Eigentlich hätte Hugo Alfvéns Julsång schon in unserem letzten Adventskalender stehen sollen, nachdem wir ihn bei Göteborgs Vokalensemble kennengelernt hatten. Leider gab es aber keine einzige ansprechende Aufnahme auf Youtube zu finden. Nach der letzten Weihnachtskonzertesaison haben aber mittlerweile – zu unserem Glück – mehrere gute Chöre das Stück hochgeladen. Wir haben uns für die Aufnahme mit den Stockholm Singers unter Bo Aurehl entschieden und können Euch so endlich einen der schönsten schwedischen Chorsätze vorstellen.
Se, julens stjärna strålar klar
i tysta vinterkvällen;
vår ungdoms fröjd du ständigt var,
när du från himlapellen
ditt sken spred över land och stad
att göra mänskan god och glad.
Lys, stjärna, lys och bringa fröjd
till jordens barn från himlens höjd!
Lys, stjärna lys!
I ålderdomens sena höst,
när livets timmar dala,
du julens stjärna, ger oss tröst,
du kan om lyckan tala.
Ack skänk oss jordefrid och ro,
lär oss på evigheten tro!
Lys, stjärna, lys och bringa fröjd
till jordens barn från himlens höjd!
Lys, stjärna, lys!
Der Gedanke ist – zumindest als Spinnerei – ungefähr genauso alt wie unsere konkreten Umzugspläne: Sobald wir in Schweden einen passenden Chor gefunden haben, veranstalten wir ein Gemeinschaftskonzert mit unserem Karlsruher Vokalensemble Chorioso. Der passende Chor war schnell gefunden und inzwischen ist Göteborgs Vokalensemble unsere neue musikalische Heimat geworden.
Das Spinnerei-Stadium ist inzwischen längst Vergangenheit: Die Zugtickets sind gebucht, die Konzerträumlichkeiten reserviert, die Plakate geklebt. Am 1. und 2. November werden Göteborgs Vokalensemble und Chorioso gemeinsam zwei Konzerte geben. Hauptwerk des Programms wird die doppelchörige Motette „Komm, Jesu, komm“ von J. S. Bach sein. Daneben wird ein „skandinavisches Fenster“ mit nordischen Komponisten erklingen und auch eine Uraufführung und Havet von Jonas stehen auf dem Programm.
Da wir in Karlsruhe einen ordentlich gefüllten Zeitplan haben, wird leider nicht viel Zeit für sonstige Besuche bleiben. Um so mehr würden wir uns freuen, wenn wir möglichst viele bekannte Gesichter im Publikum entdecken!
Gestern, am Dreikönigstag, an dem in Schweden Trettondedag Jul, der dreizehnte Weihnachtstag, gefeiert wird, haben wir mit Göteborgs Vokalensemble unser drittes Weihnachtskonzert gegeben, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Vara. Das liegt knapp 60 km nordöstlich von uns und schon die Fahrt dorthin war spannend. Die Route über Autobahnen oder größere Straßen wäre unverhältnismäßig viel länger gewesen, deswegen nahmen wir die kürzere Strecke „durch den Wald“, die uns auch Google Maps empfohlen hatte. Nach etwa fünf Kilometern wurde aus der zweispurigen Landstraße eine einspurige, weitere fünf Kilometer weiter endete der Straßenbelag und wir fuhren auf Schotter. Schotterstraßen sind in Schweden nichts ungewöhnliches und auch diese war im Straßenatlas als normale rote Landstraße verzeichnet. Da wir uns auf dieser Straße im letzten Sommer schonmal verfahren hatten, wussten wir jedoch, was uns erwartete und hatten entsprechend viel Zeit eingeplant. Aus Angst um mein kleines altes Auto mag ich auf diesen Straßen nicht schneller als 50 km/h fahren, die Schweden brettern da aber oft locker mit 90 durch, auch wenn meistens 70 vorgeschrieben ist.
