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Schülermund IX


Schülerin, 6. Klasse:

– Annika, warum kannst du eigentlich so schnell schwedisch sprechen?
– Oh, war ich zu schnell, soll ichs nochmal langsamer erklären?
– Nee, ich meine… du sprichst ja deutsch und da musst du ja jeden Satz erst mal auf deutsch denken und dann musst du alle Wörter übersetzen und dann musst du die Wörter wieder umstellen, weil… das ist doch bestimmt wie bei Englisch auch, dass man die Wörter irgendwie anders sortieren muss, oder? Und ich finde, das geht bei dir ganz schön schnell.

– Wenn ich wirklich jeden Satz erst einmal auf deutsch denken und dann übersetzen würde, würde das tatsächlich viel zu lange dauern. Stell dir vor, dir fliegt ein Ball entgegen… ich werfe ihr spontan einen Jonglierball zu, der aus methodischen Gründen immer auf meinem Klavier liegt und sie fängt ihn auf... dann denkst du auch nicht erst „Hand heben, Hand aufmachen, zugreifen“ – oder? Du fängst den Ball einfach, bevor du ihn auf die Nase bekommst.

Sie nickt nachdenklich.

– Genauso ist das, wenn ich schwedisch spreche. Ich reagiere auf einen Ball, der auf mich zufliegt und werfe ihn zurück. Oder anders: Ich übersetze nicht die ganze Zeit hin und her, sondern irgendwo in meinem Hirn ist eine Schublade mit allen deutschen Wörtern und eine andere mit allen schwedischen Wörtern. Und wenn ich schwedisch spreche, mache ich die deutsche Schublade gar nicht erst auf.

Was ich der Schülerin gegenüber nicht mehr ausgeführt habe, ist, dass manchmal sehr wohl beide Schubladen offen sind, z.B. wenn ich müde bin oder nach dem zweiten Glas Wein. Dann fallen z.B. so pseudodeutsche Sätze wie „Hängst du mit?“ von „Hänger du med?“ also „Verstehst du, was ich meine?“
Oder auch: „Ich hab so Trainingswerk vom Schwimmen, ich kann meine Arme nicht mehr lüften.“

träningsvärk – Muskelkater (wörtl.: Trainingsschmerzen)
att lyfta – (an)heben


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Wie geht’s?


Gestern war ich zusammen mit dem Lieblingskollegen auf einer Fortbildung, eine gute Autostunde von hier entfernt. Auf der Fahrt entwickelte sich unser Gespräch (wie so oft mit jenem Kollegen) in Richtung „Mentalitätsunterschiede zwischen Deutschen und Schweden“.

Nun sind wir uns einig, dass wir beide vermutlich keine standardtypischen Vertreter unserer jeweiligen Nationen sind (und auch nicht sein wollen) und sich viele unserer Beobachtungen und eigenen Verhaltensmustern nicht auf „typisch deutsch“ bzw. „typisch schwedisch“ herunterbrechen lassen.

Gleichzeitig wohnen Jonas und ich jetzt seit über vier Jahren in Schweden und oft werde ich inzwischen selbst unsicher, wie man bestimmte Situationen in Deutschland hantieren würde und ob meine Erfahrungen, die ich zuletzt im großstädtischen Studenten-und-junge-Akademiker-Milieu gemacht habe, so repräsentativ für „die deutsche Mentalität“ (was auch immer das sein mag) sind.

Gestern landeten der Kollege und ich also bei der Frage, was man bei einer Begrüßung nach dem ersten „Hallo“ oder „Guten Morgen“ sagt und, vor allem, wie man darauf antwortet. Ich erlebe eine schwedische Begrüßung immer als sehr floskelhaft und ritualisiert. Wenn zum Beispiel Person A morgens in den Personalraum kommt und dort sitzt Person B, trinkt Kaffee und blättert gelangweilt in einer Zeitschrift…

[Thema]
A: Hej!
B: Hej!
A: Hur är läget? (Wörtl: Wie ist die Lage?)
B: Bara bra, tack! Själv då? (Wörtl.: Nur gut, danke. Und selbst?)
A: Bra, tack. (Gut, danke.)

