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18. Dezember 2015 – Schwedische Weihnachtstraditionen


Die äußere Sicht auf die eigenen Weihnachtstraditionen hatten wir ja schon, aber was passiert eigentlich, wenn man dann wirklich Weihanchten in einem anderen Land feiern soll/darf/muss… ? Der Schauspieler Will Ferrell ist mit der schwedischen Schauspielerin Viveca Paulin verheiratet und hat wahrscheinlich schon so manchen 24. Dezember in Schweden verbracht. Dabei hat er den Kern des hiesigen Weihnachtsfests durchaus verstanden (Schnapslieder singen und Aquavit trinken), andere Traditionen sind ihm aber offenbar noch nicht so vertraut. Wobei die den Fragen zugrunde liegende Recherche wirklich nicht die beste war: Nein, Schweden stellen keine Kerzen in die Fenster sondern ljusstakar, denn Kerzen könnten ja brennen; ja, in Schweden findet die Bescherung wie in Deutschland am Heiligabend statt; nein, in Lauge gewässerter Stockfisch ist nicht das typsiche Weihnachtsessen, das ist eine norwegische Tradition, Schweden halten sich lieber an Gegrillten Schinken und Janssons (auch wenn im Supermarkt im Moment durchaus einige wenige Pakete lutfisk rumliegen); nein, Gänseblutsuppe (svartsoppa) gehört nicht zu Weihnachten, sondern zu Sankt Martin und ist die logische Vorspeise zu einem Gänsebraten.

Hausgemacht


Ich mag Senf. Und insbesondere mag ich an Senf, dass er so unterschiedlich schmecken kann: Süßer Senf, aromatischer Dijon-Senf oder englischer Senf, der einem die Tränen in die Augen schießen lässt. Glücklicherweise hält jeder schwedische Supermarkt ein breites Angebot verschiedener Senfsorten bereit, und die meisten davon sind wohl kaum im Ausland erhältlich. Einige Sorten habe ich bereits durchprobiert; leider waren nicht alle gleich lecker, weshalb sich in unserem Kühlschrank eine kleine Parade mit angebrochenen Senfgläsern tummelt, die irgendwie nicht leer werden. Andere Sorten habe ich allerdings auch schon mehrfach nachgekauft, wie zum Beispiel den würzigen, grobkörnigen Senf aus Skåne. Mein absoluter Favorit aber ist Nisses Hemlagade Senap (Nisses hausgemachter Senf).

Schwedischer Senf ist eigentlich immer mehr oder weniger süß. Manchmal nennt er sich auch scharf, aber so richtig scharf wird’s nie – außer bei Nisse. Er zieht in die Nase wie frisch geriebener Meerrettich, ist dabei aber süß wie Weißwurstsenf; eine Kombination von richtig scharf und richtig süß, wie ich sie sonst noch nie gegessen habe.

Hausgemachter Senf aus dem Supermarkt? Obwohl ich Nisses Hausmachersenf gerne mag, dachte ich bisher, ein ganz gewöhnliches Massenprodukt vor mir zu haben, wie „Opas Köttbullar“, „Eingelegter Hering nach traditionellem Rezept“ oder „Omas Apfelkuchen“, denn immerhin bekommt man den Senf hier in quasi jedem Supermarkt. Bis ich neulich auf dieses Video stieß:

Als Schüler jobbte Nils „Nisse“ Andersson in einer Imbissbude, wo er lernte, Senf herzustellen. Später bewirtete er dann ein breites Publikum als Platzwart beim lokalen Fußballverein und als er dann seinen eigenen Supermarkt eröffnete wollten die Kunden Nisses Senf auch für zu Hause kaufen. Irgendwann begann er dann mit der Produktion im kleinen Rahmen, aber erst sein Sohn Tommy – der aus dem Video – kaufte eine große Rührmaschine und Abfüllanlage, um größere Mengen herzustellen. Obwohl… größere Mengen? Der Senf wird nach Bedarf produziert und die Jahresmenge beträgt 100.000 bis 150.000 Gläser – viel ist das nicht. Verkauft wird fast ausschließlich in Västra Götaland – und auf die Frage, ob man über eine Erweiterung des Sortiments nachdenkt, antwortet Tommy: »Das ist ja eigentlich nur ein Hobby, ich habe doch auch noch einen richtigen Job.«

