser Chef gerade das Strandverket als Ziel unseres Ausflugs gewählt hatte – immerhin kennen sich die beiden schon ziemlich lange.

Somit ließ es sich Hasse dann auch nicht nehmen, uns persönlich durch die Skulpturen sowie die beiden aktuellen Ausstellungen zu führen – eine über Ingrid Bergmann zum 100.Geburtstag und eine mit Werken der Fotografin Denise Grünstein. Ich muss zugeben, dass mich Ingrid Bergmann tatsächlich nicht sehr interessiert und ich wahrscheinlich erst einmal einen Haufen Hintergrundinformationen benötigt hätte, um die ganzen Einblicke in ihr professionelles und privates Leben zu würdigen. Was mich allerdings wirklich fasziniert hat, waren die Räume der Kunsthalle: weiß gemalte Gewölbe mit Metallstangen an der Decke, auf denen ursprünglich die Betten der Soldaten befestigt waren, damit unten genug Platz für die Kanonen war. Im Obergeschoss war dann sogar noch die Originalfarbe aus den 1850er Jahren erhalten, was den Bildern von Denise Grünstein, die unter anderem berühmte Kunstwerke von hinten abbildet oder Menschen in seltsam verfremdende Kostüme steckt, eine spannende Dramatik verlieh.

Nach dieser heftigen Dosis Kultur konnten wir auf eigene Faust über die Insel streunen. Mich zog es natürlich hoch zu Carlstens fästning, der großen Festungsanlage oben auf der Insel, denn von dort hat man einen tollen Blick über Meer und Schären. Danach ging es dann zum Essen und dann wieder nach Hause. So soll ein letzter Arbeitstag vor den Ferien sein!

Was die Schweden bewegt: Blingon


Blaubeeren sind in Schweden bekanntlich keine Seltenheit. Und wenn ich jetzt schreibe, dass es hier auch viele Preiselbeeren gibt, wird das auch keinen überraschen. Zu jedem ordentlichen IKEA-Essen gehört schließlich ein ordentlicher Löffel Preiselbeerkompott. Die Waldböden sind zwar mit Preiselbeeren nicht ganz so überwuchert wie mit Blaubeeren, lange suchen muss man aber weder die einen noch die anderen.

Sowohl Preisel- als auch Blaubeeren wachsen gerne in lichten Kiefernwäldern, was wohl daher rührt, dass beide derselben Gattung angehören, nämlich den Heidelbeeren. Und da sie gerne dicht beieinander wachsen und manchmal gleichzeitig blühen, kann es passieren, dass eine Biene oder Hummel erst eine Blüte der einen und dann – vollgepackt mit Pollen – die der anderen anfliegt. Das passiert zwar nicht häufig, und der so entstehende Hybrid trägt auch noch seltener Früchte, aber neulich wurden in Bohuslän tatsächlich Beeren tragende Blingon entdeckt (aus blåbär = Blaubeere und lingon = Preiselbeere). Das schwedische Kofferwort finde ich übrigens wesentlich schöner als den deutschen Namen: Bastard-Heidelbeere. Die Alternative Mittlere Heidelbeere ist auch nicht viel besser. Die deutsche Seite von Radio Schweden war da mit Heiselbeere doch wesentlich kreativer. Schwedische Botaniker machen sich indes Sorgen um die Gleichberechtigung und schlagen als Namen Blågon vor.

Blühende Heiselbeere (Quelle: Sveriges Radio)

Und zum Schluss noch die schlechten Nachrichten: Blingon sind anscheinend kein großes Geschmackserlebnis und die Samen treiben so gut wie nie aus. Es wird also nichts mit einer neuen Lieblingsbeere beim Waldspaziergang in ein paar Jahren.

Ein Intervju und ein Ausflug an die Küste


Letzten Samstag hatte ich ein anställningsintervju für eine Vollzeitstelle in Bohuslän und da wir die lange Fahrt (nach deutschen, nicht nach schwedischen Maßstäben) dann schon mal hinter uns hatten, haben wir den Rest des Tages für ausgiebiges Sightseeing genutzt.

