Seit heute morgen bin ich endlich auch ein hipper Social-Media-Junkie. Auf dem Weg zur Arbeit habe ich mir Instagram heruntergeladen und jetzt können alle meinem Alltag folgen. Zum Glück aber nur auf Zeit, denn ich instagramme nicht privat, sondern für meinen Job. Folgen kann man mir unter boras_kulturskola und #boraskulturskola.
Zwei Verträge habe ich gestern unterschrieben: einen Mietvertrag und einen Arbeitsvertrag. Es fühlt sich an wie zwei Schritte vorwärts… sicherlich geht es auch irgendwann wieder einen zurück, deswegen find ich es umso wichtiger, das Vorwärts festzuhalten.
Nachdem ich bei der Hausbesichtigung gehört hatte, dass es über 40 andere Interessenten gab, wollte ich es gar nicht mehr so toll finden, um die Enttäuschung in Grenzen zu halten. Gestern waren wir dann fast eine Stunde lang alleine im Haus und haben gemessen und geguckt, entdeckt und fotografiert. Es ist immer noch Baustelle, es werden gerade noch Böden verlegt, Wände tapeziert und die Küche neu gemacht, deswegen sieht es noch etwas chaotisch aus. Aber viel fehlt nicht mehr und seit letztem Mal hat sich schon viel getan. (Bilder kommen auch irgendwann.)
Um das Haus herum stehen erfreulicherweise nur halb soviele Bäume, wie wir dachten. Vor allem in Jonas‘ Erinnerung waren die Bäume riesig, dunkel und engstehend gewesen. Ich hatte dafür den Flur doppel so lang in Erinnerung, was sich heute als riesiger Spiegel herausstellte. Seltsam, welche Streiche Wahrnehmung und Erinnerung einem manchmal spielen.
Weil ich dann gestern viel Zeit hatte, während Jonas die Kohle (die für den Saunaofen, ihr wisst schon…) verdient hat, habe ich auch gleich unsere zwei nächstgelegenen Badplätze inspiziert. Ich hoffe auf baldiges Zufrieren des Sees. Dann kann Jonas auf Schlittschuhen zur Arbeit…
Der Steg liegt zur Zeit zum Schutz gegen Eis auf dem Trockenen.
Beim Aufsetzen des Mietvertrages dann noch eine kleine Überraschung: wir haben keine Adresse. Also keine „richtige“, so mit Straße und Hausnummer. Stattdessen hat das Haus einen Namen: „Lichtung am See“, danach folgen Postleitzahl und Ort. Das klingt jetzt alles furchtbar nach kitschigem Bullerbü-Fetischismus, ich weiß, aber es ist einfach zu nett, um es an dieser Stelle nicht zu erwähnen.
Wenden wir uns also wieder dem Ernst des Lebens zu – das ist ab Januar mein Arbeitsplatz:
Ich war so aufgeregt, dass ich nicht an die Kamera im Rucksack gedacht habe, als ich gestern dort war, daher ausnahmsweise kein eigenes Bild. Meine Kollegen – also die restlichen vier, die ich noch nicht bei einem der Vorstellungsgespräche getroffen habe – werde ich aber noch im Dezember kennenlernen, voraussichtlich am Luciatag.
Im Jahr 2000 steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, Emails waren noch nicht überall eine Selbstverständlichkeit und vieles wurde sogar noch der guten, alten Post anvertraut. In ebendiesem Jahr war ich als Austauschschülerin mehrere Monate in einer Kleinstadt mit einer Million Einwohnern in der tiefsten zentralchinesischen Provinz.
Da ich bei meiner Abreise wenig über meine Gastfamilie und meine Lebensverhältnisse in den kommenden Monaten wusste, aber schon vermutete, dass die Kommunikation schwierig werden könnte, vereinbarte ich mit meiner Mutter: Keine Nachrichten = gute Nachrichten.
Sollte heißen: Wenn ich mit Malaria darniederliegen, mit Blinddarmentzündung nach Hongkong ausgeflogen würde oder mir eine Rikschah den Fuß abgefahren hätte, dann hätte vermutlich jemand meine Mutter informiert. Im Normalfall bedeutete Funkstille aber höchstwahrscheinlich Stromausfall, keine Internet-/Telefon-/Faxverbindung oder schlicht: viele Erlebnisse und keine Zeit für Heimweh.