3. Dezember 2012 – Zuckerbäckerei


Zu Weihnachten und zum Advent gehört natürlich nicht nur Musik; und auch mit Musik und Essen ist es noch nicht getan. Aber das Zubereiten besonderer Genüsse im Advent und das Verputzen derselben an Weihnachten – und davor und danach – sind in jedem Fall ein wichtiger Teil aller Weihnachtstraditionen.

Wie in Deutschland wird in Schweden zur Weihnachtszeit natürlich viel gebacken: Pepparkakor schmecken ungefähr so wie Spekulatius – nur dass sie nicht in kunstvoll geschnitzten Spekulatiusbrettern geformt werden sondern einfach hauchdünn ausgerollt und dann ausgestochen werden, was sie besonders knusprig macht. Aus dem Backofen gibt es neben weiteren Plätzchen unter anderem noch mjuk pepparkaka, eine Art Gewürzkuchen und vor allem Lussekatter, mit Safran aromatisiertes Hefegebäck.

Neben der Weihnachtsbäckerei finden schwedische Süßmäuler noch weitere Beschäftigungen aus der Weihnachtszuckerbäckerei. Wozu auch den Zucker mit unnötigem Füllmaterial wie Mehl oder Nüssen strecken, wenn schon etwas Sahne als Zusatzstoff reicht, um wunderbare Genüsse zu zaubern. Kein schwedisches Weihnachtskochbuch kommt daher ohne Anleitungen für Knäck (hartes Karamell zum Lutschen), Fudge, Kola (Karamell, dass ungefähr die Konsistenz von Plombenziehern hat), Trüffel, gebrannte Mandeln und andere Leckereien aus.

Da ich mich selbst noch nicht an die echten Klassiker der schwedischen Zuckerbäckerei gewagt habe –  dafür muss man nämlich erst die anscheinend etwas knifflige Kugelprobe zum Testen der Karamellmasse beherrschen -, gibt es jetzt ein einfaches Rezept. Selber ausprobiert und für gut befunden.

Hausgemachtes Snickers

Zutaten:

1 Dose Erdnussbutter (340 g)
4 dl hellen Sirup
2 dl Zucker
2 Teelöffel Vanillezucker
18 dl ungesüßten Puffreis
400 g helle Blockschokolade

  1. Erdnussbutter, Sirup (habe gelesen, dass man den durch ein Gemisch aus Honig und Zuckerrübensirup ersetzen kann), Zucker und Vanillezucker in einem großen Topf vermischen und aufkochen lassen.
  2. Den Puffreis untermengen. Dann die Masse auf ein tiefes, ca. 30×20 cm großes und mit Backpapier ausgelegtes Backblech geben und gleichmäßig verteilen.
  3. Die Blockschokolade überm Wasserbad schmelzen lassen und auf dem Kuchen verteilen. Auskühlen lassen.
  4. Den Kuchen in mundgerechte Stücke schneiden.

Hummerpremiär – zum Ersten, zum Zweiten…


Vor einem Jahr hatten wir hier mal einen Artikel über die Hummerpremiär, also den Saisonstart für die Hummerfischerei. Der erste Fang der Saison ist in bestimmten Kreisen etwas ganz Besonderes und letztes Jahr wurde er bei der Fischauktion in Göteborg zu einem stolzen Kilopreis von 31 600 kr versteigert, was in den nationalen Medien als absoluter Rekordpreis gehyped wurde.
Gestern war wieder Startschuss für den Hummerfang und heute morgen kam dann der erste Hummer unter den Hammer. Und… was soll ich sagen… für den diesjährigen Kilopreis könnten wir knapp drei Jahre lang Essen kaufen. Richtiges Essen meine ich, keinen Hummer. 102 000 Kronen (ca. 12 ooo €) für ein Kilo Hummer. Krank.