Es war zwar nicht so kalt wie in Piteå, wo an diesem Tag -34° gewesen wären (Piteå stand ja im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Schweden eine Zeitlang ganz oben auf der Wunschliste), aber auch bei uns kletterte das Thermometer an diesem Tag in der Mittagssonne auf der Fensterbank gerade mal auf -12°.

Beim Frühstück haben wir -19°C – zum Glück nur draußen

Nach dem Intervju am Vormittag kamen wir an einem See vorbei. Da nur Tierspuren auf dem Eis waren, haben wir uns nicht weiter hinaus getraut, sondern blieben brav am Ufer.

Winterschilf am Aspen

Dann gings weiter Richtung Küste. Unterwegs fuhren wir an einigen zugefrorenen Wasserfällen vorbei. Eigentlich waren das gar keine richtigen Wasserfälle, sondern nur Rinnsale; ich fand es trotzdem ziemlich beeindruckend.

Wer ist größer?
Warum hast du so ein großes Maul?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glitzerndes Eis
In der Halle des Bergkönigs

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schließlich kamen wir in Bovallstrand an, einem kleinem Fischerort. In dieser Gegend gibt es einige Fjorde und die waren alle zugefroren, aber das offene Kattegat ist natürlich eisfrei. Die Küstenorte in Bohuslän, die im Sommer ziemliche Touristenmagnete sind, sind jetzt im Winter menschenleer, aber deshalb nicht weniger idyllisch – im Gegenteil.

Bovallstrand
Strand und Steg

Auch wenn ich den Job letztendlich nicht bekommen sollte, so hat sich die Fahrt doch wenigstens für diesen wunderschönen Tag gelohnt. Abends zeigte der Kilometerzähler im Auto übrigens über 200km an. Also läppische 20 schwedische mil (Meilen)…

Die erste Woche


Nun sind wir schon fast eine Woche hier, aber mir kommt es schon wie eine Ewigkeit vor, weil bis jetzt jeder Tag so proppevoll mit Eindrücken und Erlebnissen war. Bis heute morgen waren ja auch noch Jonas‘ Bruder und dessen Freundin hier und heute ist der erste Abend, an dem wir hier alleine sind. Aber der Reihe nach.

Montag – der Auszug

Deutschland verabschiedet sich mit einem grandiosen Sonnenuntergang

Dank vieler helfender Hände – nochmal ein dickes DANKE an euch!!! – ging das Kistenschleppen erfreulich fix und selbst beim Wohnungsputz hatten wir noch Helfer. Der Umzugs-LKW war dann auch um 11:30 schon wieder weg, während wir noch die Wohnung übergaben. Für den Flügel hatten wir eine eigene Firma engagiert, die unseren Herrn Schiedmayer aus dem 3. Stock runtertragen und den Transportschlitten und Rollwagen an die beiden Männer vom Umzugsunternehmen übergeben sollten. Der Flügel war auch fix im LKW verschwunden, nur haben sie aus unerfindlichen Gründen Schlitten und Rollwagen mitgenommen. Böser Fehler…
Gegen eins konnten wir dann auch aufbrechen. Jonas und Bruder im VW-Bus, meine „Schwippschwägerin“ und ich im Twingo. Die Fahrt nach Travemünde bei Lübeck war soweit ereignislos und glücklicherweise haben sogar beide Autos noch einen Platz auf der Fähre um 22:00 nach Malmö gekriegt, während unser LKW die kürzere Fähre nach Trelleborg nehmen musste und damit am nächsten Morgen zwei Stunden vor uns in Schweden ankommen sollte.

Dienstag – der Einzug

Gegen 7 Uhr kamen wir in Malmö an und starteten direkt durch nach Skepplanda, schließlich hatte der LKW schon einigen Vorsprung (dachten wir zumindest). Nach etwa dreieinhalb Stunden kamen wir an und Per, der Platzverwalter der Wohnungsgesellschaft, mähte gerade vor unserer Wohnung den Rasen. Die Wohnung war blitzblank geputzt, das hatte offensichtlich eine Reinigungsfirma gemacht, so sauber kann eine Küche eigentlich nur sein, wenn sie gerade neu eingebaut ist (ich weiß, wovon ich rede, ich hatte in Karlsruhe gerade noch einen ganzen Tag lang unsere Küche geputzt!).