An diesem Punkt ist die Konversation entweder beendet, weil A sich ebenfalls mit einem Kaffee und einer Zeitschrift hinsetzt und dann jeder schweigend seinen eigenen Gedanken nachhängt oder einer der beiden führt das Gespräch mit einem belanglosen Thema fort. Mit 98%iger Wahrscheinlichkeit würde es sich dann um die aktuelle Großwetterlage drehen.

Was ich mich jetzt frage: Wie würde sich die gleiche Situation in Deutschland abspielen? A betritt den Raum…

[Variation 1]
A: Hallo!
B: Hallo!
A: Wie geht’s?
B: Gut und selbst?
A: Auch gut, danke.

Hand aufs Herz: Wie oft habt ihr in den letzten 30 Tagen tatsächlich ein solches Gespräch geführt? Und wie oft lief es eher folgendermaßen:

[Variation 2]
A: Hallo!
B: Hallo!
A: Wie geht’s?
B: Och, ich hab ein bisschen Kopfschmerzen und es ist gerade recht viel zu tun. Und heute morgen ist die Spülmaschine kaputt gegangen. Aber sonst ganz gut. Und selbst?
A: So lala… Meine Tochter hat seit gestern Fieber und ausgerechnet heute musste ich morgens das Auto in die Werkstatt bringen, und dann war der Bus auch noch so voll. Und gefrühstückt hab ich auch noch nicht. Aber ansonsten läuft alles.

Dieser Gesprächsverlauf setzt zwei halbwegs kommunikationsfreudige Individuen voraus. Natürlich gibt es auch maulfaule Zeitgenossen:

[Variation 3]
A: Hallo!
B: Hallo!
A: Wie geht’s? (Oder noch kürzer: Und?)
B: Danke. Selbst? (Lies: „Das geht dich gar nichts an.“/ „Ich habe jetzt keine Lust zu reden.“)
A: Auch. (Lies: „Ich habe verstanden, dass du gerade nicht kommunizieren möchtest und respektiere das.“)

Jonas und ich waren uns einig, dass es unter anderem davon abhängt, wie gut man den Gesprächspartner kennt und wie oft man sich trifft, ob das Gespräch eher wie Variation 2 oder eher wie Variation 3 abläuft. Variation 2 spielt sich eher auf der Inhaltsebene ab, Variation 3 eher auf der Beziehungsebene, man ist ein kooperativer Gesprächspartner und passt sich dem Kommunikationsstil des Gegenübers an.

Einig waren wir uns in unserem kleinen Exil-Mikrokosmos aber auch, dass man die Frage „Wie geht’s?“ eigentlich gar nicht unbedingt stellt, wenn man nicht an einer ehrlichen und unter Umständen auch ausführlichen Antwort interessiert ist. Oder?

Zu unterscheiden, ob es sich bei der Frage „Wie geht’s?“ um eine Begrüßungsformel handelt [Variation 3], die ebenso formelhaft weitergeführt wird oder um aufrichtiges Interesse an der Befindlichkeit des Gesprächspartners [Variation 2], dazu gehört schon in vertrauter Umgebung und in der Muttersprache ein gewisses Fingerspitzengefühl.

Eröffnet man ein Gespräch mit einem interesseinduzierten „wie gehts?“ und erhält als Antwort ein knappes „Danke“, dann kann man sich durchaus mal vor den Kopf gestoßen fühlen. Andersherum will man auch nicht immer gleich mit dem gesamten Weltschmerz des Gesprächspartners konfrontiert werden, nur weil man ein flüchtiges „wie geht’s?“ ausgespuckt hat.

