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Blogartikel, die leider nie geschrieben wurden


Der Sommer in Schweden ist kurz, aber dafür umso intensiver. Das merke ich gerade vor allem daran, dass wir jeden Tag so viel erleben und täglich einen Blogartikel schreiben könnten, gleichzeitig aber so im Erlebnisrausch sind, dass die Zeit noch nicht einmal dafür reicht. Was vor zwei Wochen geschah, liegt schon wieder so weit weg, als wäre es ein halbes Jahr, weil seither so vieles passiert ist…

Ein dreitägiger Kurztrip mit unserem Bus kurz vor Mittsommer: Gränna am Vättern und die Insel Visingsö im Vättern. Zwei Tage Inselleben im halben Tempo. Traumhaft und unbedingt empfehlenswert. Ein Artikel über das Zuckerbäckerstädtchen Gränna und seine Zahnärzte und ein Artikel über die Künstlerklausen auf Visingsö.

Mittsommer: Das erste Mal mit schwedischen Freunden. Wunderbar. Einen Artikel wert.

Fünftägige Orchesterreise mit unserem Jugendorchester nach Deutschland: Ein Artikel über die grauslige Ferienanlage in Weissenhäuser Strand an der Ostsee. Ein Artikel über das zweifelhafte Vergnügen zu Deutschlands ältestem (und angeblich größtem) Totengilde- und Schützenfest in Oldenburg/Holstein eingeladen zu sein und die Reaktion von Schweden, denen während eines Umzuges Schnaps und Bier gratis und in rauhen Mengen vor die Nase gehalten werden. Ein Artikel über meinen Kulturschock in Deutschland – keine Nummern ziehen und das seltsame Erlebnis, dass Deutsche mir auf gebrochenem Englisch antworten, wenn ich auf Deutsch (trotz allem: immer noch fließend und akzentfrei) nach dem Weg frage. Ein Artikel mit meinen Fotoexperimenten im Hansa-Park.

Ähm… ja. Solange ich nicht unter die hauptberuflichen Blogger gehe, entgehen euch leider all diese im Kopf vorformulierten Artikel.

Seit letztem Samstag sind wir wieder mit dem Bus auf Tour. Altmodisch wie wir sind, besitzen wir weder Smartphone noch Surfplatte – Internetzugang haben wir daher nur sporadisch, wenn wir auf Campingplätze gehen. In nächster Zeit wird es hier also ruhig bleiben, auch wenn in meinem Kopf bereits die nächsten Artikel fertig sind: Über das Wohnhaus des Malers Carl Larsson in Sundborn, die Grubenstadt Falun, das einwöchige Volksmusikfestival Musik vid Siljan (mein Geburtstagsgeschenk von Jonas!) und über ein unglaublich stimmungsvolles Konzert morgens um sieben auf einer Almhütte, wo der Gesang ein Kuhherde anlockte und Ziegen zwischen den Zuhörern spazierten, darüber, wie wir versehentlich im Garten eines erweckten Baptistenmissionars landeten und in seiner Kirche duschten oder über die Schwierigkeiten, in Mittelschweden einen neuen Fahrradständer für einen fast 20 Jahre alten VW-Bus zu kriegen, wenn einem beim rückwärts Ausparken hinterlistig ein Baum vor’s Auto springt, der da vorher nicht war.

Aber um das alles mit euch Lesern hier im Blog zu teilen, müsste ich jetzt Urlaub vom Urlaub nehmen – oder mich technisch mal aufrüsten. Aber auf beides habe ich vorerst herzlich wenig Lust. Ich muss jetzt nämlich ganz dringend nochmal eine Runde in der Abendsonne schwimmen gehen, auch wenn es schon elf ist.

Winterzeit


Gestern morgen: Schweden. Buntes Herbstlaub, morgens um 4.00 Uhr sternklarer Himmel und  -7°C, Sonnenaufgang im startendem Flugzeug, fantastische Sicht über Südschweden, die Öresundbrücke und Stadtrundflug über Kopenhagen.

Vormittag: Dänemark. Drei Stunden rumsitzen am Flughafen in Kopenhagen. Erbärmlich teures und schlechtes Frühstück, aber zumindest mit Sitzplatz auf einem Sofa in der Sonne und mit Blick aufs Rollfeld. (Außer den Toiletten gibt es ansonsten dort auch kaum Sitzmöglichkeiten.) Zwei Stunden an meinem Joghurtbecher festgehalten um dem Cafépersonal meine Daseinsberechtigung auf diesem Sofa zu demonstrieren. Auch am Boden stahlblauer Weltraumhimmel.

