Morgen hat unser Chef seinen letzten Arbeitstag, danach geht er in Pension. Von Haus aus ist er Klarinettist und wird er niemals müde, sein Instrument als Beispiel in allen passenden und unpassenden Zusammenhängen anzubringen. Als Abschiedsgeschenk gibt’s deshalb von allen Mitarbeitern, die wissen, in welches Ende man bei der Klarinete reinbläst, ein kleines Ständchen.
Dass Annika Klarinette spielt, weiß man an der Kulturschule (und als aufmerksamer Blogleser), aber auch ich habe mir mal vor vielen Jahren auf der Klarinette meines Vaters ein paar Grundlagen beigebracht. Autodidaktisch und ziemlich falsch, aber ich bekomme auf jeden Fall einige Töne hin. Und deshalb habe ich heute Abend auch mal wieder in eine Klarinette geblasen, damit ich morgen das Ständchen mit ein bisschen Gequietsche bereichern kann. Jetzt muss ich mir nur noch ein Instrument leihen, aber das sollte kein Problem sein.
Preisfrage des Tages: Welches Lied werden wir spielen?
Leider steht Borås als alte Arbeiterstadt kulturell nicht immer in allerster Reihe. Und auch nicht in zweiter, vor allem, was Musik anbelangt. Aber immerhin: wir haben ein semi-professionelles Sinfonieorchester, einen sehr aktiven Kammermusikverein, der wirklich gute Leute in die Stadt holt und sogar einen Verein für Neue Musik (mit ziemlich großem N (Achtung, Musikerinsiderwarnung)); außerdem noch eine ganze Reihe Amateurensembles wie zum Beispiel eine ziemlich gute Big Band (die Annikas Lieblingskollege leitet), einen Kammerchor (den ich neuerdings zur Hälfte leite, aber dazu wann anders mehr), ein kleines Kammerorchester, eine Brass Band und mit Sicherheit noch einiges mehr; und manche unserer Kollegen werden auch ab und zu aktiv und stellen musikalische Projekte auf die Beine.
Was bis letztes Jahr allerdings völlig an mir vorbeigegangen war, sind die zwei Oratorienchöre der Stadt. Gut, zugegeben, die Chöre teilen sich mindestens achtzig Prozent der Mitglieder, aber wenn man zwei große Kirchen mit engagierten Kirchenmusikern hat, wollen natürlich beide große Projekte auf die Beine stellen. Letztes Jahr wurde ich zweimal als Aushilfe im Orchester eingekauft (Brahms- und Mozart-Requiem), dieses Jahr werden es insgesamt sogar dreimal sein. Wieder Mozart (das macht die Carolikirche jedes Jahr), dazu übernächstes Wochenende Händels Messias und am vergangenen Sonntag, wie sich der aufmerksame Überschriftenleser jetzt mit Sicherheit denken kann, Bachs Weihnachtsoratorium (Teile eins bis drei). Zuletzt habe ich das Oratorium in Karlsruhe mit der Hochschule gespielt, inklusive Coaching in historischer Aufführungspraxis. Auf diesem Niveau bewegte sich diese Aufführung natürlich nicht, eher so, wie man es sich von einer mittelgroßen Stadt erwartet. Das größte Problem war wie immer in der Gustav-Adolfs-Kirche die Akustik, die einem das Leben echt nicht leicht macht. Aber alles in allem war es doch eine ganz solides Konzert, und vor allem war es eine Freude, endlich einmal wieder dieses fantastische Werk zu spielen.
Während unseres Engagements bei den Göteborger Symfonikern hatten wir die Gelegenheit beim Schopf gepackt und uns gleich für ein weiteres Projekt buchen lassen. Diese Aktion unter dem Titel „Kreatives Zusammenspiel“ ist deutlich kleiner angelegt als „Komm herein„. Nur ungefähr dreißig bis vierzig Kinder im Grundschulalter kommen gleichzeitig ins Konzerthaus, um an zwei Workshops teilzunehmen. Ein Teil der Gruppe bewegt sich angeleitet von einer Rythmik-Pädagogin und begleitet von einem Holzbläserquintett zu Musik; unsere Aufgabe ist es, einen einen Kompositions-Crashkurs zu betreuen, in dem jede Klasse mit Hilfe einfacher grafischer Notation ein eigenes Stück schreibt, dass dann von einem Trompeter, einer Cellistin und einem Schlagwerker aufgeführt wird. Danach dürfen die Gruppen natürlich tauschen und auch den jeweils anderen Workshop erleben.
Eigentlich hätte Annika schon vorige Woche zwei Vormittage übernehmen sollen, aber auf Grund des EU-Gipfels in Göteborg am letzten Freitag (hat man davon eigentlich irgendetwas mitbekommen neben Jamaika-Verhandlungen und Klima-Konferenz?) war die gesamte Stadt seit Mittwoch wie eingefroren – wichtige Durchgangsstraßen waren gesperrt, Busse fuhren nur sporadisch und ganze Innenstadtbereiche schienen hermetisch abgeriegelt worden zu sein – und deshalb musste das Projekt für vorige Woche abgesagt werden. Diese Woche, in der ich Dienst habe, findet aber alles wie geplant statt (abgesehen von extremen Verspätungen von Schülern, Musikern und auch mir, verursacht durch einen Schneesturm heute Nacht).