Und so vertraut wir inzwischen mit schwedisch als Zweitsprache sind, an solchen Situationen merkt man selbst dann eben doch den Unterschied zur Muttersprache. Gefährlich, denn meistens merken uns die Leute den ausländischen Akzent frühestens nach einigen Sätzen an. Dadurch besteht die Gefahr, wie ein ungehobelter Trampel zu wirken, wenn man die feinen Nuancen der Alltagskommunikation nicht versteht.

Die phrasenhafte Begrüßung, das beherrschen auch schon Kinder. Für gewöhnlich frage ich jeden Schüler zu Beginn einer Unterrichtsstunde, wie „die Lage ist“. Und ich kommuniziere da definitiv auf der Inhaltsebene, denn ich möchte wirklich gerne erfahren, ob der Schüler gerade einen anstrengenden Tag hinter sich hat, ob er die letzten fünf Tage mit Grippe im Bett gelegen hat, oder ob der Hamster gestorben ist, damit ich meine Unterrichtsstunde dementsprechend anpassen kann. Aber meine Schüler beantworten meine Frage zu 99% auf der Beziehungsebene mit „bra, tack“, auch wenn sich dann im Laufe der Stunde herausstellt, dass man sich am Wochenende das Handgelenk verstaucht hat, die Eltern sich gerade scheiden lassen und die letzte Mathearbeit voll in die Hose gegangen ist.

Wenn vom Schüler die Gegenfrage „und selbst?“ kommt, bin ich manchmal versucht, eine Antwort auf der Inhaltsebene zu geben – natürlich auf einem Niveau, das den Schüler nicht überfordert („gut, aber die Heizung in meinem Unterrichtsraum ist heute kaputt, ich friere schon den ganzen Tag“) – einfach um zu signalisieren, dass er mir gegenüber durchaus offen antworten darf. Andererseits frage ich mich, ob das für den Schüler nicht ganz unbehaglich ist, wenn ich aus der ritualisierten Begrüßung ausbreche und ihn mit TMI, too much information konfrontiere. Oder ob das am Ende nicht ganz furchtbar typisch deutsch ist, immer etwas zu meckern zu haben: „Ganz gut, aber…“

Der Lieblingskollege bestand übrigens am Ende unserer metakommunikativen Autofahrt darauf, dass er definitiv eine ehrliche Antwort möchte, wenn er mich morgens fragt, wie’s mir geht. Und ich glaube, das war keine Floskel.


Wie ist das jetzt mit dem „Wie gehts?“ in Deutschland? Je länger ich darüber nachdenke, desto unsicherer werde ich, wie man da in Deutschland kommuniziert. Und ihr, die ihr in Schweden oder auch anderswo im Ausland lebt oder gelebt habt, wie empfindet ihr das? Ich freue mich auf Kommentare!

Einwanderer unter sich


Neulich hatte ich ein lustiges Gespräch mit zwei ungefähr zehn Jahre alten Schülerinnen, die eine stammt aus Vietnam, die andere aus dem Iran und beide sprechen völlig akzentfrei Schwedisch.

– Bist du eigentlich Schwede?
– Ne, ich komme aus Deutschland.
– Echt? Das haben wir gar nicht gemerkt. Wie lange wohnst du denn schon in Schweden?
– Seit gut drei Jahren.
– Wie lustig, genau so lange wie wir. Aber sag mal, warum sprichst du denn dann so gut Schwedisch, man hört ja kaum, dass du nicht aus Schweden bist.
– Und euch hört man es überhaupt nicht an…
– Ja, aber…

Vor’m Frühstück


Auf schwedisch gibt es das schöne Wort morgondopp, wörtlich soviel wie „Eintauchen am Morgen“, aber ein dopp ist auch, wenn man einen Keks in Kaffee tunkt. Und wie ein Keks im Kaffee sauge ich die leckere Morgenluft, das beinahe ohrenbetäubende Gezwitscher, das Knirschen meiner Schuhe auf dem Waldboden und die üppige Blumenpracht überall in mich auf. Auf meinem Weg zum morgondopp.

