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Dein Briefkasten – mein Arbeitsplatz


Ein ungewöhnlich langer und sonniger Sommer neigt sich dem Ende zu und heute ist der erste richtig einheitsgraue Regentag seit… keine Ahnung. Ewigkeiten. Endlich wieder Zeit und Muße für die Pflege von Brevlåda, unserem virtuellen Briefkasten!

Seit wir Ende Dezember hier eingezogen sind, ärgern wir uns über unseren Briefkasten. Also nicht über Brevlåda, sondern über unseren Briefkasten fürs real life. Er ist nämlich furchtbar hässlich, aus schwarzem, geriffeltem Blech. Das erste Namensschild wollte nicht daran kleben bleiben, das zweite, das wir mit Paketklebeband und Klarsichthülle bombenfest daran befestigten, hielt zwar deutlich länger, aber es verschimmelte irgendwann in seiner Klarsichthülle und das dritte, ein wasserfestes und klebestarkes Dymo-Label, war nach zwei Wochen ausgeblichen. Beinahe hätte Jonas deshalb kein Geburtstagsgeschenk bekommen, weil der Paketdienst, der Pakete standardmäßig bei der nächsten Tankstelle abliefert und dann Benachrichtigungskärtchen einschmeißt, unseren Briefkasten nicht mehr als solchen identifizieren konnte.

Das größte Problem mit dem Kasten war allerdings, dass er undicht war und gerade Zeitungen und Urlaubspostkarten werden nicht schöner, wenn sie einen halben Tag lang gewässert werden.

Dass ein neuer Briefkasten her musste, war uns daher schon seit Monaten klar und einen neuen Briefkasten aufzustellen ist ja auch kein Hexenwerk. Bekanntermaßen waren dieses Jahr der Frühling und der Sommer in Schweden aber so sonnig und trocken, dass die Punkte Gedanken über einen neuen Briefkasten machen – Briefkasten kaufen – Briefkasten aufstellen auf unserer To-Do-Liste getrost immer wieder nach unten verschoben werden konnten, weil die Post ja nie nass wurde.

Zuletzt war dann aber auch noch der Holzpfahl völlig morsch, sodass unsere Nachbarkatze, die sich bei Sonnenschein – und davon hatten wir, erwähnte ich es schon?, viel – auf dem schwarzen Blechkasten sehr wohl fühlt, die ganze Konstruktion regelmäßig umschmiss, was weder unserer Post besonders gut tat, noch den Briefträger sonderlich erbaute, zumal wir ihn jedesmal nur nur notdürftig wieder ungespitzt in den Boden rammten (also den Briefkasten). So fanden wir vor ein paar Tagen diese freundliche Karte in unserem Briefkasten:

Dein Briefkasten – mein Arbeitsplatz
Jeden Tag werfe ich Post in mehrere Hundert Briefkästen. Manchmal ist es jedoch schwierig, an diese heranzukommen. Sich dauernd strecken zu müssen, kann zu Rücken- und Gelenkproblemen führen.
Du kannst mir helfen, indem du kein Auto, keine Mülltonne oder etwas anderes vor den Briefkasten stellst, und außerdem Deinen Briefkasten folgendermaßen aufstellst:
  • an der Grundstücksgrenze mit der Öffnung zur Straße
  • die Öffnung ca. 100 cm über dem Boden
  • deutliche Kennzeichnung an der Vorderseite mit Straße, Hausnummer und gerne auch dem Namen
Hast Du Fragen oder Anmerkungen, melde Dich gerne bei unserem Kundendienst.
Danke, dass du mein Arbeitsumfeld verbesserst!
Mit freundlichem Gruß,
Der Briefträger.