Je weiter wir uns auf dieser Straße von der Zivilisation entfernten, desto zauberhafter wurde es. Wir kamen höher und bewegten uns ins Inland und mit jedem Kilometer wurde die Welt weißer. Die Seen, die links und rechts der Straße lagen, waren zugefroren und die tiefstehende Nachmittagssonne tauchte alles in ein rosafarbenes Licht. Ab und zu standen kleine bunte Häuser mit Lichtern in den Fenstern in der Winterlandschaft und alles fühlte sich so unglaublich kitschig an. So klischeehaft wie ein Reiseprospekt. Aber es war echt. Ich kann kaum beschreiben, welches Glücksgefühl da auf einmal in mir kribbelte – manchmal kann ich immer noch nicht glauben, dass wir jetzt wirklich und echt hier in diesem wunderschönen Land leben.
Eigentlich hatten wir noch geplant, uns Vara anzuschauen, aber die Fahrt dauerte dann mit gut eineinhalb Stunden doch noch länger als geplant, so dass wir lediglich überpünktlich zum Einsingen ankamen. Obwohl (oder weil?) die Kirche weitab vom Schuss lag, war sie zum Konzert gut gefüllt.
Leider war der Chor ferien- und erkältungsbedingt etwas reduziert, trotzdem war es ein wunderbares Konzert.
Jonas hat das Konzert mit seinem neuen Spielzeug mitgeschnitten und die erste Aufnahme wollen wir euch nicht vorenthalten. Hier ist also Tomorrow shall be my dancing day von John Gardner mit Göteborgs Vokalensemble unter Leitung von Katarina Hiller. Sozusagen als kleines nachweihnachtliches Adventskalendertürchen…
Tomorrow shall be my dancing day:
I would my true love did so chance
To see the legend of my play,
To call my true love to my dance:
Sing O my love, O my love, my love, my love;
This have I done for my true love.
Then was I born of a virgin pure,
Of her I took fleshly substance;
Thus was I knit to man’s nature,
To call my true love to my dance:
Sing O my love, O my love, my love, my love;
This have I done for my true love.
In a manger laid and wrapped I was,
So very poor this was my chance,
Betwixt an ox and a silly poor ass,
To call my true love to my dance:
Sing O my love, O my love, my love, my love;
This have I done for my true love.
Then afterwards baptized I was;
The Holy Ghost on me did glance,
My Father’s voice heard from above,
To call my true love to my dance:
Sing O my love, O my love, my love, my love;
This have I done for my true love,
for my true love.
Am 14. Dezember singen wir mit Göteborgs Vokalensemble ein Weihnachtskonzert, in dem auch meine neueste Komposition uraufgeführt wird. Auf dem Programm steht vor allem Weihnachtsmusik aus Skandinavien und England, unter anderem das ursprünglich dänische Stück Förunderligt och märkligt (Verwunderlich und merkwürdig). Nikolaj Frederik Severin Grundtvig hat 1837 den Text verfasst, die Musik schrieb 1919 Carl Nielsen; die schwedische Nachdichtung des dänischen Originals mit dem Titel Forunderligt at sige stammt von Carl Oscar Mannström. Hier singen zwar nicht wir, denn wir stecken ja noch mitten in den Proben, aber Umeås Studentkör hat eine schöne Fassung bei YouTube eingestellt.
Förunderligt och märkligt,
omöjligt att förstå,
men dock så ljust och verkligt
och ljuvt att tänka på:
inunder öppen himmel,
på bädd av strå och blad,
du finner, Herre Jesus,
din första vilostad.
En fågel har sitt näste,
sin kula varg och lo,
var blomma har ett fäste,
var humla har ett bo,
men fursten i Guds rike,
det levande Guds ord,
får bli en hemlös´ like
sin första natt på jord.
Men kom! Jag vill upplåta
mitt hjärta, själ och sinn
och bedja, sucka, gråta:
Kom, Jesus, till mig in!
Här är din egen hydda,
du köpt den dyrt åt dig,
mitt hjärta skall dig skydda,
ack, giv mig jul med dig!
