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Zwischen Wollen und Sollen


Gerade haben wir eine Woche Herbst“ferien“ hinter uns. „Ferien“ in Anführungszeichen, weil die Schüler zwar Ferien, wir Lehrer aber Fortbildungstage haben. Da ich ja gerade Teilzeitstudent an der Musikhochschule in Ingesund/Arvika im Fach Orchesterleitung bin, passte es ganz gut, dass das zweite von insgesamt fünf Wochenendseminaren an diesem Wochenende lag, dieses Mal in Mjölby, denn im Anschluss an die zwei Tage Kurswochenende fand gleich noch das zweitägige Symposium für Leiter von Jugendorchestern statt.

Auch diesmal konnten unsere Dozenten und Kurskollegen aus Norwegen nur via Zoom teilnehmen, was zu teilweise absurden Unterrichtssituationen führte. An Vorlesungen und Seminare vor dem Bildschirm haben wir uns ja alle inzwischen gewöhnt, aber ein Orchester aus einem Ipad zu dirigieren ist eben doch für alle Beteiligten irgendwie… meeeh.

Ganz klein: Der Kurskollege im iPad dirigiert uns aus Norwegen, daneben sitzt unser Kursleiter.

Aber das war eigentlich nur ein Randphänomen dieser vier Tage. Aus Gründen war dieses Jahr die Teilnehmerzahl des Symposiums auf 40 begrenzt, in einem Saal für über 400 Personen, und man merkte, wie ausgehungert alle waren, endlich mal wieder spielen zu dürfen.

Beim Symposium mit Masterclass waren wir ein paar mehr Teilnehmer – endlich mal wieder ein richtiges Orchester.

Beim Spielen waren alle durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt, plus 1,5m Abstand. Auch das drumherum – Hotel, Mahlzeiten, Kaffeepausen – war alles richtig toll coronamäßig organisiert, sodass man nie jemandem zu nah kommen musste, und alle fünf Meter stolperte man über Handdesinfektionsmittel.

An der Hotelrezeption: „Dippe deinen Finger (in Desinfektionsmittel), bevor du deinen Code eingibst!“

Am Ende der vier Tage fühlte man sich in Ideen mariniert und hatte so richtig Motivation für die Orchesterarbeit getankt. Und sowieso und überhaupt war die Welt mal für ein paar Tage in Ordnung, auch weil man vier Tage lang keine Zeit, Lust und Gelegenheit hatte, ins Handy zu gucken um die Nachrichtenlage zu checken, sondern einfach mal einer Bubble der Glückseligkeit leben durfte.

Zwei Tage später, am Donnerstag, wurden für fünf Regionen Schwedens „verschärfte Empfehlungen“ verkündet.

Nun hat es Schweden ja bekanntermaßen nicht so mit Verboten und gesetzlich verankerten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, dennoch haben die „Empfehlungen“ der Folkhälsomyndigheten denselben Stellenwert einer deutschen Verordnung – mit dem kleinen Unterschied, dass man nicht belangt werden kann, wenn man dagegen verstößt. In Schweden regelt das die Selbstkontrolle, bzw. die soziale Angst davor, aus der Reihe zu tanzen.

Die „verschärften Empfehlungen“ die jetzt also in Stockholm, Västra Götaland, Skåne, Uppland und Östergötland und damit für rund 6 der 10 Millionen Einwohner Schwedens gelten, umfassen unter anderem:

  • Vermeiden von Aufenthalt in geschlossenen Räumen wie z.B. Geschäfte, Einkaufszentren, Bibliotheken, Museen, Theater, Bibliotheken, Schwimmhallen und Fitnesscentern. Ausgenommen sind Supermärkte und Apotheken.
  • Keine Teilnahme an Konferenzen, Vorstellungen, Konzerten, Training oder Wettkämpfen. Ausgenommen ist Training für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren sowie Profisport.
  • Keine Feste und sozialen Kontakte mit Menschen außerhalb des eigenen Haushalts.