Zu dem Zeitpunkt, als wir die Karte bekamen, waren folgende Punkte auf unserer To-Do-Liste bereits abgehakt: Gedanken über einen neuen Briefkasten machen – keinen teuren Briefkasten wollen – keinen hässlichen Allerweltsbriefkasten wollen – einen schönen Biefkasten finden, aber für zu teuer befinden – diverse Flohmärkte in der Hoffnung auf einen Zufallsfund durchkämmen (vergeblich) – das Internet durchlesen – in Baumarkt Nr. 1 fahren und festellen, dass der Wunschbriefkasten vergriffen ist – in Baumarkt Nr. 2 fahren und einen unbehandelten Holzbriefkasten kaufen – in Baumarkt Nr. 2 keine geeignete Farbe in geeigneten Gebinden finden (ich wollte nur einen Briefkasten anstreichen, keinen Bauernhof mit 17 Nebengebäuden!) – im Bastelladen Pinsel, Farben und Holzlack kaufen – den Briefkasten von allen Seiten in drei verschiedenen Farben anmalen, was ungefähr 2 Wochen dauerte, weil zwischen jeder Farbschicht immer 24 Stunden Trocknungszeit erforderlich waren; macht bei drei verschiedenen Farben in jeweils drei Schichten plus zwei Lackschichten à 48 Stunden Trocknungszeit: äh… einiges – in Baumarkt Nr. 3 geeignete Holzlatten, Schrauben und Muttern zum Aufstellen kaufen – feststellen, dass wir keine ordentliche Säge haben – in Baumarkt Nr. 3 eine neue Säge kaufen – die Holzlatte unten anspitzen.

Die nette Postkarte zum Thema Arbeitsschutzmaßnahmen für Briefträger war dann nur noch der letzte Tritt in den Hintern, den wir brauchten, um den bereits fertigen Briefkasten dann auch wirklich an der Straße aufzustellen.

Wir buddelten also ein 60 cm tiefes Loch für den Holzpfahl, rammten diesen mit Hilfe einer Waschbetonplatte, die wir auf dem privaten Schuttplatz unseres Nachbarn gefunden hatten, höchst professionell in den den Boden, schaufelten das Loch wieder zu und vollführten Trampeltänze um den Pfahl. Als wir den Briefkasten am Pfahl anschrauben wollten, stellten wir fest, dass wir den Pfahl verkehrt herum eingerammt hatten und den Briefkasten nur mit der Rückseite zur Straße hätten aufhängen können, was irgendwie nicht Sinn der Sache gewesen wäre, das arbetsmiljö unseres Briefträgers zu verbessern. Weil es bereits dunkel wurde, verzichteten wir darauf, die frisch festgetrampelte Erde wieder auszubuddeln, sondern zogen nur den Pfahl aus der Erde, drehten ihn um 180° und kloppten ihn mit der Betonplatte wieder in den Boden. Nun saß er zwar deutlich lockerer und höher als beim ersten Mal, aber vermutlich immer noch stabil genug, um einen Angriff der Nachbarskatze zu überleben. Die vom Briefträger gewünschten 100 cm über dem Boden sind jetzt auch nur unwesentlich überschritten.

Dass wir beim anschließenden Versuch, den Briefkasten an der Latte festzuschrauben, feststellen mussten, dass Schrauben und Muttern nicht zueinander passten, ist letztlich nur ein kosmetisches Detail, welches die Statik der gesamten Konstruktion fast gar nicht nur ein bisschen nur bei Starkwind oder wenn der nächste IKEA-Katalog kommt, beeinträchtigen wird. Müssen wir halt nochmal schnell neue Muttern im Baumarkt kaufen, aber das ist ja kein Hexenwerk…

Briefkasten groß
Fehlt nur noch die Post (und ein paar Muttern)…

Kunstmekka Tjörn


Anlässlich der Uraufführung von Jonas erstem Stück für großes Orchester mit der Swedish National Orchestra Academy waren seine Eltern das lange Wochenende um den ersten Mai hier. Einen Tag fuhren wir mit ihnen auf die Insel Tjörn in Bohuslän, nur eine Autostunde von uns entfernt. Ich bin froh, dass ich nicht mehr mit Filmen fotografiere, sonst wäre das ein teurer Tag geworden…

Nicht weit von Klädesholmen liegt Skärhamn, wo wir letzten Herbst schonmal einen Nachmittag verbracht hatten. In Skärhamn ist das Nordiska Akvarellmuseet, das  – anders als der Name vermuten lässt – weit mehr als naive Postkartenmalerei zu bieten hat. Gerade war dort eine Ausstellung der finnischen Konzeptkünstlerin Anu Tuominen. Wer Flohmärkte mag, wird ihre Kunst lieben! Leider ist die Ausstellung inzwischen schon wieder vorbei – und ihre nächsten Ausstellungen sind dieses Jahr in Korea, Jyväskylä und Helsinki.

