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Pryl!


Irgendwann kommt die Zeit, wenn Gegenstände nicht mehr zu gebrauchen sind. Und was mit diesen passiert – dazu habe ich eine Theorie: Ich glaube nämlich nicht, das diese Dinge einfach in den Müll wandern. Ich glaube, dass sie in irgendeinem Haus liegen bleiben, bis es verkauft wird oder bis die Bewohner gestorben sind. Dann kommen nämlich die Wohnungsentrümpler und machen eine Haushaltsauflösung und nehmen alles mit, was sie kriegen können. Diese Wohnungsentrümpler veranstalten dann in regelmäßigen Abständen Auktionen, bei denen sie alle diese Dinge versteigern – dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Da die Wohnungsentrümpler aber wissen, dass ein Großteil ihres Angebots aus Schrott oder zumindest aus nicht besonders attraktiven Waren besteht, stellen sie kleine Plastikkisten zusammen, in denen immer ganz viel Unsinn und ein attraktiver Gegenstand liegen. Und wenn man dann eine bestimmte Vase haben will, dann bekommt man halt noch vier andere Vasen dazu. Denn sie wollen ja alles loswerden, Platz schaffen für die nächste Wohnungsauflösung. Vieles findet so einen neuen Besitzer, aber manchmal hilft einfach alles nichts, manchmal meldet sich einfach niemand. Aber zum Glück gibt es auf diesen Auktionen immer einige Stammkunden, die nicht nej sagen können. Diese werden dann vom Auktionator direkt angesprochen und nehmen die Kiste dann widerwillig mit.

Ich glaube nun, dass diese Leute, die die Auktion mit einem Haufen unnötigem Krempel verlassen, große Scheunen besitzen. Denn in Schweden gibt es viel mehr große Scheunen, als es aktive Bauernhöfe gibt. Und in diese Scheunen kommt dann das, was wirklich keiner mehr haben will, was einfach nur noch nutzlos ist. Ich glaube, in Schweden gibt es ganz viele Scheunen, die als Endlager für Dinge dienen. Aber wer weiß, vielleicht kommt ja einer der Besitzer eines Tages auf die Idee, dass da vielleicht doch noch etwas von Wert sein könnte. Dann macht er am Wochenende die Tore seiner Scheune auf und stellt ein Tischchen mit einer Kasse hinein, hängt ein Schild mit Antik oder Loppis an die Straße und setzt die Kaffeekanne auf den Herd.

Dieses Exemplar einer Antikscheune steht übrigens in der Nähe von Dals-Rostock im pryl-Paradies Dalsland, wo wir im Spätsommer ein paar Tage mit Freunden verbracht haben. Pryl? Pröll! Wieder einmal sind die niederdeutschen Mundarten im Vorteil, wenn es darum geht, Schwedisch zu verstehen:

Der Pröll ist niederdeutschen Ursprungs. Im Norden heißt er Prull oder Prüll, in den Niederlanden kennt man den prul, den man in den prullenbak (Papierkorb) wirft. Die genaue Wortgeschichte ist noch unbekannt, auffällig ist allerdings, dass es eine ganze Reihe von Wörtern gibt, die auf Pru-/Plö- anlauten und etwas Minderwertiges bezeichnen: Pröllen, Plörre (minderwertiges Getränk), Prött (Kaffeesatz), Plünnen, Plunder, Plörren, Pröttel usw. Hier ist durchaus ein gemeinsamer Stammbaum anzunehmen.

(Hier geklaut und wiederverwertet)

Luxus ist auch…


…unser Wohnmobil. Nicht, dass unser Bus als solcher besonders luxuriös wäre. Natürlich ist er bequemer als ein Zelt, und die Toilette hat uns auch schon manchen Gang durch den Regen erspart. Aber klassischer Luxus sieht im Wohnmobil sehr anders aus.

Der eigentliche Luxus mit unserem Bus ist ein ganz anderer: Freiheit. Die Möglichkeit, einfach mal am Wochenende abzuhauen und den Alltag zu Hause zu lassen. Und zwar ohne sich vorher große Gedanken über die Reiseorganisation zu machen. Einfach ein paar Klamotten zusammengepackt, WoMo-taugliches Essen eingekauft und fahren, wohin einen die Straße führt. Oder wo nette Freunde aus Deutschland auf einen warten. Zum Beispiel über die Pfingstferien in Dalsland.