Die zweite Kiste Hummer war dann noch läppische 600 Kronen (ca. 70 €) pro Kilo wert. Ein Schnäppchen. Sozusagen.

Luxus ist auch…


…unser Wohnmobil. Nicht, dass unser Bus als solcher besonders luxuriös wäre. Natürlich ist er bequemer als ein Zelt, und die Toilette hat uns auch schon manchen Gang durch den Regen erspart. Aber klassischer Luxus sieht im Wohnmobil sehr anders aus.

Der eigentliche Luxus mit unserem Bus ist ein ganz anderer: Freiheit. Die Möglichkeit, einfach mal am Wochenende abzuhauen und den Alltag zu Hause zu lassen. Und zwar ohne sich vorher große Gedanken über die Reiseorganisation zu machen. Einfach ein paar Klamotten zusammengepackt, WoMo-taugliches Essen eingekauft und fahren, wohin einen die Straße führt. Oder wo nette Freunde aus Deutschland auf einen warten. Zum Beispiel über die Pfingstferien in Dalsland.

Mein erstes Studienjahr ist schon seit ein paar Tagen vorbei, ich hatte also am Freitag keine Verpflichtungen und konnte schon (fast) alles für die Reise vorbereiten. Ziemlich bald nachdem Annika den Laptop zugeklappt hatte – sie kann freitags mittlerweile von zu Hause aus arbeiten – waren wir auf der Straße nach Norden. Gegen acht hatten wir unser Ziel erreicht und warteten auf unsere Freunde.

Am nächsten Morgen gab es dann Frühstück mit verspätetem Geburtstagskuchen für Annika vorm Ferienhaus und…

Dann ging es weiter zu einem Antiquitätenladen. Zu Mittag aßen wir im Holzofen gebackenes Brot mit Butter und Käse im urgemütlichen Café in Hamrane (dazu an anderer Stelle mehr).

Den Abschluss machten dann ein Spaziergang und ein Eis am Vänerstrand.

Am Sonntag war dann das Wetter leider nicht mehr ganz so schön, was uns aber nicht von einem Besuch der Schleusen in Trollhättan abgehalten hat.

Selbst in den heute stillgelegten Schleusentreppen grünt und blüht es überall.

Und jetzt dürft ihr raten, was Annika außer dem Kuchen noch zum Geburtstag bekommen hat.

Fredagsmys und Ljusstake


– „Hast du das Ansökan schon an die Kulturförvaltning geskickat?“
– „Nein, das mach ich nach dem Lunch, ich will jetzt erst Mat lagan.“
– „Was gibt’s denn?“
– „Heimgemachte pannkakor.“

Jonas und ich sind zwar weit davon entfernt, miteinander schwedisch zu sprechen, aber deutsch kann man das Kauderwelsch, das hier manchmal erklingt, auch fast nicht mehr nennen. Eher Schweutsch. Das liegt zum einen daran, dass viele Begriffe, die wir hier im Alltag brauchen, in Deutschland seltener gebraucht haben, (z.B. Dubbdäck), zum anderen dass wir manche Dinge hier erst kennengelernt haben und es keine deutsche Entsprechung gibt oder es irgendwie zu anstengend ist, nach einem deutschen Äquivalent zu suchen.