Bevor es wieder nach Hause ging, machten wir noch einen kurzen Umweg über den Skulpturenpark von Pilane im Nordwesten von Tjörn. In friedlicher Eintracht stehen dort moderne Kunst und jahrtausendealte Steinkreise in der Gegend herum.

Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, in Schweden gebe es nur schöne Natur…?

Ein Jahr Brevlåda


Wie der Titel schon sagt: heute vor einem Jahr ist Brevlåda online gegangen. Wenn ich denke, wo wir vor einem Jahr noch standen… manmanman, wir wussten noch nichtmal, wann und wohin wir nach Schweden ziehen würden. Und jetzt sind wir schon bald sieben Monate hier. Unser Sechsmonatsrückblick ist ja leider wegen dieser Autogeschichte irgendwie unvollendet geblieben, aber…

Kurzes Update: Der Wagen wurde von der Versicherung als Totalschaden eingestuft, weil die Reparaturkosten den Wert des Autos überstiegen hätten und es musste daher verschrottet werden. So hässlich diese ganze Autogeschichte auch war, wir haben ganz tolle Unterstützung von unseren Eltern und da der schwedische Kleinwagen-Gebrauchtmarkt eher mau aussieht (gefühlt gab es nur Volvos und andere Kombis oder Geländewagen), wurde für uns in Deutschland gesucht und gefunden. Aber das ist eine andere Geschichte, die einen eigenen Artikel verdient.

… gerade passiert auch so viel, dass es mir müßig erscheint, irgendwelche Rückblicke zu schreiben, weil zur Zeit wieder soviele Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden wollen. Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Und die letzten drei Wochen war hier ganz schön Durchzug, um im Bilde zu bleiben. Ganz oft hatte ich das Bedürfnis, wie bei einer DVD mal kurz auf „Pause“ zu drücken, um die neuesten Ereignisse irgendwie für mich sortieren zu können, bevor wieder neue Informationen auf mich einstürmten und schnelle Entscheidungen von mir verlangten. Ausgerechnet von mir. Entscheidungen. Schnell. Haha…

Der Traumjob als Waldpädagogikprojektleiterin, für den ich bereits eine Absage erhalten hatte, meldete sich nochmal, weil der Wunschkandidat abgesprungen war. Allerdings war die Stelle auch von 100% auf 50% geschrumpft und damit auch nur noch halb so interessant. Ungefähr zeitgleich hatte sich aber auch eine eine andere spannende Stelle aufgetan, 70 km von hier. Vollzeit, unbefristet. Nicht Lehrer. Aber auch das verdient bei Gelegenheit einen eigenen Artikel.

Mein 30%-Job in der Schule wächst sich langsam zu einer veritablen 95%-Stelle aus, zumindest was den Arbeitsaufwand angeht, nicht die Bezahlung. Wäre auch einen ganzen Artikel wert. Ebenso wie die Tatsache, dass meine Schule am letzten Freitag, meinem freien Tag, geschlossen war, weil in einem Restaurant im gleichen Gebäudekomplex in der Nacht etwas explodiert ist. Die Polizei ermittelt noch, aber im Moment gehen die Vermutungen in Richtung Bombenanschlag. Gruselig das.