Wider Erwarten hat es nicht geklirrt, als ich reingesprungen bin.

Warum ich so komisch rede


In diesem Schuljahr werde ich einmal die Woche von meiner Musikschule an die Grundschule im zehn Kilometer entfernten Nachbarort – der Einfachheit halber nenne ich ihn jetzt mal „Bullerbü“ – ausgeliehen um dort Musik im Klassenverband zu unterrichten. Die knapp 80 Schüler der Klassenstufen 0 (Vorschule) bis 6 sind zum Teil in Doppeljahrgängen zusammengefasst, weil die Klassen in Bullerbü sonst zu klein wären. In meiner Doppelklasse 2-3 sind 16 Schüler.

Neulich sang ich mit den Kindern ein Hej!-Lied mit Begrüßungen in vielen verschiedenen Sprachen. Bei der anschließenden In-welchen-Sprachen-könnt-ihr-noch-Hej-sagen?-Runde kamen dann noch ein paar schwedische Dialekte zusammen.

– Emil: „Annika, du sprichst doch auch so nen Dialekt, weil… du bist ja nicht aus Bullerbü. Das weiß ich, weil du ja immer mit dem Auto kommst! Wo wohnst du denn?“

– Ich: „Ich wohne in Mariannelund aber mein Dialekt…“

– Emil: „Wo genau da?“

– Madita: „Ich weiß wo sie wohnt, ich hab sie nämlich mal beim Rasenmähen gesehen!“

– Emil (hartnäckig): „Ja und wo ist das jetzt?“

– Madita: „Direkt neben dem Haus von dem Freund von meiner Oma und der heißt Gunnar. Und Gunnar hat einen blauen Oldtimer! Uuuuhund…“

Alle starren gebannt auf Madita, jetzt kommt was ganz Großes…

– Madita: „Und der Freund von meiner Oma, also der Gunnar, der redet genauso komisch wie Annika. Die reden nämlich alle so in Mariannelund!“

Alle Kinder nicken verständnisvoll: die Frage, warum die Musiklehrerin so „komisch“ redet, wäre damit geklärt. Schließlich wohnt sie eine ganze schwedische Meile weit weg. Und Emils Frage „wo genau“ ist jetzt auch treffsicher beantwortet: neben Gunnar mit dem blauen Oldtimer.

(Ja, Gunnar mit dem blauen Oldtimer ist mein Nachbar und nein, Gunnar ist nicht aus Deutschland. Im Gegenteil – Gunnar gehört hier im Ort zum Urgestein und spricht sehr starken lokalen Dialekt. Dass mein Akzent genauso klingen soll wie sein Dialekt, kann ich mir zwar nur schwer vorstellen, aber ich verstehe das jetzt einfach mal als Kompliment.)

[Alle Personen- und Ortsnamen geändert.]

Von Baby-Elefanten und Bewerbungsgesprächen


Kurz nachdem Annika wusste, dass sie den neuen Job bekommen würde, entdeckte ich eine spannende Anzeige auf der Seite der arbetsförmedlingen: Die dortige Kulturschule suchte zum neuen Schuljahr einen Kontrabasslehrer, Teilzeit und tillsvidare (unbefristet). Zum Glück darf man in Schweden gleichzeitig arbeiten und studieren, was in Deutschland meines Wissens nur eingeschränkt möglich ist, so dass ich mich bedenkenlos bewerben konnte. Als ich einige Tage später bei der Kulturschule anrief, um zu fragen, wie weit denn die Auswahl schon gediehen sei, bekam ich meinen Termin für das Bewerbungsgespräch gleich per Telefon durchgegeben. Zusätzlich sollte noch eine kleine Probeprobe mit einem Ensemble der Schule stattfinden. Meine Freude war natürlich groß, denn zum einen vermisse ich das Kontrabassspiel, zum anderen aber auch, überhaupt unterrichten zu können. Außerdem fände ich es schön, nach dem Studium nicht in das große „Und-was-mache-ich-jetzt?“-Loch zu fallen, sondern zumindest teilweise zu wissen, wie es weitergeht.