In der Schlange am Gate vor mir ein älteres Paar, sie zu ihm: „Hasch dai Bodding-Kärdle?“ Ok, ich stehe unüberhörbar in der richtigen Schlange, dieser Flug kann nur nach Schduddgard gehen. Fantastischer Start in Kopenhagen.

Kaum lassen wir die Ostsee hinter uns: nur noch weiß. Ich freue mich auf den Landeanflug in bekanntem Terrain, finde es immer spannend, Straßen, die ich kenne, aus der Luft zu sehen. Als wir endlich durch die Wolkendecke durch sind, ist die Landebahn nur noch 10m entfernt.

Nachmittag: Stuttgart. Dichter Schneefall und Matschwetter. Auf der Heimfahrt oben auf der Schwäbischen Alb geschlossene Schneedecke. Zuhause wieder Matschwetter.

Heute morgen, Blick aus meinem Fenster:

Habe das spontane Bedürfnis, beim Bauern einen Weihnachtsbaum zu holen.

Keine Nachrichten = gute Nachrichten


Im Jahr 2000 steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, Emails waren noch nicht überall eine Selbstverständlichkeit und vieles wurde sogar noch der guten, alten Post anvertraut. In ebendiesem Jahr war ich als Austauschschülerin mehrere Monate in einer Kleinstadt mit einer Million Einwohnern in der tiefsten zentralchinesischen Provinz.
Da ich bei meiner Abreise wenig über meine Gastfamilie und meine Lebensverhältnisse in den kommenden Monaten wusste, aber schon vermutete, dass die Kommunikation schwierig werden könnte, vereinbarte ich mit meiner Mutter: Keine Nachrichten = gute Nachrichten.
Sollte heißen: Wenn ich mit Malaria darniederliegen, mit Blinddarmentzündung nach Hongkong ausgeflogen würde oder mir eine Rikschah den Fuß abgefahren hätte, dann hätte vermutlich jemand meine Mutter informiert. Im Normalfall bedeutete Funkstille aber höchstwahrscheinlich Stromausfall, keine Internet-/Telefon-/Faxverbindung oder schlicht: viele Erlebnisse und keine Zeit für Heimweh.

Die Funkstille, die hier auf Brevlåda in den letzten Wochen herrschte, ist auf letzteres zurückzuführen. Der Sommer, der sich im August letztlich doch noch hergetraut hat, war einfach zu kostbar, um länger als unbedingt notwendig vor dem Rechner zu sitzen. Außerdem waren in der alten Heimat Sommerferien, sodass wir viel Zeit mit urlaubenden Freunden hier in der Gegend verbracht haben. Die Kombination aus: Job mit Möglichkeit zum Homeoffice + Jonas‘ Semesterferien + VW-Bus + in Schweden (fast) überall verfügbares Internet ermöglichte uns drei lange Wochenenden in Folge, nur ab und zu mussten wir uns dann doch mal bei der Arbeit blicken lassen… (Das heißt nicht, dass ich nicht gearbeitet hätte, aber dabei mit Freunden vor deren Ferienhaus zu sitzen und nach der Arbeit noch schnell in den Vänern zu springen, hat schon was.)

Aber warum „wir“ bei der Arbeit – Jonas hat doch noch Semesterferien? Jein. Die Hochschule ruht zwar noch ein paar Tage, aber sein neuer Job als Kontrabass-/Streicherlehrer in einer kommunalen Kulturschule hat bereits begonnen. Aber davon soll er selbst demnächst hier berichten.

Naturgemäß sammelt sich bei so vielen Erlebnissen eine Menge Erzähl- und Fotomaterial an. Und unser Åland-Urlaub wurde hier auch noch nicht in der nötigen Ausführlichkeit bebildert, ebensowenig wie unser Ein-Jahr-in Schweden-Jubiläum gewürdigt wurde… waaaah, Freizeitstress!

Der hat die Ruhe weg.