Ganz schlimm wird die Sprachverwirrung, wenn wir uns in internationaler Gesellschaft befinden. Da bin ich gerade im Gespräch mit einem Schweden (auf schwedisch) und es stößt ein Schweizer Austauschstudent hinzu, der nur wenig Schwedisch kann. Natürlich switchen wir dann auf englisch um, aber eigentlich ist mein Hirn noch im Schwedisch-Modus. Dann geht der Schwede weg, aber irgendwie bleibe ich mit dem Schweizer auf englisch, obwohl wir beide deutsch als Muttersprache haben. Dann kommt eine belgische Austauschstudentin hinzu und quatscht den Schweizer auf französisch an. Aus einem versteckten Winkel meines Hirns melden sich die sterblichen Reste aus meinem Französisch-Leistungskurs und sieben Jahren Schulfranzösisch. O là là! Und wenn dann noch im Vorbeigehen die nette Chinesin grüßt, die weiß, dass ich auch ein paar Brocken ihrer Muttersprache spreche…

Wenn das einen ganzen Abend lang so geht, weiß man irgendwann nicht mehr, welche Sprache man eigentlich gerade hört, geschweige denn in welcher Sprache man selbst antworten oder auch nur denken soll. Irgendwie ist das aber auch sehr lustig, weil es natürlich allen mehr oder weniger genauso geht. Nur Alkohol sollte man an einem solchen Abend nicht trinken, sonst stehen bereits nach einem halben Glas Wein alle Sprachzentren im Hirn gleichzeitig auf und fangen an zu tanzen.

Heute ist Freitag und damit Zeit für fredagsmys, „Freitagsgemütlichkeit“. Aber irgendwie klingt das auf deutsch so gemütlich wie German Gemutlichkeit in the beergarden und Weihnachten bei Familie Hoppenstedt. Fredagsmys hingegen klingt irgendwie… mysigare.
Fredagsmys ist eigentlich eine vergleichsweise neue Erscheinung, die als Begriff erst 2006 Eingang in das schwedische Äquivalent zum Duden gefunden hat. Es markiert das Ende der Arbeitswoche und den Beginn des Wochenendes und in Familien mit arbeitenden Eltern und vielbeschäftigten Kindern ist der Freitagabend eine heilige Zeit, zu der man sich tunlichst nicht verabeden oder jemanden anrufen sollte. So gemütlich die Idee klingt, so sehr scheinen die modernen Rituale sich jedoch hauptsächlich auf einen gemeinsamen Fernsehabend mit viel Chips, Pizza und Cola zu beschränken, zumindest wenn man der furchtbaren Werbung glaubt.

Unser "neuer" Adventsljusstake

Wir haben heute auch Fredagsmys gemacht (ganz ohne Fernsehen und Chips): nachmittags ein Besuch im Second-Hand-Weihnachtsmarkt und anschließende die Wohnung umdekoriert. Endlich haben wir auch einen Adventsljusstake oder kurz Ljusstake für die Fensterbank wie alle unsere Nachbarn! Was das ist? Nun ja, bab.la nennt es ganz prosaisch Kerzenhalter, die Wikipedia gar Armleuchter. Auch Adventskranz trifft die Sache nicht wirklich. Ein Adventsljusstake eben. Und für alle, die beim Lesen dieses Wortes über ihre Zunge stolpern, hier eine kleine Hilfe: „Advents-jüs-stake.“

Und was gabs danach? Hemlagade pannkakor mit Lingonsylt.

Hummerpremiär


Priset sjunker på matkassen (Lebensmittel werden immer günstiger) titelte GP. Aber nur, wenn man den Hummer weglässt (Titelseite Göteborgs Posten vom 27. September 2011).