Mein erstes Studienjahr ist schon seit ein paar Tagen vorbei, ich hatte also am Freitag keine Verpflichtungen und konnte schon (fast) alles für die Reise vorbereiten. Ziemlich bald nachdem Annika den Laptop zugeklappt hatte – sie kann freitags mittlerweile von zu Hause aus arbeiten – waren wir auf der Straße nach Norden. Gegen acht hatten wir unser Ziel erreicht und warteten auf unsere Freunde.

Am nächsten Morgen gab es dann Frühstück mit verspätetem Geburtstagskuchen für Annika vorm Ferienhaus und…

Dann ging es weiter zu einem Antiquitätenladen. Zu Mittag aßen wir im Holzofen gebackenes Brot mit Butter und Käse im urgemütlichen Café in Hamrane (dazu an anderer Stelle mehr).

Den Abschluss machten dann ein Spaziergang und ein Eis am Vänerstrand.

Am Sonntag war dann das Wetter leider nicht mehr ganz so schön, was uns aber nicht von einem Besuch der Schleusen in Trollhättan abgehalten hat.

Selbst in den heute stillgelegten Schleusentreppen grünt und blüht es überall.

Und jetzt dürft ihr raten, was Annika außer dem Kuchen noch zum Geburtstag bekommen hat.

Fika-Wochenende


Seit einigen Wochen singen wir neben Göteborgs Vokalensemble noch in einem zweiten Chor, dem Nya MotettEnsemble. Der Chor ist etwas kleiner als GVE, das Repertoire etwas ambitionierter. Geprobt wird nicht regelmäßig, sondern projektbezogen und bei der jährlichen Mitgliederversammlung vor zwei Wochen erfuhren wir unter anderem, dass das Ensemble 2011 mehr Auftritte als Proben hatte. Keine schlechte Bilanz…

Dieses Wochenende waren wir mit dem Chor in Dalsland auf einem Chorwochenende. Ich glaube, ich habe noch nie ein so entspanntes Chorwochenende erlebt. Schon bei unserem Probenwochenende mit GVE im vergangenen Herbst war uns aufgefallen, dass ein Probenwochenende nicht unbedingt heißen muss, dass man viel probt. Aber dieses Wochenende war noch ein Ecke… entspannter. Nach einer rund zweistündigen Anreise am Samstag begann das Wochenende um 11 mit Fika bei der Kantorin, in deren Gemeinde wir dieses Wochenende probten und konzertierten und die selbst im NME mitsingt.

Das Wort Fika entstand zwar ursprünglich durch Silbenverdrehung aus „Kaffee“, ist aber in jeder Hinsicht mehr als eine Kaffeepause. Je nach Lust und Tageszeit gibt es dazu Gebäck oder auch ein kaltes Buffet, aber der wichtigste Aspekt von Fika ist definitiv nicht die Nahrungsaufnahme, sondern die Pflege sozialer Kontakte.

Gegen eins machten wir uns langsam auf den Weg zur Kirche in Dals Ed und probten bis kurz nach drei, dann gabs middag in einer Pizzeria. Anschließend umziehen für den Musikgudstjänst (Musikgottesdienst) am frühen Abend und eine halbe Stunde Autofahrt zur Kirche in Rölanda. Nach dem Gottesdienst gabs Kyrkfika im Gemeindehaus, das wir aber ziemlich bald verließen, wir mussten ja schließlich weiter zum Kvällsfika (Abendfika) beim gastgebenden Pfarrer, dem Mann der o.g. Kantorin.

Nach dem Sonntagsgottesdienst in der Kirche von Högsäter – und dem tollen Erlebnis, eine achtstimmige Renaissancemotette mit 11 Sängern aufzuführen –  gab es natürlich auch dort Kyrkfika, bevor wir uns auf die Heimfahrt machten.

Fazit: Ein wunderbares Fikawochenende mit vielen netten Menschen und vereinzelten Chorpausen. Danke Åsa und Pär-Åke, danke Peter, danke NME!