Die Funkstille, die hier auf Brevlåda in den letzten Wochen herrschte, ist auf letzteres zurückzuführen. Der Sommer, der sich im August letztlich doch noch hergetraut hat, war einfach zu kostbar, um länger als unbedingt notwendig vor dem Rechner zu sitzen. Außerdem waren in der alten Heimat Sommerferien, sodass wir viel Zeit mit urlaubenden Freunden hier in der Gegend verbracht haben. Die Kombination aus: Job mit Möglichkeit zum Homeoffice + Jonas‘ Semesterferien + VW-Bus + in Schweden (fast) überall verfügbares Internet ermöglichte uns drei lange Wochenenden in Folge, nur ab und zu mussten wir uns dann doch mal bei der Arbeit blicken lassen… (Das heißt nicht, dass ich nicht gearbeitet hätte, aber dabei mit Freunden vor deren Ferienhaus zu sitzen und nach der Arbeit noch schnell in den Vänern zu springen, hat schon was.)
…
Aber warum „wir“ bei der Arbeit – Jonas hat doch noch Semesterferien? Jein. Die Hochschule ruht zwar noch ein paar Tage, aber sein neuer Job als Kontrabass-/Streicherlehrer in einer kommunalen Kulturschule hat bereits begonnen. Aber davon soll er selbst demnächst hier berichten.
Naturgemäß sammelt sich bei so vielen Erlebnissen eine Menge Erzähl- und Fotomaterial an. Und unser Åland-Urlaub wurde hier auch noch nicht in der nötigen Ausführlichkeit bebildert, ebensowenig wie unser Ein-Jahr-in Schweden-Jubiläum gewürdigt wurde… waaaah, Freizeitstress!
Der hat die Ruhe weg.
Für kommendes Wochenende hoffe ich daher mal ganz ketzerisch auf schlechtes Wetter, damit neben meiner (deutschen) Steuererklärung von 2011 auch hier ein paar Zeilen entstehen können. Denn am Wochenende danach sind wir auf einen 40. Geburtstag bei (schwedischen) Freunden eingeladen, anschließend folgen drei Chorwochenenden mit Proben und CD-Aufnahme, dann eine Konzertreise nach Cambridge, dann eine Konzertreise nach Karlsruhe und dann ist Weihnachten. Jedenfalls gefühlt.
Auch wenn es hier gerade etwas ruhiger ist – irgendwann kommen auch wieder lange, dunkle Novemberabende und die eignen sich ja bekanntlich ausgezeichnet dafür, die Fotos des vergangenen Sommers zu sortieren und in den Erinnerungen an endlose Sommernächte zu schwelgen. Aber solange lassen wir euch nicht warten. (Wage ich jetzt mal mutig zu behaupten…) Ansonsten gilt: keine Nachrichten = gute Nachrichten.
Luxus ist, wenn man auf seinem 70 km langem Weg zur Arbeit an mindestens fünf schönen Badeplätzen vorbeikommt.
Luxus ist, wenn man morgens an die Badesachen gedacht hat und auf dem Heimweg mal eben ins Wasser hüpfen kann.
Luxus ist, wenn man zwar das Wasserthermometer nicht dabei hat, aber ein netter Schwede mit Thermometer vorbeikommt.
Luxus ist, wenn man im Wasser war, bevor der Schwede mit dem Thermometer die Wassertemperatur verkündet.
Luxus ist, wenn man nach dem Bad im 12,5°C warmem Wasser auf dem warmen Holzsteg in der Sonne trocknen kann.
Luxus ist, wenn man am Freitag zuhause arbeiten darf.
Luxus ist, wenn der nächste See nur einen Katzensprung weit weg ist.
Luxus ist, wenn Jonas um 12 das Mittagessen fertig gepackt hat.
Luxus ist, wenn man in der Mittagspause fix zum Haussee fahren, baden und anschließend picknicken kann.
Luxus ist, wenn dieser See, auf dem wir vor drei Monaten noch eislaufen waren, so klein ist, dass er im Mai schon warm genug ist, um es fünf Minuten darin auszuhalten, ohne zu frieren.