Der erste Montag nach dem 20. September ist in Schweden ein wichtiger Tag. Ich wusste das bisher auch nicht, aber alle Zeitungen, die Fernsehnachrichten und auch das Radio berichten von einem der wichtigsten Ereignisse im schwedischen kulinarischen Kalender: Der Hummerpremiere. Das strenge schwedische Fischereigesetz erlaubt das Fischen von Hummern nämlich nur zwischen dem ersten Montag nach dem 20. September ab sieben Uhr und dem 30. April. Die einzig erlaubte Fischereimethode ist dabei der Hummerkorb, wobei gewerbliche Fischer 50 davon ausbringen dürfen, Privatpersonen sogar nur 14. Seit Montag wird also dem Hummer aufgelauert, am Dienstag wurde dann der erste Fang eingebracht. Ganze 50 Tiere standen auf der Göteborger Fischauktion zum Kauf bereit und es scheint sehr prestigeträchtig zu sein, diesen ersten Fang in seinen Besitz zu bringen – koste es, was es wolle! Normalerweise liegen schwedische Hummer wohl bei ca. 900 Kronen pro Kilo (ca. 100 Euro); bei der Menge an ungenießbarem Panzer ein ganz schön stolzer Preis, wie ich finde. Beim ersten Hummer geht es aber um mehr als nur den kulinarischen Genuss: Die erste Kiste mit fünf Hummern, die gestern unter den Hammer kam, wurde für 31.600 Kronen (über 3.400 Euro) pro Kilo verkauft. Applaus für den Glücklichen!

Entwicklung der Preise für die ersten Hummer (Göteborgs Posten vom 28. September 2011)

Kommentar des Käufers (Marktchef einer schwedischen Fischgroßhandelskette): „Wir hatten den klaren Auftrag von unseren Kunden, unbedingt die Ersten zu sein. Der Erste ist immer der beste. Man kann darüber streiten, ob die erste Kiste wirklich besser schmeckt, aber es ist einfach wichtig, Erster zu sein.“

Am Ende des Regenbogens gibt’s Eis mit Plätzchenteiggeschmack


Böse Zungen haben ja schon behauptet, Brevlåda gebe es nur, damit wir die Daheimgebliebenen in Deutschland neidisch machen könnten. Natürlich ist dem nicht so, aber ist der Ruf erst mal ruiniert… Deswegen wollen wir heute all denjenigen eine Freude machen, die ebenso wie wir finden, dass es eine großartige Idee ist, eine Eissorte in der Geschmacksrichtung „roher Plätzchenteig“ herzustellen. Dabei ist uns auch völlig gleichgültig, dass heute der Tag der Herbsttagundnachtgleiche und die Eissaison damit eigentlich vorüber ist.

Hier in unserem örtlichen Tante-Emma-Supermarkt gibt es vier Eistheken. Drei mit dem üblichen Vanille-Schoko-Erdbeer-Sortiment:

Und dann gibt es diese hier mit den ganz unanständigen Sorten :-D:

Und wenn wir gerade dabei sind: Haben wir schon erwähnt, dass wir am Ende des Regenbogens wohnen?

Na, neidisch geworden? Dann hilft nur eins: Kommt vorbei!

Maestro – Schweden sucht den Superdirigenten


Vor ein paar Tagen haben wir mal spaßeshalber unseren Fernseher in die vorhandenen Steckdosen eingestöpselt, uns aber eigentlich nicht viel davon versprochen. Doch siehe da, wir haben tatsächlich ein paar Programme, welche die Telia, das schwedische Pendant zur Telekom, uns anscheinend kostenlos zur Verfügung stellt. Dazu zählen SVT 1 und SVT 2, die als staatliche Sender vom Status her vergleichbar sind mit ARD und ZDF. Außerdem gibt es einen Sender, der den ganzen Tag ausschließlich Opern- und Konzertmitschnitte zeigt, einen Kinderkanal und zwei oder drei weitere Sender, deren Programmschwerpunkte sich uns noch nicht vollständig offenbart haben, weil jeder einzelne sich irgendwo zwischen Pro 7, Discovery Channel und arte bewegt. Ach ja, und wir haben Eurosport. Danke dafür…