Und ich will mich hier heute über ein Jahr „just another wordpress blog“ auslassen…? Ja, will ich. 110 Artikel, das macht statistisch etwa zwei Artikel die Woche. 12 000 Klicks in diesem Jahr, macht etwa 32 am Tag; wobei wir in den Monaten vor dem Umzug unter 20 Besucher pro Tag hatten und die Zahlen seit August ständig wachsen. Ist das Schielen auf die Statistik dem Streben nach 15 minutes of fame geschuldet? Nein. Vielmehr dem Wunsch oder der Hoffnung, so mit den Freunden in Deutschland in Kontakt zu bleiben, ganz so wie wir es vor einem Jahr formuliert haben:

Brevlåda („Breew-lohda“) ist schwedisch und bedeutet Briefkasten. Als Schnittstelle zwischen uns und der Welt soll er Berichte über unser Leben vor, während und nach dem Umzug sammeln und später den Kontakt nach Deutschland aufrechterhalten.

Gelingt uns das? Schwer zu sagen, denn leider nutzen (noch) nicht so viele unserer Leser die Kommentarfunktion, die es zu jedem Artikel gibt. Aber wenn dann immer mal wieder ganz unerwartete Mails oder Kommentare von Menschen kommen, von denen wir lange nichts mehr – oder auch noch nie etwas – gehört haben, dann freuen wir uns jedesmal riesig. Und meistens – Asche auf unser Haupt, weil nicht immer – antworten wir auch.

Im diesem Sinne stelle ich hier jetzt mal ein paar Briefkästen hin, die ich in den letzten Monaten gesammelt habe und vielleicht mag sich ja der eine oder andere stumme Mitleser mal zu erkennen geben und ein virtuelles Zettelchen einwerfen…

„Mit Gefühl für Töne“


… so lautet die Schlagzeile, unter der diese Woche ein halbseitiger Artikel über Jonas in der hiesigen Lokalzeitung Alekuriren erschien. „Jonas, der aus einem kleinen Dorf mit Namen Sauerland in der Nähe von Winterberg stammt, hat die Musik schon im Kopf, wenn er sie aufschreibt und braucht dazu vor allem Stift und Papier.“

Ein Klick auf das Bild leitet zu einer lesbaren pdf-Version auf der Seite der Zeitung weiter.
Ein Klick auf das Bild leitet zu einer lesbaren pdf-Version auf der Seite der Zeitung weiter.

Weil er so ein hoffnungsvolles Talent ist, erhält Jonas das diesjährige Ale Kulturstipendium, das Anlass für diesen Artikel war. Dabei handelt es sich um ein Arbeitsstipendium, das jährlich an Kulturschaffende vergeben wird, die in der Kommune Ale wohnen. Erfreulicherweise geht es dabei auch durchaus um mehr als einen Zeitungsartikel und einen warmen Händedruck. Letzterer wird aber sicher auch noch bei der Verleihung im Rahmen eines Konzerts am 1. Dezember folgen.

Vielleicht hat den Artikel ja auch der nette Zeitgenosse gelesen, der uns kürzlich einen anonymen Brief, gekritzelt auf einen Notizzettel, in den Briefkasten geworfen hat. Leider finde ich den Zettel gerade nicht mehr, falls er noch auftaucht, werde ich ihn nachreichen. Sinngemäß lautete der Inhalt aber:

„Nichts gegen deinen Musikgeschmack, aber nachts um drei schlafen wir lieber. Der Nachbar.“

Völlig entgeistert und erschrocken, weil wir uns beim besten Willen nicht erklären können, was der Anlass für einen solchen Zettel gewesen sein sollte, haben wir uns gleich auf den Weg zu unseren Nachbarn in der anderen Hälfte des Doppelhauses gemacht um nachzufragen, was wir denn falsch gemacht haben sollen. Glücklicherweise waren die beiden Rentner aber gar nicht nicht die anonymen Absender, sondern meinten im Gegenteil, dass sie ja fast nie was von uns hörten. Ob uns denn das Kläffen ihres Hundes manchmal störe…? Also auf dieser Seite weiterhin gutes Wetter. Puh!