Erst einige Wochen später, nachdem ich mir schon Sorgen gemacht hatte, ob ich mich denn jetzt wirklich vorstellen dürfte, bekam ich endlich auch die schriftliche Einladung inklusive der Noten für die Probe.
Gestern war es dann soweit. Das Vorstellungsgespräch verlief ziemlich genau so, wie ich es mir ausgemalt hatte: Eine ziemlich große Kommission – sechs Menschen in unterschiedlichen Funktionen – saß mit mir an einem runden Tisch. Wir redeten über alles mögliche, freundlicher Smalltalk wurde mit jobrelevanten Fragen vermischt. Neben meinen Erfahrungen als Kontrabasslehrer ging es ebenso um mein Studium und Annikas Job; sogar unser VW-Bus wurde zum Thema, denn der Schulleiter träumt anscheinend schon lange von einem Wohnmobil. Als er mich dann fragte, was wir denn im Sommer damit vorhätten, fragte ihn die Geigenlehrerin: »Warum, willst du es dir ausleihen?« Angenehm fand ich übrigens, dass mir ohne Nachfrage mitgeteilt wurde, dass es insgesamt nur drei Bewerbungen auf die Stelle gab – alle Geigen- und Klavierlehrer dürfen jetzt gerne neidisch gucken.

Am Nachmittag war dann die Probe angesetzt: Zuerst stand Henry Mancinis Baby Elephant Walk aus dem Film Hatari! auf dem Programm, gespielt vom Streichorchester der Kulturschule, danach ein klassisches Streichquartett von Johann Georg Distler. Leider waren sie mit dem Zeitplan anscheinend schon ziemlich im Verzug, da man aber die Kinder trotzdem pünktlich wieder entlassen wollte, hatte ich sehr wenig Zeit und konnte keinen wirklich schönen Bogen schlagen. Insgesamt habe ich mich aber nicht ganz schlecht geschlagen, glaube ich.

Nächste Woche wollen sie mir Bescheid geben. Außer dem Kontrabassunterricht könnte ich auch noch andere Aufgaben übernehmen, zum Beispiel E-Bass, Orchester, Band, Vorstellung der Streichinstrumente in Grundschulen, vielleicht sogar etwas Kompositionsunterricht.
Das alles ist sehr spannend, aber jetzt heißt es vorerst Bangen und Hoffen. Andererseits muss ich mir aber auch sagen, dass das mein erstes „echtes“ Bewerbungsgespräch außerhalb einer Hochschule war und dass ich noch ein Jahr Zeit habe, um mich umzugucken und hier und da zu bewerben, bevor mein Studium zu Ende ist. Ich habe also nichts zu verlieren.

Aber trotzdem…

ABIIIII!!!


Alle schriftlichen Prüfungen, die ich seit meinem Abitur absolviert habe, liefen eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab: ich hatte monatelang vorher den Termin und das Thema und schob die Prüfungsvorbereitung je nach Prüfung bis zu drei Wochen oder drei Tage vor der Prüfung vor mir her, natürlich mit wöchentlich schwärzerem Gewissen. Dann folgte eine Phase der intensiven Vorbereitung, in der ich weitgehend auf Schlaf, Essen und soziale Kontakte verzichtete. Die Nacht vor der Prüfung war ich zwar meist so vernünftig nicht mehr zu lernen, geschlafen habe ich aber trotzdem wenig.

Am Prüfungsmorgen war mir dann vor Aufregung (und Schlafmangel) so schlecht, dass an Frühstück nicht zu denken war. Stattdessen hatte ich dann für die Prüfung Fresspakete, die für eine siebentägige Fjällwanderung ausgereicht  hätten.

