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Konzertreise nach Karlsruhe


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Der Gedanke ist – zumindest als Spinnerei – ungefähr genauso alt wie unsere konkreten Umzugspläne: Sobald wir in Schweden einen passenden Chor gefunden haben, veranstalten wir ein Gemeinschaftskonzert mit unserem Karlsruher Vokalensemble Chorioso. Der passende Chor war schnell gefunden und inzwischen ist Göteborgs Vokalensemble unsere neue musikalische Heimat geworden.

Das Spinnerei-Stadium ist inzwischen längst Vergangenheit: Die Zugtickets sind gebucht, die Konzerträumlichkeiten reserviert, die Plakate geklebt. Am 1. und 2. November werden Göteborgs Vokalensemble und Chorioso gemeinsam zwei Konzerte geben. Hauptwerk des Programms wird die doppelchörige Motette „Komm, Jesu, komm“ von J. S. Bach sein. Daneben wird ein „skandinavisches Fenster“ mit nordischen Komponisten erklingen und auch eine Uraufführung und Havet von Jonas stehen auf dem Programm.

Da wir in Karlsruhe einen ordentlich gefüllten Zeitplan haben, wird leider nicht viel Zeit für sonstige Besuche bleiben. Um so mehr würden wir uns freuen, wenn wir möglichst viele bekannte Gesichter im Publikum entdecken!

Einfach so.


Ich glaube, Schweden tun nichts ohne Grund. Dinge einfach so zu tun, scheint hier etwas ganz Verpöntes zu sein. Dass jemand einfach so spazieren geht, d.h. ohne sichtbaren Grund durch den Wald hinter seinem Haus latscht, habe ich noch nie gesehen. Alle Menschen, die ich im Wald treffe, wenn ich dort spazieren gehe, haben einen bestimmten Grund, dort zu sein: einen Hund, einen Pilzkorb, Walkingstöcke, Laufschuhe. Oder wenn wir an den See gehen: die Schweden haben mindestens eine Angel, ein Boot oder ein Kind dabei, das gerade schwimmen lernt. Im Garten: hier sitzt niemand einfach so im Garten, schließlich kann man im Garten Rasen mähen, Unkraut zupfen oder Blumen gießen. Ich glaube, deshalb gibt es hier auch so viele Vereine: man braucht einfach einen Grund, um soziale Kontakte zu pflegen, und geht nicht einfach so jemanden besuchen und quatschen.

Nicht nur, aber auch deshalb, haben wir uns jetzt wieder einen Chor gesucht. Und siehe da: die Chorprobe ist mit knapp drei Stunden deutlich länger als bei den meisten vergleichbaren Chören in Deutschland, dafür ist die halbstündige fikarast fester Bestandteil jeder Probe. Fika ist gesellschaftlich toleriertes Rumsitzen mit gleichzeitigem Konsum koffeinhaltiger Getränke. Da die Chorprobe abends stattfindet, heißt fika hier: jede Woche bringt jemand anderes einen riesigen Korb mit Brot, Aufschnitt, Obst, Gemüse und Süßkram mit und schleicht sich kurz vor der Pause weg, um den Tisch für alle zu decken. Das fördert die Kommunikation im Chor tatsächlich ungemein.

Unser Einstieg in Göteborgs Vokalensemble war ziemlich gut getajmt (wie der Schwede sagt), denn wir konnten gleich mit zum ersten Probenwochenende. In einem B&B auf der Insel Tjörn an der Westküste probten wir von Freitagabend bis Sonntagmittag.

[Lekanders Bär och Boende ist ein ehemaliger Bauernhof, der irgendwann seinen Schweinestall zu Gästezimmern umgebaut hat. Sehr luxuriös für ein B&B, dabei gleichzeitig mit rustikalem Bauernhofcharme mit vielen alten Möbeln, wir können es jedem weiterempfehlen, der mal auf Tjörn Urlaub machen möchte.]

Zwei nichtsingende Ehemänner waren als Köche abgestellt und eigentlich sollte man über das Wochenende eher sagen: Wir haben von Freitag bis Sonntag gegessen und zwischendurch auch ab und zu geprobt. Frühstück – Fika – Mittagessen – Fika – Abendessen – Fika… Höhepunkt war der Samstagabend, als es ein ***Menü gab: Minz-Sternanis-Cider als Aperitiv, Blumenkohlcouscous mit Pastinaken als Vorspeise, gebratenes Fleisch mit selbstgesammelten Pfifferlingen, Backkartoffeln und Bohnensalat als Hauptspeise und American Cheesecake mit gefrorenen Waldbeeren als Dessert. Und Kaffee, natürlich.