Im Vergleich zu wie es in Schweden im Frühjahr war, wo nur Abstand halten, Händewaschen und bei Symptomen zuhause bleiben kommuniziert wurden, sind das jetzt deutlich schärfere Maßnahmen und glaube ich ziemlich ähnlich mit dem, was ab Montag auch in Deutschland gilt. Abgesehen davon dass niemand wegen Verstößen bestraft werden kann.

Als Betriebsrat wurde Jonas gestern zu einer außerordentlichen Zoomkonferenz einbestellt, um zu diskutieren, was das jetzt für uns an der Kulturschule heißt. Da wir dem Selbstverständnis nach mehr Schule als Freizeitaktivität sind, wird der Unterricht weiterhin stattfinden, allerdings keine Konzerte, Schüler dürfen sich nicht mehr in den Korridoren aufhalten, Eltern sollen draußen warten. Was für die Orchester gilt, werden unsere Chefs im Einzelfall beurteilen. Hmpf.

Freitagmorgen war ich noch das letzte Mal beim Schwimmtraining, um 12:00 sollte die Schwimmhalle für die Öffentlichkeit dicht machen. Wir waren noch zu dritt. Jeder hatte drei Bahnen für sich. Yeah.

Leere Umkleidekabine morgens um 6:20, bevor um 12:00 alle Schwimmbäder dicht machen müssen.

Morgondopp


Seit Oktober gehöre ich zu den extremen Frühaufstehern. Ok, nur einmal die Woche und als ich noch zur Schule ging, wäre 6:10 schon fast „ausschlafen“ gewesen, aber trotzdem. 6.10 Uhr, das ist definitiv vor dem Aufwachen.

Als Angestellte der Kommune können wir diverse Vergünstigungen und Angebote wahrnehmen, die unter dem Stichwort „friskvård“ – wörtlich: „Gesundheitspflege“ – zusammengefasst werden. Darunter finden sich Opernbesuche, Eintritt in Gartenmessen, Kneipenquizabende oder medizinische Fußpflege, aber natürlich auch jede Menge mehr oder weniger sportliche Angebote von Fitnesscenter über Skiausfahrten bis Yogakloster, jeder wie er mag. Auch eine kostenlose Jahreskarte für sämtliche Schwimm- und Spaßbäder der Kommune gehört dazu, Sauna inklusive.

Da ich meinen Plan „ich höre nicht auf, täglich im See zu baden, bis er zufriert“, den ich jeden Sommer fasse, traditionell im September auf „… zweimal die Woche…“ reduziere und spätestens im Oktober endgültig verwerfe, ist so eine Jahreskarte zumindest von Oktober bis Mai eine feine Sache.

Zusätzlich zur Jahreskarte werden auch Schwimmkurse zu sehr moderaten Preisen angeboten und so habe ich mich im Herbst mal spaßeshalber für „Kraulen für Fortgeschrittene“ angemeldet und nach Weihnachten gleich den Anschlusskurs gebucht. Da ja der soziale Aspekt nicht zu kurz kommen darf, war neben den 10x40min Trainingseinheiten auch jeweils das Frühstücksbuffet nach dem Training im Schwimmbadcafé in den 20 Euro Kursgebühr inbegriffen. So billig kann ich kaum zu Hause frühstücken, geschweige denn mich vorher einen knappen Kilometer professionell durchs Wasser scheuchen lassen.

Da der gemeine kommunale Angestellte zwischen 8 und 9 irgendwann wieder an seinem Schreibtisch sitzen, vor seiner Klasse stehen oder seine Kehrmaschine durch die Stadt lenken muss, beginnt der Kurs bereits um 6.45 Uhr, das ist mitten in der Nacht. Oder war es zumindest bis letzte Woche. Denn als ich heute um zwanzig nach sechs aus dem Haus ging, war es draußen nicht mehr schwarz, sondern schon dunkelblau. Und während ich so meine Bahnen abzählte, färbte sich der Himmel allmählich knallerosa. Das Schwimmbad ist zu drei Seiten hin verglast. Fast – aber nur fast – ein Ersatz für meinen Morgondopp im See. Bald wieder…