Der Herbst ist jobbmäßig immer eine Herausforderung: weil das Herbsthalbjahr von August bis Weihnachten etwas kürzer ist als das Sommerhalbjahr von Januar bis Juni, weil es immer ein paar Wochen braucht, bis der Stundenplan mit neuen und alten Schülern endlich steht, und weil man mit neuen Schülern und neu zusammengesetzten Orchestern und Ensembles trotzdem bis spätestens Advent was Brauchbares auf die Beine gestellt haben muss. Unterbrochen wird das Herbsthalbjahr lediglich von einer Woche „Herbstferien“ die immer in Kalenderwoche 44, also so um den ersten November liegt. Herbstferien deswegen in Anführungszeichen, weil die Woche nur für die Schüler frei sind, wir Lehrer aber in dieser Woche „Studientage“ haben und angehalten sind, Fortbildungen zu besuchen oder Projekte mit Kollegen zu planen.
Dieses Jahr war ich zusammen mit einem Kollegen in Oslo auf einer dreitägigen Tagung für Blasorchesterdirigenten. Studienobjekt war das oder vielmehr die Schulorchester von Lørenskog, einem Vorort von Oslo. In Norwegen sind Orchester etwas anders organisiert als in Schweden oder Deutschland: die Musikschulen haben meist keine eigenen Orchester, dafür hat jede Schule (oder zumindest sehr viele Schulen) einen Förderverein, der wiederum einen Dirigenten beschäftigt, der in Zusammenarbeit mit den Musikschulen ein oder mehrere Schulorchester leitet. Und in Lørenskog funktioniert das offenbar besonders gut, wir wir und ca 100 weitere Tagungsteilnehmer aus ganz Schweden feststellen konnten: vier aufeinander aufbauende Kinder- und Jugendorchester für verschiedene Altersstufen, ein „Veteranorchester“ für Leute, die auch nach ihrer Schulzeit weiter im Orchester spielen wollen, ein Orchester für Menschen mit verschiedenen Funktionsvariationen, eine Bigband und ein Schlagwerkensemble. Das Ganze geleitet von einem Team, bestehend aus einem hauptamtlichem Dirigenten, einem Ensembleleiter/Arrangeur und zwei weiteren Teilzeitkräften. Einzelunterricht haben alle Kinder an der örtlichen Kulturschule.
Der hauptamtliche Dirigent war auch der Tagungsleiter und wir vermuten bis heute, dass der Mann entweder ADHS hatte oder der norwegische Staat Speed an seine Lehrkräfte austeilt oder beides zusammen. Unfassbar, welche Energie in diesem Mann steckte!
Nach einem vierstündigen Jubiläumskonzert anlässlich des 80jährigen Bestehens des Orchesters auf einem dreiteiligen Bühnenkomplex mit Licht- und Soundtechnik des norwegischen Rundfunks am Sonntagabend, erwarteten uns der Dirigent und der Arrangeur ab Montagmorgen um 9 mit einem bunten Strauß an Seminaren zum Thema Orchesterleitung und Jugendarbeit: angefangen von Probenmethodik und Motivation im Orchester, über „Wie baue ich eine funktionierende Schlagwerkssektion auf“, Schlagtechnik, „Arrangieren und Komponieren für Kinder- und Jugendorchester“, „Improvisation im Orchester“, eine Liveprobe mit einem der mittleren Orchester, Repertoirespiel und einem Meisterkurs Dirigieren für die Tagungsteilnehmer war so ziemlich alles dabei, was man in zwei Tage pressen kann. Ach ja, und eine „Shoppingtour“ zu Oslos größtem Notenladen war auch noch drin.
Mit anderen Worten: wir kamen zwar todmüde, dafür aber randvoll mit neuen Ideen wieder nach Hause. Bezahlt hat das Ganze übrigens hälftig unser Arbeitgeber und der nationale Verband schwedischer Blasorchesterdirigenten, welchem wir durch unseren Elternverein angeschlossen sind. Das Hotel war daher auch nicht von schlechten Eltern, ebenso wie das drei Gänge-Menü für die Tagungsteilnehmer und der Mietwagen, damit wir nicht mit unseren Privatautos ins verschneite Norwegen fahren mussten.
Für allgemeines Gelächter sorgte der Kellner, der beim abschließenden Tagungsdinner die schwedischen Gäste ausdrücklich um Entschuldigung für die norwegischen Bier- und Weinpreise bat, denn Getränke waren natürlich nicht inklusive.
Den Schwung aus der Fortbildung konnten wir dann direkt in unser Orchester mitnehmen, denn nur eineinhalb Wochen später sollten wir mit unserem Orchester und der Tanzkompanie der Kulturschule auf ein Festival nach Deutschland fahren…