Am Sonntagnachmittag hatten wir dann das dringende Bedürfnis nach Bewegung und sind noch ein paar Kilometer weiter ins Küstenstädtchen Skärhamn gefahren. Das Wetter war natürlich so, wie man es im Herbst an der Westküste erwartet: blåsigt. Selbstverständlich hatten wir die Kamera dabei, damit es nicht so aussah, als ob wir einfach so an einem trüben Herbsttag durch die Schären spazierten…

Doch zurück zum Chor: Der Chor ist ähnlich groß und ähnlich gut wie Chorioso, unser Karlsruher Chor. Das aktuelle Programm ist eher kleinteilig angelegt, (Palestrina, Schütz und diverse schwedische Komponisten wie Ninne Olsson, Sten Källman, Ingmar Wilestrand u.a.) – Allerheiligen und Weihnachten nahen… Und zufällig – die Welt ist klein – hat die Chorleiterin ein Jahr in Karlsruhe studiert und ist mit einem Stuttgarter verheiratet.
Vom der ersten Probe an haben wir uns in diesem kleinen, aber feinen Chor wohlgefühlt und wurden von allen sehr herzlich aufgenommen. Einfach so.

Ein Wochenende – drei Konzerte


Es gibt Wochenenden, an deren Ende man reif fürs Wochenende ist. So eines liegt gerade hinter uns. Freitagabend Schulkonzert, Samstag und Sonntag Uraufführungen von Jonas mit Chorioso. Alles drei waren tolle Konzerte, aber kräftemäßig doch… puuh… Daher haben wir uns in der letzten Zeit wenig um unseren Umzug nach Schweden kümmern können. Letzten Freitag hatte Jonas auch schon seine erste von fünf Bachelorprüfungen (Klavier), die in den nächsten Wochen noch anstehen. Wenn die anderen Prüfungen ähnlich gut laufen, kann er zufrieden sein.

Damit können wir wieder hinter drei Großprojekte einen Haken setzen, denn nervlich war für Jonas die Klavierprüfung sicherlich die anspruchsvollste, obwohl – oder gerade weil – Klavier ja nicht sein Hauptfach ist. Für mich steht jetzt eigentlich „nur“ noch ein Berg von 10 Klassenarbeiten und ein Schuljubiläum an, auf das ich meine Musik-AGs vorbereiten muss.

Ulkigerweise haben wir gerade ein total unterschiedliches Zeitempfinden, was die Zeit bis zum Umzug angeht. Während ich das Gefühl habe, dass die 69 Tage, die unser Countdown heute anzeigt, gleichbedeutend mit einer Ewigkeit sind, weil jetzt keine herausragenden Highlights mehr, aber dafür umso mehr Alltagseinerlei in meinem Terminkalender stehen und die Motivation in der Schule in Sachen „normaler“ Unterricht nach der letzten Klassenarbeit vor den Sommerferien erfahrungsgemäß eher ab- als zunimmt.
Jonas hingegen fragt sich, wie er alles, was er sich noch vorgenommen hat, in diesen unglaublich kurzen Zeitraum von gerade einmal 2 Monaten und 9 Tagen unterbringen soll, zumal wir ja im Juni auch noch zwei Wochen auf Wohnungs- und Jobsuche in und um Göteborg sind.

Nach wie vor wächst mit jedem Tag unsere Vorfreude auf Schweden, auch wenn im Kopf längst die Zeit der „letzten Dinge“ begonnen hat. Letztes großes Konzert mit Chorioso. Letzter Klavierunterricht. Der letzte Ausflug in den Schwarzwald. Das letzte Mal beim (deutschen) Zahnarzt. Und soviel Neues, das auf uns wartet. Wenn es doch nur schon soweit wäre… Diese Woche will ich mal ein paar Kündigungen schreiben. Handy, Telefon, Internet, Gas, Strom, Wohnung. Zum Glück habe ich heute fast frei. Und kann ein wenig Wochenende nachholen.