Die Öffentlich-Rechtlichen: Nachrichten und Dokus

Auffällig ist, dass es auf allen diesen Sendern kaum Spielfilme gibt, weder schwedische noch internationale, die scheinen auf anderen Programmen zu laufen. Dafür gibt es gefühlt 30 Minuten pro Stunde irgendwelche Nachrichten: lokale, regionale, nationale, Wetter-, Sport-, Promi- und Kulturnachrichten. Wenig Börse, wenig Internationales. Auch amerikanische Serien, Seifenopern, oder Talkshows (sowohl „Anne Will“ als auch Krawalltalk) muss man auf unseren Sendern lange suchen. Dafür gibt es „Wer weiß am meisten?“, das Sendungskonzept wird im Untertitel mit frågesport umschrieben.
(Klammer auf: Bevor hier ein falscher Verdacht aufkommt: nein, wir sitzen nicht den ganzen Tag vor der Kiste, sondern ich beziehe mein wohlrecherchiertes Halbwissen gerade überwiegend aus dem Studium der Homepage von SVT :-) Klammer zu.)

Und es gibt Unmengen von schwedischen, englischen und amerikanischen Reportagen über menschliche Einzelschicksale, schwedische Geschichte, fremde Landschaften, Länder, Kulturen und Tierwelten sowie massenweise Magazine zu den Themen Gartenpflege, Inneneinrichtung und Essenszubereitung. Und: Maestro.

Chorleitungsunterricht als Bildungsfernsehen für die breite Masse

Maestro ist irgendwas zwischen „Deutschland sucht den Superstar“ für Promis und meinen ersten Semestern Dirigierunterricht. Das Konzept ist schlicht: sechs schwedische Prominente – eine Comedienne, eine Popsängerin, eine Kinderbuchautorin, ein Nachrichtensprecher vom Typ „Ulrich Wickert“, ein Kampfsportler und ein Schauspieler (ich kannte sie allesamt nicht) – werden innerhalb von sechs Wochen zu Dirigenten „ausgebildet“ und am Ende jeder Woche schickt eine Jury den oder die Schlechteste nach Hause. Vom ersten Teil haben wir nur die letzten Minuten gesehen, aber uns schon köstlich amüsiert. Heute war Teil 2: Chorleitung. Die komplette Folge kann man sich auf SVT.se drei Wochen lang online anschauen (ist auch ohne Schwedischkenntnisse über weite Strecken unterhaltsam).

Zu Beginn der Woche erhielt jeder Kandidat ein anspruchsvolles Chorstück, welches am Ende der Woche mit dem Schwedischen Rundfunkchor aufgeführt werden sollte. Dazu der Moderator: „Ich will euch nicht nervös machen, aber das ist der beste Chor der Welt.“ (Das ist tatsächlich keine Übertreibung, der Chor wurde über 30 Jahre lang von Eric Ericson, dem Chorleiter schlechthin geleitet.) Die Kamera begleitete die Kandidaten dann die Woche über, wie sie Unterricht in Schlagtechnik, Stimmbildung, Körperschulung und Rhythmik bei Professoren an der Königlichen Musikhochschule in Stockholm erhielten. Und ich war ernsthaft überrascht, wieviele Elemente daraus ich in meinem Studium tatsächlich auch so erlebt habe. Zum Beispiel im Wasser zu dirigieren, um das „Wedeln“ zu verlieren und ein Gefühl für Klanggewicht zu bekommen. (Auch wenn ich manchmal dachte „gut, dass jetzt kein Außenstehender zuschaut“, wenn ich in chorischer Stimmbildung mit der Zunge am linken oberen Backenzahn auf einem Bein stehend mit den Armen fuchtelnd Vibratoübungen gemacht habe). Als „Probenopfer“ wurden Schul- und Kirchenchöre herangezogen, die die Stücke ohne störenden Möchtegern-Dirigenten wahrscheinlich genauso oder besser gesungen hätten. Aber egal. Großartig war dann die zweite Hälfte dieser Doku (ab Min. 34:30), als schließlich der Rundfunkchor dirigiert wurde. Gnadenlos ehrlich hat dieser Chor jeden Wedler der Kandidaten 1:1 umgesetzt, einschließlich unfreiwilliger Crescendi, Tempo- und Taktwechsel. So gelacht haben wir selten.