Ich glaube, Schweden tun nichts ohne Grund. Dinge einfach so zu tun, scheint hier etwas ganz Verpöntes zu sein. Dass jemand einfach so spazieren geht, d.h. ohne sichtbaren Grund durch den Wald hinter seinem Haus latscht, habe ich noch nie gesehen. Alle Menschen, die ich im Wald treffe, wenn ich dort spazieren gehe, haben einen bestimmten Grund, dort zu sein: einen Hund, einen Pilzkorb, Walkingstöcke, Laufschuhe. Oder wenn wir an den See gehen: die Schweden haben mindestens eine Angel, ein Boot oder ein Kind dabei, das gerade schwimmen lernt. Im Garten: hier sitzt niemand einfach so im Garten, schließlich kann man im Garten Rasen mähen, Unkraut zupfen oder Blumen gießen. Ich glaube, deshalb gibt es hier auch so viele Vereine: man braucht einfach einen Grund, um soziale Kontakte zu pflegen, und geht nicht einfach so jemanden besuchen und quatschen.
Nicht nur, aber auch deshalb, haben wir uns jetzt wieder einen Chor gesucht. Und siehe da: die Chorprobe ist mit knapp drei Stunden deutlich länger als bei den meisten vergleichbaren Chören in Deutschland, dafür ist die halbstündige fikarast fester Bestandteil jeder Probe. Fika ist gesellschaftlich toleriertes Rumsitzen mit gleichzeitigem Konsum koffeinhaltiger Getränke. Da die Chorprobe abends stattfindet, heißt fika hier: jede Woche bringt jemand anderes einen riesigen Korb mit Brot, Aufschnitt, Obst, Gemüse und Süßkram mit und schleicht sich kurz vor der Pause weg, um den Tisch für alle zu decken. Das fördert die Kommunikation im Chor tatsächlich ungemein.
Unser Einstieg in Göteborgs Vokalensemble war ziemlich gut getajmt (wie der Schwede sagt), denn wir konnten gleich mit zum ersten Probenwochenende. In einem B&B auf der Insel Tjörn an der Westküste probten wir von Freitagabend bis Sonntagmittag.
[Lekanders Bär och Boende ist ein ehemaliger Bauernhof, der irgendwann seinen Schweinestall zu Gästezimmern umgebaut hat. Sehr luxuriös für ein B&B, dabei gleichzeitig mit rustikalem Bauernhofcharme mit vielen alten Möbeln, wir können es jedem weiterempfehlen, der mal auf Tjörn Urlaub machen möchte.]
Zwei nichtsingende Ehemänner waren als Köche abgestellt und eigentlich sollte man über das Wochenende eher sagen: Wir haben von Freitag bis Sonntag gegessen und zwischendurch auch ab und zu geprobt. Frühstück – Fika – Mittagessen – Fika – Abendessen – Fika… Höhepunkt war der Samstagabend, als es ein ***Menü gab: Minz-Sternanis-Cider als Aperitiv, Blumenkohlcouscous mit Pastinaken als Vorspeise, gebratenes Fleisch mit selbstgesammelten Pfifferlingen, Backkartoffeln und Bohnensalat als Hauptspeise und American Cheesecake mit gefrorenen Waldbeeren als Dessert. Und Kaffee, natürlich.
Am Sonntagnachmittag hatten wir dann das dringende Bedürfnis nach Bewegung und sind noch ein paar Kilometer weiter ins Küstenstädtchen Skärhamn gefahren. Das Wetter war natürlich so, wie man es im Herbst an der Westküste erwartet: blåsigt. Selbstverständlich hatten wir die Kamera dabei, damit es nicht so aussah, als ob wir einfach so an einem trüben Herbsttag durch die Schären spazierten…
Doch zurück zum Chor: Der Chor ist ähnlich groß und ähnlich gut wie Chorioso, unser Karlsruher Chor. Das aktuelle Programm ist eher kleinteilig angelegt, (Palestrina, Schütz und diverse schwedische Komponisten wie Ninne Olsson, Sten Källman, Ingmar Wilestrand u.a.) – Allerheiligen und Weihnachten nahen… Und zufällig – die Welt ist klein – hat die Chorleiterin ein Jahr in Karlsruhe studiert und ist mit einem Stuttgarter verheiratet.
Vom der ersten Probe an haben wir uns in diesem kleinen, aber feinen Chor wohlgefühlt und wurden von allen sehr herzlich aufgenommen. Einfach so.