Für kommendes Wochenende hoffe ich daher mal ganz ketzerisch auf schlechtes Wetter, damit neben meiner (deutschen) Steuererklärung von 2011 auch hier ein paar Zeilen entstehen können. Denn am Wochenende danach sind wir auf einen 40. Geburtstag bei (schwedischen) Freunden eingeladen, anschließend folgen drei Chorwochenenden mit Proben und CD-Aufnahme, dann eine Konzertreise nach Cambridge, dann eine Konzertreise nach Karlsruhe und dann ist Weihnachten. Jedenfalls gefühlt.

Auch wenn es hier gerade etwas ruhiger ist – irgendwann kommen auch wieder lange, dunkle Novemberabende und die eignen sich ja bekanntlich ausgezeichnet dafür, die Fotos des vergangenen Sommers zu sortieren und in den Erinnerungen an endlose Sommernächte zu schwelgen. Aber solange lassen wir euch nicht warten. (Wage ich jetzt mal mutig zu behaupten…) Ansonsten gilt: keine Nachrichten = gute Nachrichten.

Urlaub


Jetzt ist der Urlaub schon seit über einer Woche vorbei. Leider… Aber schön war’s! Wir brachen noch am Freitag auf, Annikas letztem Arbeitstag. Unser Großziel waren die Ålands, eine zu Finnland gehörende Inselgruppe in der Ostsee, die aber von Schweden bewohnt wird und deshalb bereits seit 90 Jahren sich sehr autonom selbst verwaltet. Die Fähre auf die Inselgruppe ging von Grisslehamn, eine Autostunde nördlich von Stockholm. Die Anreise dorthin konnten und wollten wir natürlich nicht am ersten Abend schaffen, deshalb steuerten wir zunächst Torsö an, eine Insel im Vänern etwa zwei Stunden von Zuhause. Wie herrlich, wenn der Urlaub quasi vor der Haustür anfängt und nicht erst 1000 km Anfahrt und eine Ostseeüberquerung anstehen!

Dort sind wir auf einen wunderschönen kleinen Campingplatz gefahren, der nur zu empfehlen ist, weil er außer einem Plumpsklo und einer Solardusche keine Infrastruktur bietet. Weil es so schön ruhig war – das normalerweise fast unhörbare Pfeifen unseres Gaskühlschrankes erschien uns nach der ersten Nacht unheimlich laut -, weil wir ein wenig Zeit zum durchatmen haben wollten, und weil das Wetter zum Baden einlud, blieben wir gleich noch eine zweite Nacht.

Im strömenden Regen ging es am Sonntag weiter Richtung Westen. Nach einem kurzen Einkaufsstopp in Laxå fuhren wir nach Örebro, das uns immerhin eine kurze Regenpause gönnte. Vermutlich lohnt sich die Stadt mit mehr Ruhe, aber an einem Sonntagnachmittag mit dunklen Regenwolken im Nacken wirkte sie doch etwas trostlos, daran konnte auch das nette Altstadtviertel-Freilichtmuseum Wadköping nicht viel ändern. Auf der Weiterfahrt durch Västerås kamen wir in einen riesigen Stau (unser erster in Schweden!), da die Autobahn aufgrund des Regens gesperrt werden musste. Das war dann auch das spektakulärste, was wir an diesem Tag erlebten.

Unsere Fähre auf die Ålands ging erst am Montagabend, genug Zeit also, um am nächsten Tag einen längeren Stopp im sonnigen und belebteren (Montag eben) Uppsala einzulegen und „im Vorbeigehen“ noch schnell ein spätnachmittägliches Bad zu nehmen, bevor wir auf die Fähre fuhren.

Nach kurzer Überfahrt (<2 Stunden) mit der MS Eckerö von Grisslehamn nach Eckerö kamen wir spät auf den Ålands an, zumal uns die Zeitverschiebung eine Stunde geklaut hatte. Aber dadurch, dass wir uns jetzt ganz westlich in der neuen Zeitzone befanden, war es bis weit nach Mitternacht noch „lesehell“ (ob es überhaupt noch dunkler geworden ist, wissen wir leider nicht, irgendwann muss der Mensch ja auch mal schlafen). Es reichte noch zu einem kurzen Begrüßungstrunk mit Annikas Mutter und Lebensgefährten, die aus der anderen Richtung die Ålands erreicht hatten. (Mehr über deren zweimonatige Reise um die Ostsee: Bonjourelfie.)

(Alle Karten sind von eniro.se.)