In der Jury saßen eine Chorleitungsprofessorin, der königliche Hoforganist sowie ein weiterer Chorleiter. Die Beurteilungen fielen – wie nicht anders zu erwarten – bei allen Kandidaten freundlich und zurückhaltend aus: „Ich glaube, sie hatte ein wenig Schwierigkeiten, das Tempo zu halten“, so eine Sängerin über die Kandidatin ab 37:15. Und den Profis hat man den Drang, während des Stücks zu lachen, wirklich fast nicht angesehen.

Singender Thaiboxer mit Fremdschämfaktor – aber kein Dieter Bohlen

Insgesamt fand ich diese Sendung jedoch trotz des hochtrabenden Titels erfreulich realitätsnah. Man hätte auch ein „Best of“ der peinlichsten Augenblicke der Woche daraus machen können (z.B. den singenden Thaiboxer in Endlosschleife) und eine misanthropische Jury hinsetzen können, die sich am liebsten selbst im Mittelpunkt sieht. Aber gar nicht. Vielmehr hat das schwedische Fernsehen hier auf eine unterhaltsame Weise gezeigt, wie an Musikhochschulen tatsächlich unterrichtet wird – zumindest manchmal. Auch wenn es natürlich lächerlich ist, dass in der Mensa eine Orgel steht, bzw. im Orgelsaal das Mittagessen serviert wird (ca. Min. 13:00). Das gibts noch nicht mal in Schweden…

Landesteile, Läns und Landschaften


So wie manche Menschen sich stundenlang Bildbände mit italienischen Malern anschauen oder sich in einen Krimi vertiefen können, so kann ich mir Landkarten angucken. Ich finde es spannend, Städte, Flussläufe und Gebirge auf topografischen Karten zu entdecken und mir fiktive Wanderrouten zurechtzulegen, aus thematischen Karten Bevölkerungsdichte und Bodenschätze herauszulesen oder anhand historischer Karten Veränderungen von Landesgrenzen und Küstenlinien nachzuvollziehen. Deshalb habe ich seit gestern eine neue Lieblingswebsite: Sveriges Nationalatlas. Dort gibt es gut 4800 verschiedene thematische Karten von ganz Schweden sowie einzelnen Regionen. Natürlich finden sich hier Klassiker wie Wahlergebnisse nach Regionen oder Arbeitslosigkeitsverteilung, aber auch die Dichte von Amateurorchestern oder die Verteilung finnischer Touristen im Jahr 1990 kann man sich hier anzeigen lassen.

Nutzen wir also die Gelegenheit, um uns Schweden mal etwas genauer anzuschauen: Von der Südspitze Schwedens, Smygehuk, bis zum nördlichsten Punkt, dem Dreiländereck Schweden/Norwegen/Finnland (Treriksröset)  sind es rund 1570 km. Damit würde Schweden, klappte man es an der Südspitze um, nicht wie häufig kolportiert, bis Sizilien reichen, sondern nur bis knapp hinter Rom. (Dieser Irrtum resultiert aus der Mercatorprojektion, auf die viele von uns während langweiliger Erkundestunden gestarrt haben und die die Flächen zu den Polen hin vergrößert. Aber genug kluggesch…).