Wir sind ja trotz Komponist und Flügel in der Wohnung alles andere laute Zeitgenossen und achten darauf, wirklich nur zu sozial verträglichen Uhrzeiten Klavier zu spielen. Außerdem hört man bei geschlossenen Fenstern draußen quasi nichts davon; dass wir also jemand in einem anderen Haus gestört haben sollen, ist praktisch ausgeschlossen (mal ganz davon abgesehen, dass wir nachts um drei auch lieber schlafen).

Wir haben uns daher damit abgefunden, dass es für diesen Zettel vermutlich zwei Erklärungen gibt:
1. Der anonyme Nachbar hat nachts Lärm gehört, den er nicht richtig lokalisieren konnte und verdächtigt uns jetzt fälschlicherweise. Das wäre unschön.
2. Der anonyme Nachbar verdächtigt den/die Richtigen, hat aber den Brief versehentlich in den falschen Briefkasten geworfen. Das wäre uns lieber.
Ob wir es wohl jemals erfahren werden…? Ich fürchte fast, dass nicht. Aber gut zu wissen, wie man hier so in der Nachbarschaft kommuniziert…

Wir haben diesen Schreck jedenfalls gleich mal zum Anlass genommen, unseren Garten mal wieder zu pflegen, d.h. Laub zu harken, den Weg zu fegen und ein letztes Mal im Herbst (ja, leider immer noch) zu mähen. Und prompt kam unsere zweitnächste Nachbarin, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, vorbei und sagte mit sehnsüchtigem Blick: „Ohje, wenn ich euren gepflegten Garten so sehe, krieg ich gleich ein schlechtes Gewissen.“ Ich habe mich selten so über ein Kompliment gefreut, denn zumindest scheint unser Garten, die schwedische Visitenkarte, schonmal keinen Anlass zu übler Nachrede zu bieten.

Und vielleicht entwickelt der anonyme Nachbar ja auch noch ein Gefühl für Töne – ich spiele gerade sehr gerne schwedische Weihnachtslieder, während draußen ein laues Frühlingslüftchen weht…

Von Imkern, Abstinenzlern und Sindibads Frauen – Vereinsleben in Ale


Nein, das sind nicht unsere Mülltonnen! Der 5. Briefkasten von links ist unserer...

In unserem Brevlåda – also dem echten, offline – landen immer wieder ein paar unterhaltsame, schöne, spannende, nützliche oder auch völlig unnütze Dinge. Zu den nützlichen Dingen gehören Briefe wie z.B. der von der Telia, dass wir ab heute einen Festnetzanschluss und superschnelles und stabiles Internet haben. Spannender ist es aber, wenn Post von irgendwelchen Kreditupplysningsfirmen (wörtl.: Kreditbeleuchtung) kommt, weil mal wieder jemand unsere Kreditwürdigkeit überprüft hat, denn dadurch erfahren wir dann auch mal selbst, was diese Firmen eigentlich über uns wissen. (Ich habe keine Ahnung, welche Daten die Schufa in Deutschland über mich gespeichert hat.) Zu den schönen Dingen gehören Geburtstags- und Carepakete aus Deutschland mit Eszet-Schnitten. Zu den unnützen gehören die Werbezeitungen von den umliegenden Bau- und Supermärkten, die wir hier kiloweise kriegen. Und zu den unterhaltsamen Dingen gehören die Gemeindeinformationen wie z.B. der Alekurir oder der aktuelle Auszug aus dem Vereinsregister.

Nicht, dass es das Vereinsregister nicht auch online gäbe und die Schweden nicht ohnehin viel sparsamer wären, was Snailmail angeht, wenn man etwas auch per Email erledigen kann; aber das Vereinsregister scheint etwas wirklich Wichtiges zu sein. Als achtseitige Hochglanzbroschüre im Vierfarbdruck kommt dieser Fritidsguide (Freizeitguide) daher. Im Vorwort bezeichnet man Schweden stolz als das Land der Vereine, danach folgen über 200 Vereine samt Kontaktadressen. Nutzerfreundlich alphabetisch nach Themen sortiert, findet man unter der Rubrik Sport die Klassiker Fußball, Basketball, Handball, Karate, Reiten, Golf, Schach, Armbrustschießen, Innebandy und noch einiges mehr. Das Fischen ist eine eigene Rubrik und listet unter anderem Sportfischer, Fliegenfischer, Fischzüchter und Lachsfischer auf. Wenn man dann vom Angeln in der Kälte Rheuma bekommt oder erst gar keinen Fisch isst, weil man allergisch ist, so bieten sich der örtliche Rheumatiker- oder Allergikerclub an. Vielleicht bewahrt einen das Angeln ja aber auch vor einer Mitgliedschaft im Herz-Lungenkranken- oder dem Diabetikerverein. Und möglicherweise befruchten sich die Anglervereine und die drei Nachtwanderclubs gegenseitig in ihrer Arbeit, weil nachts die Fische besser beißen.

