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7. Dezember: Möwengeschrei


Freitags ist Kulårtag. Kulår heißt Lustig-jahr (Aussprache: Kühl-Ohr) und bedeutet, das wir Instrumentallehrer zu zweit raus in die Schulen fahren und reihum alle ersten Klassen besuchen. Die Kinder bekommen so die Chance, das komplette Angebot der Musikschule kennenzulernen und vor allem auch auszuprobieren.

Heute war ich mit dem Lieblingskollegen an zwei verschiedenen Schulen mit insgesamt drei Klassen. Wir hatten vier Klarinetten dabei, eine Rolle Küchenpapier und eine volle Flasche Desinfektionsmittel. Der Vorteil an Klarinette gegenüber anderen Blasinstrumenten ist, dass es relativ leicht ist, einen „Ton“ aus dem Instrument zu bekommen. Der Nachteil ist, dass dieser „Ton“ meistens eher wie Möwengeschrei klingt. Zum Glück haben wir professionellen Gehörschutz.

Aber nach ein bis zwei Minuten ausprobieren kriegen die Kinder den Ansatz meist irgendwie hin und es kommen auch richtige Töne. Dann kann man zusammen spielen: das Kind bläst und man selbst bewegt die Finger. So können die Schüler nach wenigen Minuten ihr erstes Lied auf der Klarinette tröten und sind stolz wie Oskar. Das haben mein Kollege und ich heute ungefähr 60 mal gemacht. Die Flasche mit der Desinfektionslösung war hinterher fast leer.

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Nach 18 Jahren an der Spitze ist es keine Schande, die Leitung abzugeben und in den Ruhestand zu gehen. Vor allem, wenn die Gefolgsleute sich mehr und mehr angesichts des Führungsstils entzweien. Die Verabschiedung fiel dennoch feierlich aus und die Nachfolgerin steht bereits seit einigen Wochen fest.

Ich rede nicht von Angela Merkel, sondern von unserem Chef, den wir heute Nachmittag in den Ruhestand verabschiedet haben. Seine glühendsten Bewunderer hatten sich richtig reingehängt und unter anderem das halbe Kollegium beordert, ein Spontanklarinettenorkester zu bilden und Jingle Bells zu tröten. Ohne Probe. Fremdschämfaktor: hoch.

Angesichts des Möwengeschreis, das nur entfernt an ein Weihnachtslied erinnerte, war ich zum zweiten Mal an diesem Tag sehr froh über meine Ohrenstöpsel. Vor dem abschließenden Pubbesuch haben Jonas und ich uns gepflegt verdrückt. Wir waren nicht die einzigen.

Warum das Lustigjahr Lustigjahr heißt


Ich erwähnte es ja bereits mal in einem anderen Artikel – alle Erstklässler in unserem Bezirk lernen im Laufe des Schuljahres alle Instrumente der Musikschule kennen. Im rollierenden System besuchen wir sieben Instrumentallehrer die sechs Schulen in unserem Bezirk. Das Ganze nennt sich kulår – das Lustigjahr – und seit heute weiß ich auch warum:

Als Klavierlehrer möchte ich den Kindern in meinen vier Wochen nicht nur das Klavier, sondern ein möglichst breites Spektrum an Tasteninstrumenten vorstellen. Heute durften sie zum Einstieg eine Orgel hören und sollten rausfinden, welches Instrument das ist. Das Schuljahr ist fast zu Ende, die Klasse kennt das komplette Spektrum der Instrumente, die unsere Musikschule zu bieten hat und die Kinder raten sich also erstmal fröhlich durch Oboe, Waldhorn und Cello durch. Orgel haben sie überhaupt nicht auf dem Plan.

Ich helfe: „Überlegt mal wo das Instrument stehen könnte oder wo ihr es vielleicht schon mal gehört habt.“ Aha! Über den ersten Kinderköpfen gehen die Lichter auf. „In der Kirche!“ – „Und – wie heißt das Instrument, das man immer in der Kirche hört?“ Ein Kind fällt vor lauter eifrigem Ichweißes!Ichweißes!-Schnippmelden beinahe vom Stuhl. Ich erlöse es und erteile ihm das Wort. Stolz und mit großen, strahlenden Augen verkündet es: „Bibel!“