Unser Haus wird gerade noch frisch gestrichen - der Giebel wird auch noch rot

Alle Elektrogeräte, d.h. Kühlschrank, Waschmaschine, Trockenschrank und – endlich! – Spülmaschine sahen ebenfalls aus wie frisch ausgepackt und sind von einer namhaften deutschen Weißwarenfirma.

Unser LKW war noch nicht da, also hatten wir noch Zeit für einen Gang zu unserem Minisupermarkt im Ort. Am fortgeschrittenen Nachmittag – wir fragten uns allmählich, ob sie nicht doch die Fähre nach Litauen genommen hatten und dort gerade unseren kompletten Hausstand vertickten – kam dann endlich auch der LKW. Sie hatten in Trelleborg eine falsche Adresse ins Navi eingegeben und waren direkt zu ihrem nächsten Kunden in der Nähe von Växjö gefahren. Da wir ja jetzt ebenerdig wohnen, waren die Kartons und die Möbel zügig ausgeladen – und dann kam der Flügel. Ohne Schlitten, ohne Rollwagen.

Erstes Abendessen auf unserer Veranda

Zuerst versuchten wir eine Schiebelösung mit massenhaft Wolldecken. Unmöglich. Dann konstruierten wir eine Gurttragevorrichtung (Auf der Gurtverpackung stand: „ACHTUNG! Nur zum Verzurren, nicht zum Transport schwerer Gegenstände!“), die uns – oder vielmehr: den Flügel – aber auch nicht nennenswert weiterbrachte. Schließlich fuhr Jonas mit einem der Umzugsmänner in den nächsten Baumarkt, um einen Rollwagen zu kaufen. Fehlanzeige. Ziemlich frustiert saßen wir sechs dann da und wussten nicht richtig weiter.

Ziemlich hoffnungslos fragte Jonas schließlich Milan, den Maler, der gerade unsere Dachbalken rot anmalte, ob er nicht eine Idee habe. Und siehe da: aus seinem Werkzeugschuppen holte Milan einen hydraulischen Hebewagen, der unser Problem in kürzester Zeit löste. 20 Minuten später stand der Flügel unversehrt und spielbereit im Wohnzimmer. Milan ist übrigens nach eigenen Angaben Jugoslawe und hat 8 Jahre in Mainz gelebt und freute sich riesig mal wieder deutsch sprechen zu können – was er gleich dazu nutzte, mich zu fragen, ob ich nicht seiner immer noch in Deutschland lebenden Frau eine Arbeitserlaubnis z.B. als Putzhilfe verschaffen könnte.

Mittwoch – Kisten auspacken

Was soll ich viel schreiben, außer auspacken haben wir an diesem Tag nicht viel gemacht.

Donnerstag – erster Kontakt mit schwedischen Behörden und IKEA

In Schweden gibt es kein Einwohnermeldeamt, denn die Anmeldeformalitäten übernimmt das skatteverket (Finanzamt), dann kennt zumindest die wichtigste schwedische Behörde schonmal die neue Adresse… Bevor wir uns dort aber anmelden und damit eine Personennummer beantragen konnten, mussten wir zunächst unser Aufenthaltsrecht als EU-Bürger beim migrationsverket registrieren. Das hatten wir schon zwei Wochen zuvor von Deutschland aus online gemacht und uns auf eine Wartezeit von 3 Monaten eingestellt. Aber siehe da: Als wir einzogen, lag der wichtige Brief vom Migrationsverk bereits seit 10 Tagen in unserem neuen Briefkasten. Also konnten wir damit direkt zum Skatteverk gehen und die Personennummer beantragen. Das war ein unkomplizierter Gang mit einem zweiseitigen Formular ohne irgendwelche Wartezeiten. Jetzt heißt es 4-6 Wochen auf die Personennummer warten.

Sommerdiamanten!

Das Skatteverk liegt auf dem Weg zu unserem nächsten IKEA, der etwa 30 km entfernt ist. Auch dazu muss ich nicht viel sagen, es gibt dort Billy, Benno und Köttbullar. Und das Regal, dessentwegen man dorthin gefahren ist, ist gerade nicht mehr im Lager. Also alles genauso wie in einem deutschen IKEA.