Die vier- oder fünfstündige Prüfungszeit habe ich dann bis zur letzten Sekunde ausgenutzt um an meinen Texten zu feilen und ohne auch nur einen Bissen zu essen. Nach der Prüfung saß man dann mit den Kurskollegen zusammen und diskutierte über Fragestellung und ob 16 Seiten nicht doch ein bisschen wenig waren um die Geschichte der Schriftentwicklung in ihrer vollen Komplexität zu erörtern. Anschließend folgten einige Wochen des Wartens auf das Ergebnis, dessen Veröffentlichung nochmal fast genauso aufregend war wie die Prüfung selbst.

Die anschließenden Saufgelage, Autokorsos und das steinzeitliche Urgebrüll meiner Klassen- und Studienkameraden habe ich allerdings nie richtig nachvollziehen können, ich Spaßbremse…

Heute hatte ich meine nationale Prüfung in Svenska som andraspråk B. Die Prüfung ist die gleiche wie die, die schwedische Schüler am Ende ihrer Gymnasialzeit ablegen – unabhängig davon, ob ihre Muttersprache Schwedisch oder eine andere Sprache ist. Zwar gibt es unterschiedliche Kurse für Muttersprachler und Nichtmuttersprachler, die Prüfungsaufgaben und -anforderungen sind jedoch schlussendlich die gleichen und werden zentral vom Skolverket herausgegeben.

In dieser Prüfung ging es daher auch nicht mehr um Vokabel- oder Grammatikkenntnisse, sondern vor allem um die Fähigkeit, einen sinnvoll aufgebauten Text zu produzieren – also eine Fähigkeit, die meines Erachtens ziemlich unabhängig von der Frage Fremd- oder Muttersprache ist.

Aus organisatorischen Gründen (dazu demnächst mehr) musste ich meine Prüfung etwas vorziehen, denn der offizielle Prüfungstermin ist eigentlich erst im Mai. Dank des familiären Klimas und der wenigen Schüler an unserem kleinen Ale komvux (Erwachsenengymnasium) war das aber glücklicherweise kein Problem. Mein jetziger Schwedischlehrer hat mich von Anfang an als Kollegin betrachtet, die die gleiche Qualifikation hat, wie er selbst – nur eben in einer anderen Sprache.

Und was soll ich sagen… seit vier Wochen standen Termin und Oberthema meiner „Schwedisch-Abiturprüfung“ fest. Ich bekam ein 20seitiges Heft mit verschiedenen Texten zum Thema „Engagement und Einfluss“, das ich mir gestern Abend durchgelesen habe. Dann habe ich gut geschlafen, normal gefrühstückt und meinen achtseitigen Text über die Frage „Was beeinflusst unser Verhalten mehr: biologische Faktoren oder unsere Umwelt?“ nach zwei statt fünf (möglichen) Stunden abgegeben.

Eine halbe Stunde später erhielt ich per SMS das Ergebnis: „Guter Text und gute Note. Lass dir von Gunilla dein Zeugnis mit MVG ausdrucken. Viele Grüße, S.“

Damit habe ich in sieben Monaten drei Schwedischkurse durchgezogen und darf mit diesem Zeugnis z.B. ohne weitere Sprachprüfung an einer schwedischen Uni studieren.

Seitdem ich im Januar angefangen habe zu arbeiten, habe ich jedoch nicht mehr viel für den Kurs getan. Zuletzt ging es ohnehin nur noch um Literatur- und Sprachgeschichte und kaum noch um den Ausbau von Wortschatz oder Grammatik. Das fand ich persönlich etwas schade, weil Literatur“wissenschaft“ auf Grundkursniveau für mich – gelinde gesagt – sterbenslangweilig war. Umso schöner, dass die Prüfung so herrlich unkompliziert, erfreulich und vor allem: stressfrei! lief. Ganz ohne Mangelernährung und Schlafentzug.