Wenn man Schweden ganz grob unterteilen möchte, so gibt es drei Landesteile (landsdelar): Norrland, Svealand und Götaland. Diese Unterteilung hat keinerlei politische Bedeutung, auffällig ist jedoch, dass weit mehr als die Hälfte der Fläche Schwedens Norrland zugerechnet wird. Gleichzeitig wohnt hier nur rund ein neuntel aller Schweden. Damit hat Norrland eine Bevölkerungsdichte von rund 4,5 Einwohnern pro km². Das ist jedoch nur ein Durchschnittswert, denn natürlich konzentriert sich die Bevölkerung an der Küste und den wenigen größeren Städten. Je weiter man nach Süden und/oder an die Küsten kommt, desto dichter besiedelt ist Schweden; allerdings ist es mit einer Einwohnerdichte von ca 21 Einw./km² auf ganz Schweden gerechnet immer noch ein relativ leeres Land (vgl. Deutschland: 229/km²).

Die nächstkleinere Gliederungsebene Schwedens sind die Läns, ein Begriff der mit dem deutschen Wort Lehen verwandt ist. Die 21 Läns sind politisch relevant und ansatzweise vergleichbar mit den deutschen Bundesländern.

Nicht zu verwechseln mit den Läns sind die Landschaften (landskap), die zwar keine politische Relevanz (mehr) haben, die einem aber häufig im Alltag begegnen. Vielleicht hat sich ja beim Betrachten der zweiten Karte schon der eine oder andere gefragt, wo denn die bei vielen Deutschen so bekannten und beliebten Regionen wie Småland, Bohuslän, Dalsland oder Lappland liegen.

Die heutigen Läns sind in Namen und Grenzen den 25 historischen Provinzen zwar nicht unähnlich, aber etwas prosaischer, zumindest was die Namen angeht. Kein Kleines Land mehr (Småland), kein Land der Täler (Dalsland) und kein Land der Lappen (die korrekterweise Sami heißen). Stattdessen flächendeckender Nordboden (Norrbotten). Südlich davon liegt der Westboden Västerbotten, dessen östlicher Bruder Österbotten in seiner historischen Ausdehnung große Teile des heutigen Finnlands umfasste. Die heutige Verwaltungseinheit in Finnland (ja, wirklich: lääni) gleichen Namens ist weitaus kleiner. Aber ich schweife ab. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass jede Landskap jeweils ein eigenes Landschaftstier, einen Landschaftsfisch (jaja, die Schweden sind ein Volk von Anglern), einen Landschaftsvogel und eine Landschaftspflanze hat. Außerdem ein Landschaftsgericht, -insekt, – moos, -pilz, -sternbild, -gestein, -chemisches Element und einen Landschaftsapfel.

In unserem Fall Västergötland wären dies:

Landschaftstier: Kranich
Landschaftsfisch: Quappe (hat nichts mit Fröschen zu tun)
Landschaftsvogel: Kranich (sehr ökonomisch: Tier = Vogel)
Landschaftspflanze: Besenheide
Landschaftsgericht: Schweinefilet mit Pfifferling- und Kohlrabisauce (alternativ auch: Grynkorv, eine Art Kartoffelwurst oder Elchfilet mit Zimt und schwarzer Johannisbeersauce)
Landschaftsinsekt: Lungenenzian-Ameisenbläuling
Landschaftsmoos: Abietinella abietina (übrigens auch Moos des Jahres 2011! oha…)
Landschaftspilz: Granatroter Saftling
Landschaftssternbild: Schlangenträger
Landschaftsgestein: Plateaudiabas (den gibt’s übrigens auch bei Jonas im Sauerland)
Landschaftselement: Uran
Landschaftsapfel: Kavlås (benannt nach dem Herrenhaus Kavlås).

(Quelle: Wikipedia… was auch sonst)

Puh…! Was das alles miteinander zu tun hat? Keine Ahnung. Aber vielleicht weiß es ja eine/r unserer Leser(innen)… Wir können ja ein Preisausschreiben daraus machen: Wer aus dieser Liste eine spannende oder lustige Geschichte bastelt und sie uns schickt, dessen Œuvre wird hier veröffentlicht. Wir sind gespannt! (Einsendeschluss ist, wenn unser Countdown auf Null steht.)