Abends lockt ein Sprung in „unseren“ See, nur 8 km entfernt. Inzwischen hüpfe ich rein, ohne mich vorher abzukühlen. Wir haben noch nicht gemessen, aber er hat wohl so um die 20 Grad. Und wenn man abends hingeht, hat man den See auch ganz für sich alleine.

Freitag – Ausflug nach Trollhättan

Die Vattenfall-Wasserfälle

Jonas zweiter Bruder ist gerade in Oslo und kam übers Wochenende. Da die Bahnstrecke vor unserem Dorf noch die nächsten zwei Wochen umgebaut wird, konnte er nur bis Trollhättan fahren, was wir dazu nutzten, uns die Stadt anzuschauen. In Trollhättan sitzen Saab und Volvo Aero, außerdem ist es die Geburtsstadt von Vattenfall, denn dort steht das „Ur-Wasserkraftwerk“ an einem Wasserfall, der heute noch zu touristischen Zwecken im Sommer eine Viertelstunde am Tag geöffnet wird. Als wir dort waren, fiel tatsächlich jede Menge Wasser, sodass wir uns schnell in das absolut empfehlenswerte Technik- und Naturwissenschaftsmuseum Innovatum verkrochen.

Leuchtturm auf Marstrand, im Hintergrund eine Regatta

Samstag – Ausflug ans Meer

Mit nun drei Feriengästen und bestem Sommerwetter bot sich ein Ausflug in die Schären geradezu an.

In den Schären bei Marstrand

Marstrand liegt auf einer Schäre desselben Namens etwa eine Autostunde von uns entfernt. Man kann mit dem Auto bis auf die vorletzte Insel fahren, dann geht es mit einer kleinen Fähre hinüber nach Marstrand. Dort machen viele Schweden Urlaub, aber auch superreiche Russen mit ihren schicken Yachten kann man dort sehen. Oder man macht sich zu Fuß auf den Weg in den westlichen Teil der Insel und kann sich ganz schnell wie der einzige Insulaner fühlen.

Sonntag – Ausflug in Königs Elchjagdrevier

Nahe Trollhättan gibt es zwei Tafelberge direkt am Vänern – Halle- und Hunneberg -, wo die Königsfamilie wohl regelmäßig auf Elchjagd geht, was die Wahrscheinlichkeit, dort einen Elch zu sehen, zumindest außerhalb der Jagdsaison deutlich erhöht. Uns reizte jedoch mehr die Vorstellung, von einer  50 m hohen Steilklippe aus über den Vänern zu schauen und eine schöne Wanderung zu unternehmen, daher haben wir auch das Elchmuseum links liegen gelassen. Abends wartete dann in Trollhättan der Zug nach Oslo auf Jonas Bruder.

Montag – Alltag kehrt ein

Nachdem vormittags auch unsere beiden geduldigen Umzugshelfer abgereist sind, war das heute unser erster Tag allein in unserem neuen Heim. Inzwischen haben wir zumindest einen Internetstick, mit dem sich das Surfen ein bisschen anfühlt wie in den späten 90ern, so langsam ist es. Daher können wir leider noch nicht skypen, aber wir sind an einer besseren Internetverbindung dran. Immerhin habe ich heute ernsthaft mit der Jobsuche beginnen können und meine Daten in verschiedenen Jobbörsen hinterlegt.

Der Urwald vor der Haustür

Zum ersten Mal haben wir heute einen längeren Spaziergang von unserem Haus aus unternommen. Nur 100m von hier beginnt ein Urwald, wo man hinter jedem Baum Ronja Räubertochter erwarten könnte und der noch viele Möglichkeiten für unterschiedliche Runden über Stock und Stein bereithält. Und für den Winter gibt es eine beleuchtete Loipenrunde durch den Wald. Das ist doch was anderes als unsere Standardrunde durch die Karlsruher Schrebergärten.

Viel los also in den letzten Tagen und jeden Tag so viel Neues. Die nächsten Tage werden wir hier noch weiter rumräumen und ein Besuch bei IKEA steht auch noch an, bevor für Jonas nächsten Montag das Semester startet. Bis dahin genießen wir hier den Spätsommer, der uns mit viel Sonne und Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad beglückt. So solls sein!