Nach der Rubrik Idrott (Sport) folgt Kultur. Auch hier gibt es Bekanntes wie Theatergruppe, Bibliotheksfreunde und Heimat- und Gesangsverein, aber auch Ahnenforscher, diverse Volkstanzgruppen, einen Patchwork- und Quiltclub, das Blasorchester „Lärm“ (ob das die Jugendabteilung des Vereins der Hörgeschädigten ist?) und einen nicht weiter definierten Club namens „Surte Swingers“ (Surte ist ein Ort hier in der Nähe).

Weiter gehts im Alphabet, wir sind inzwischen bei N wie Nykterhetsföreningar („Nüchternheitsvereine“) angelangt. Die Abstinenzbewegung scheint hier noch sehr aktiv zu sein, wenn die Nykterhetsföreningar sogar eine eigene Rubrik bekommen. Puuuh… schnell weiter…

P wie Pensionärsföreningar, Rentnerclubs also. Wenn jeder Mensch nur in einem Club Mitglied sein dürfte, dann gäbe es in Ale mehr Rentner als Nüchterne, aber wahrscheinlich gibts da eine ziemlich große Schnittmenge. Keine Schnittmenge dürfte es hingegen zwischen Rentnern und dem einzigen politischen Verein, dem Christdemokratischen Jugendclub geben. Wie? Nur ein politischer Verein? Vielleicht werden die politischen Ortsvereine hier nicht im Vereinsregister geführt, anders kann ich mir das nicht erklären.

Vorletzte Rubrik: Religiöse Vereine. Hier findet man jede Menge freikirchliche und/oder Erweckungsgemeinden (wir erinnern uns an die Abstinenzler…), Bibelkreise und einen religiösen Studienverbund (was auch immer das sein mag), aber auch einen Islamisch-bosniakischen Verein.

Der letzte Buchstabe im schwedischen Alphabet ist Ö wie Övriga föreningar. Hier wird’s nochmal bunt: Jagdpfleger, Modellbauflieger, Schäferhundzüchter, Pfadfinder, Raketenbauer, Hundesportler und Imker sind ebenso vertreten wie das Frauenhaus, Heimwerker, Jugoslaven, Hobbyweber, Fotografen, Bootseigner, Rotes Kreuz, Naturschützer und „Sindibads Frauen“. Fragt mich nicht, was die machen. Ich kann mir unter diesem Namen ja viel vorstellen, aber nichts davon will so richtig in mein Bild von der schwedischen Gesellschaft passen…

Und wo passen wir dazu? Letzten Sonntag haben wir uns eine der Volkstanzgruppen angeschaut, weil mich das interessiert hat. Hatte aber eher was von Seniorentanztee und obwohl alle furchtbar nett zu uns waren, gehen wir da wohl nicht wieder hin. Was wir im Vereinsregister unserer Kommune wirklich vermissen, ist ein ordentlicher Kammerchor, der etwas anderes als Gottesdienste oder Gospel/Pop macht, aber das ist eine andere Geschichte.

Ulkig ist übrigens das Titelblatt des Ale fritidsguide: eine der wenigen Tätigkeiten, die man in Schweden ja wirklich gut ohne Vereinszugehörigkeit ausüben kann, ist, an den nächsten See zu gehen und die Seele baumeln zu lassen. Und was zeigt die Titelseite…?