Eigentlich hatte ich den Job als Kontrabasslehrer schon fast abgeschrieben, denn keine meiner Referenzen hatte mir von einem Anruf berichtet – und da sich die Musikschule schon sehr bald entscheiden wollte, war ich davon ausgegangen, dass man sich für einen anderen Kandidaten entschieden hatte.
Wie man doch falsch liegen kann! Gestern bekam ich den Anruf: die Musikschule möchte mich gerne einstellen. Zu 50 Prozent, mit Einzelunterricht, Orchester, Ensembles, Klassenmusizieren, Unterrichtsvorbereitung, Verwaltung, Konferenzen… Alles, was man als echter, angestellter Musikschullehrer so macht. (Leider werden in Deutschland die meisten Musikschullehrer nur noch mit Honorarverträgen angestellt. Geld gibt es dann nur für den tatsächlich gegebenen Unterricht, und wenn ein Schüler mal krank wird, bekommt man entsprechend weniger.) Nächsten Mittwoch werde ich wieder hinfahren, dann muss ich die genauen Anstellungsbedingungen aushandeln und bekomme eine Masse neuer Informationen, wie dann mein Alltag als Musikschullehrer ab dem 18. August aussehen wird. Ich freue mich auf jeden Fall riesig!
Dass Schweden in absehbarer Zeit nicht der Eurozone beitreten will, wurde gestern klar, als die Serie neuer Scheine vorgestellt wurde, die 2015 in Umlauf gehen soll. Mit seiner Serie „Kulturresan“ (Kulturreise) hat der Entwurf des Designers Göran Österlund den Wettbewerb gewonnen:
Auf den Scheinen sieht man Portraits von Astrid Lindgren, Evert Taube, Greta Garbo, Ingmar Bergman, Birgit Nilsson und Dag Hammarskjöld und auf der Rückseite jeweils eine zur Person passende schwedische Landschaft. Auch wenn sich in der Tagespresse heute einige pseudofeministische Leserbriefe darüber mokierten, dass „mal wieder“ auf dem kleinsten Schein ein Frau und auf dem größten Schein ein Mann ist, finde ich den Gedanken ziemlich süß, auf den kleinsten, den „Kinderschein“, wieder eine Person zu drucken, die einen gewissen Wiedererkennungseffekt für Kinder bietet. Seit 25 Jahren ist auf diesem Schein übrigens Selma Lagerlöf und auf der Rückseite Nils Holgersson abgebildet.
Auffällig ist auch, dass sich nun kein König mehr auf den Scheinen findet, während aktuell auf den beiden größten Scheinen noch schwedische Könige zu sehen sind. In der o.g. Zeitung las ich heute außerdem, dass der erhoffte „Estelle-Effekt“ bisher anscheinend ausgeblieben ist und das Königshaus nach wie vor an Sympathie verliert. Aber das nur am Rande.
Um nun auf den Titel zurückzukommen: es ist tatsächlich auch ein Schein mehr, denn im Moment gibt es keinen 200-Kronen-Schein, was anscheinend viele Schweden stört, mir aber tatsächlich noch gar nicht aufgefallen war…
…, denn sonderlich viel Geld hatten wir ja in letzter Zeit eh nicht…ähöm… :-) Das wird sich aber nun hoffentlich bald ändern, denn seit einer Woche habe ich einen neuen Job. Vollzeit. Und nach der Probezeit von sechs Monaten soll ich eine unbefristete Anstellung übernommen werden.
Nachdem ich nun über zwei Jahre in mehreren meist sehr spannenden, interessanten und abwechslungsreichen Anstellungsverhältnissen gearbeitet habe, die überwiegend auch entsprechend unsicher und lausig bezahlt waren, habe ich jetzt einen vergleichsweise üppig entlohnten Job. („Vergleichsweise“ in Relation zu dem, was ich vorher hatte, nicht unbedingt bezogen auf den schwedischen Durchschnitt.)
Daher pendle ich jetzt jeden Tag über 70km (einfache Strecke), um für ein internationales Unternehmen den Webauftritt ins Deutsche zu übersetzen. Die Fahrt geht überwiegend durch den Wald, sodass ich knapp 90 Minuten für eine Fahrt rechnen muss. Wir werden sehen, wie lange das machbar ist. Für den Moment freue ich ich mich erst mal über mehr Geld mit alten schwedischen Männern drauf…