Landesteile, Läns und Landschaften


So wie manche Menschen sich stundenlang Bildbände mit italienischen Malern anschauen oder sich in einen Krimi vertiefen können, so kann ich mir Landkarten angucken. Ich finde es spannend, Städte, Flussläufe und Gebirge auf topografischen Karten zu entdecken und mir fiktive Wanderrouten zurechtzulegen, aus thematischen Karten Bevölkerungsdichte und Bodenschätze herauszulesen oder anhand historischer Karten Veränderungen von Landesgrenzen und Küstenlinien nachzuvollziehen. Deshalb habe ich seit gestern eine neue Lieblingswebsite: Sveriges Nationalatlas. Dort gibt es gut 4800 verschiedene thematische Karten von ganz Schweden sowie einzelnen Regionen. Natürlich finden sich hier Klassiker wie Wahlergebnisse nach Regionen oder Arbeitslosigkeitsverteilung, aber auch die Dichte von Amateurorchestern oder die Verteilung finnischer Touristen im Jahr 1990 kann man sich hier anzeigen lassen.

Nutzen wir also die Gelegenheit, um uns Schweden mal etwas genauer anzuschauen: Von der Südspitze Schwedens, Smygehuk, bis zum nördlichsten Punkt, dem Dreiländereck Schweden/Norwegen/Finnland (Treriksröset)  sind es rund 1570 km. Damit würde Schweden, klappte man es an der Südspitze um, nicht wie häufig kolportiert, bis Sizilien reichen, sondern nur bis knapp hinter Rom. (Dieser Irrtum resultiert aus der Mercatorprojektion, auf die viele von uns während langweiliger Erkundestunden gestarrt haben und die die Flächen zu den Polen hin vergrößert. Aber genug kluggesch…).

Wenn man Schweden ganz grob unterteilen möchte, so gibt es drei Landesteile (landsdelar): Norrland, Svealand und Götaland. Diese Unterteilung hat keinerlei politische Bedeutung, auffällig ist jedoch, dass weit mehr als die Hälfte der Fläche Schwedens Norrland zugerechnet wird. Gleichzeitig wohnt hier nur rund ein neuntel aller Schweden. Damit hat Norrland eine Bevölkerungsdichte von rund 4,5 Einwohnern pro km². Das ist jedoch nur ein Durchschnittswert, denn natürlich konzentriert sich die Bevölkerung an der Küste und den wenigen größeren Städten. Je weiter man nach Süden und/oder an die Küsten kommt, desto dichter besiedelt ist Schweden; allerdings ist es mit einer Einwohnerdichte von ca 21 Einw./km² auf ganz Schweden gerechnet immer noch ein relativ leeres Land (vgl. Deutschland: 229/km²).

Die nächstkleinere Gliederungsebene Schwedens sind die Läns, ein Begriff der mit dem deutschen Wort Lehen verwandt ist. Die 21 Läns sind politisch relevant und ansatzweise vergleichbar mit den deutschen Bundesländern.

Nicht zu verwechseln mit den Läns sind die Landschaften (landskap), die zwar keine politische Relevanz (mehr) haben, die einem aber häufig im Alltag begegnen. Vielleicht hat sich ja beim Betrachten der zweiten Karte schon der eine oder andere gefragt, wo denn die bei vielen Deutschen so bekannten und beliebten Regionen wie Småland, Bohuslän, Dalsland oder Lappland liegen.

Die heutigen Läns sind in Namen und Grenzen den 25 historischen Provinzen zwar nicht unähnlich, aber etwas prosaischer, zumindest was die Namen angeht. Kein Kleines Land mehr (Småland), kein Land der Täler (Dalsland) und kein Land der Lappen (die korrekterweise Sami heißen). Stattdessen flächendeckender Nordboden (Norrbotten). Südlich davon liegt der Westboden Västerbotten, dessen östlicher Bruder Österbotten in seiner historischen Ausdehnung große Teile des heutigen Finnlands umfasste. Die heutige Verwaltungseinheit in Finnland (ja, wirklich: lääni) gleichen Namens ist weitaus kleiner. Aber ich schweife ab. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass jede Landskap jeweils ein eigenes Landschaftstier, einen Landschaftsfisch (jaja, die Schweden sind ein Volk von Anglern), einen Landschaftsvogel und eine Landschaftspflanze hat. Außerdem ein Landschaftsgericht, -insekt, – moos, -pilz, -sternbild, -gestein, -chemisches Element und einen Landschaftsapfel.