Neben meinem Workshop habe ich auch die Verantwortung für die erste Begrüßung der Klassen. Dabei muss man natürlich erklären, in was für einem Haus sie sich eigentlich befinden. Vom Projektleiter, der diesen ganzen Tag konzeptioniert hat, hatte ich den Tipp bekommen, vom alten Göteborger Konzerthaus von 1905 zu erzählen, dass 1928 fast vollständig abbrannte. Eigentlich fand ich die Geschichte gar nicht so interessant für Kinder dieser Altersgruppe, aber auf diese Weise ergibt sich ein schöner Ausgangspunkt, um später im Kompositionsworkshop ein paar ganz besondere Noten herzuzeigen: Während der Südflügel des alten Gebäudes schon lichterloh brannte, waren ganze Menschenmassen damit beschäftigt, Noten und Instrumente zu retten. Einige der Noten hatten allerdings schon Brandschäden wie Rauchflecken und angesengte Ecken erlitten, und eine solche Partitur mit dazugehörigen Stimmen konnte ich heute den Kindern präsentieren, sozusagen als Beweis, dass das mit dem Brand wirklich passiert ist. Dass die Stimmen alle wunderschön von Hand kopiert waren, das erfreute allerdings vor allem mich.
Angesengte und von Rauch beschädigte Noten von Haydns „Die [sieben letzten] Worte des Erlösers am Kreuze“ aus der Bibliothek der Göteborger Symfoniker.P.s.: Wer mehr über das alte Konzerthaus und dessen Brand erfahren möchte, findet auf dieser Seite einige Informationen und Bilder (auf Schwedisch), unter anderem einen Augenzeugenbericht (auf veraltetem Schwedisch).
Spätestens heute wurde es klar: Es ist vårvinter (Frühlingswinter). Diese einzigartige Jahreszeit zwischen Winter und Frühling gehört mitlerweile zu meinen liebsten Jahreszeiten. Während in Süddeutschland Anfang März immer schon die Osterglocken blühen ist es selbst hier in Südschweden oft noch richtig kalt, vor drei Jahren war der See noch bis in den April hinein dick mit Eis bedeckt. Gleichzeitig zieht sich die Winterdunkelheit aber merklich zurück, die Tag- und Nachtgleiche ist nicht mehr weit und man kann in windgeschützten Ecken schon die wärmende Frühlingssonne genießen. Heute waren wir mal wieder am Vogelturm, um zu sehen, ob der See noch zugefroren ist (ja, ist er), und dabei konnte man richtig beobachten, wie die Welt ganz langsam wieder aufzutauen beginnt. Unweigerlich fielen mir dabei zwei meiner liebsten schwedischen Chorstücke ein, die von dieser kalten, aber hellen Zeit handeln.
Förvårskväll (Text: Ragnar Jänderl, Musik: David Wikander)
Mogens Dahl Chamber Choir, Leitung: Mogens Dahl. Von der CD North Room. Secular choir music from Scandinavia, Exlibris 2010.
Vårsång (Text und Musik: Wilhelm Peterson-Berger)
Bolagsstämmorna (Chor der Göteborgs Handelshögskola), Leitung: Tove Åhrman. Mitschnitt des Frühlingskonzerts am 17. Mai 2013 in Mariakyrkan, Göteborg.
Frohe Weihnachten! Und unseren Weihnachtsgruß präsentiert Joshua Bell zusammen mit dem fantastischen Musikcomedyduo Igudesman & Joo – wer diese zwei großartigen Musiker und Witzbolde noch nicht kennt: unbedingt noch mehr von ihnen anschauen.
Nun wünschen wir allen Brevlåda-Leserinnen und Lesern god jul und schon mal im voraus gott nytt år!
In Deutschland dürfte Hans Liberg mit seiner manchmal absurden, häufig überdrehten und immer intelligenten Musikcomedy mittlerweile den meisten bekannt sein. Als Holländer ist er selbstredend auch dort und in Flandern sehr erfolgreich, und er spielt sogar auch auf Englisch. Ideal für unseren halbzweisprachigen Adventskalender.
Hans Liberg är en nederländsk musikkomiker som gör sina ibland absurda, ofta galna och alltid intelligenta program inte bara på nederländska, utan även på tyska, franska och engelska. Idealisk för vår mer eller mindre tvåspråkiga julkalender.
Freitag
15.00 – Meinen Schülern habe ich abgesagt, stattdessen fahre ich mit einer Kollegin zum ICA und kaufe drei Kilo Hackfleisch, 40 Hamburger, zwei Kilo Käse und sechs Dosen Tomaten.
16.00 – Zurück in der Musikschule kopieren wir noch Noten, packen Notenständer und Ersatzsaiten ins Auto.
17.15 – Ankunft in der Dorfhalle von Seglora, wo wir heute und morgen mit ungefähr 15 Schülern proben werden.
19.30 – Die erste Probe ist geschafft und alle stürzen sich auf die Hamburger, die drei hilfskräftige Eltern gebraten haben.
23.00 – Nach Kinderbespaßung mit Quiz und Film liegen alle in ihren Schlafsäcken und ich rolle meine Isomatte aus.
Samstag
5.56 – Ich gucke auf die Uhr: Warum sind diese Kinder denn jetzt schon wach???
7.45 – Ein wenig konnte ich noch schlafen, aber jetzt sitze ich beim Frühstück…
11.15 – Ich sitze im Auto und fahre in Annikas Musikschule, morgen spiele ich nämlich noch schnell ein Bigband-Konzert und gerade sind die Solisten angekommen und ich will die Band nicht bei der Probe alleine lassen.
15.00 – Zurück in Seglora, pünktlich zum Abschlusskonzert für die Eltern.
17.00 – Die Dorfhalle ist geputzt und alles zurück in der Musikschule. Jetzt Feierabend genießen.
Sonntag
10.30 – Generalprobe mit der Bigband. Die meisten Töne treffe ich…
14.00 – Mittagspause zu hause.
18.00 – Konzert
22:00 – Wochenende