In unserem Fall Västergötland wären dies:

Landschaftstier: Kranich
Landschaftsfisch: Quappe (hat nichts mit Fröschen zu tun)
Landschaftsvogel: Kranich (sehr ökonomisch: Tier = Vogel)
Landschaftspflanze: Besenheide
Landschaftsgericht: Schweinefilet mit Pfifferling- und Kohlrabisauce (alternativ auch: Grynkorv, eine Art Kartoffelwurst oder Elchfilet mit Zimt und schwarzer Johannisbeersauce)
Landschaftsinsekt: Lungenenzian-Ameisenbläuling
Landschaftsmoos: Abietinella abietina (übrigens auch Moos des Jahres 2011! oha…)
Landschaftspilz: Granatroter Saftling
Landschaftssternbild: Schlangenträger
Landschaftsgestein: Plateaudiabas (den gibt’s übrigens auch bei Jonas im Sauerland)
Landschaftselement: Uran
Landschaftsapfel: Kavlås (benannt nach dem Herrenhaus Kavlås).

(Quelle: Wikipedia… was auch sonst)

Puh…! Was das alles miteinander zu tun hat? Keine Ahnung. Aber vielleicht weiß es ja eine/r unserer Leser(innen)… Wir können ja ein Preisausschreiben daraus machen: Wer aus dieser Liste eine spannende oder lustige Geschichte bastelt und sie uns schickt, dessen Œuvre wird hier veröffentlicht. Wir sind gespannt! (Einsendeschluss ist, wenn unser Countdown auf Null steht.)

Midsommar


Seit ich denken kann, lagen die Sommerferien in den süddeutschen Bundesländern bzw. später die Semesterferien immer so spät, dass ein Besuch des Mittsommerfestes in Schweden unmöglich war. Durch die extrem späten Pfingstferien in BaWü ging jedoch dieses Jahr ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung: Mein erstes schwedisches Mittsommerfest!

Wir haben lange überlegt, wo wir feiern sollen. Mein schwedischer Sprachtandempartner, den ich aus Karlsruhe kannte und der inzwischen in Göteborg wohnt, war mittsommermüde und fiel daher als Option aus. In den Tagen vor Mittsommer waren wir noch in an der Küste in Bohuslän, waren aber von dem riesigen Mittsommer- und Tourismusrummel dort abgeschreckt. Also beschlossen wir, das eigentlich naheliegenste zu tun und in Skepplanda zu feiern.

Das schwedische Mittsommerfest beginnt immer am Freitag nach dem kalendarischen Sommeranfang. Der Freitag heißt midsommarafton, ist also der Abend vor Mittsommer, der eigentliche midsommardag ist dann der Samstag. Allerdings findet der „offizielle“ Teil mit Aufstellen des Mittsommerbaumes und der Tanz um diese majstång bereits am Freitagnachmittag statt, während der Freitagabend und Samstag eher mit Familie und Freunden begangen werden.
Wir kamen also Freitagmittag pünktlich zum Aufstellen zum Skepplanda hembygdsgård, dem örtlichen Heimatmuseum. Das Wetter war, wie man uns versicherte, „richtiges Mittsommerwetter“, nämlich kühl mit Schauern.
Groß war die ganze Veranstaltung nicht – was ist in Skepplanda schon groß, außer den vier Fußballplätzen – aber dafür absolut untouristisch und umso familiärer. (Zum Vergrößern Bilder anklicken.)

Den gemütlichen Teil mit dem großen Fest(fr)essen am Freitagabend haben wir dann nicht mehr in Skepplanda verbracht, weil wir abends noch nach Trelleborg fahren wollten, denn wir hatten am Samstag die Rückfähre. Nächstes Jahr dann…