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Schotterwege und Begegnungen


Ein Grund, warum man in Schweden auf Landstraßen nur so langsam vorankommt, ist  – neben der Rücksicht auf querende Elche – die Tatsache, dass da immer so lustige handgemalte Schilder am Straßenrand stehen, die einen vom rechten Weg abbringen. Da steht dann zum Beispiel Loppis, Second Hand, Antik, Hantverk oder Konst drauf, manchmal auch Gårdsbutik, Specialiteter oder schlicht Sommarcafé.

Kaum sind wir gestern die Schotterpiste von den Osterglocken zurückgefahren und wieder auf der asphaltierten Straße, weckt ein Schild mit der Aufschrift Skogsateljé/Gårdsbutik unsere Aufmerksamkeit. Waldatelier in Kombination mit Hofladen? Keine Ahnung, was uns da erwartet, aber klingt nett. Zwar wollen wir noch weiter zum Boråser Frühlingsmarkt, aber hej, der ist ja noch den ganzen Nachmittag und solange kein Loppis dabei ist, sind Hofläden ja meist eine überschaubare Sache.

Wir fahren also zwei Kilometer weiter Richtung Gislaved anstatt zurück nach Borås und biegen dann wieder in einen geschotterten Waldweg ein. Nach wenigen Minuten taucht ein idyllischer Hof in Bullerbüoptik auf (wie gesagt, wir sind ja auch schon fast in Småland): links Bienenstöcke, rechts ein rotes Häuschen mit zwei Parkplätzen und eine Wiese mit Metallskulpturen, weiter hinten ein kleines Gehege mit Hühnern. Ein Katze nimmt sofort unsere warme Motorhaube in Beschlag.
In dem kleinen Laden erwarten uns unter anderem frischgelegte Eier, hausgemachter Honig, Fruchtsäfte aus der Region und diverses Zubehör zum Brotbacken sowie ein größeres Sortiment an Duschgels, Kosmetika und Müsliriegeln, wie man sie aus deutschen Reformhäusern kennt und die ich hier in Schweden noch nie gesehen habe. Die Besitzerin des Ladens begrüßt uns freundlich und fragt, wie wir hergefunden haben. Ein nettes Gespräch entwickelt sich und mein geschultes Ohr erkennt den Akzent, den die Frau spricht – es ist der gleiche wie unserer. Daher also auch Demeter und Co.

Wir outen uns als Landsleute und führen das Gespräch auf Deutsch weiter. Für mich ist sie die erste Deutsche seit langem, die ich in Schweden treffe und es ist anfangs total seltsam, mit jemand anderem als mit Jonas Deutsch zu sprechen.

Meine Kollegen waren mal total verwundert, als ich erzählte, dass wir kaum deutsche Freunde in Schweden haben und auch nicht gezielt danach suchen. Aber ebensowenig, wie ich auf die Idee käme, Menschen aufgrund ihrer Herkunft abzulehnen, ebensowenig suche ich mir meine Freunde nach ihrer Nationalität aus. Wenn ich Menschen sympathisch finde und/oder wir gleiche Interessen haben, wie z.B. Musik, die Bloggerei oder Fotografie, dann sind das Gründe, den Kontakt zu suchen und zu pflegen – aber nicht die Frage, ob auf dem Pass ein Bundesadler oder drei Kronen sind.

Aber zurück in den kleinen Hofladen. Einen kurzen Augenblick schießt mir die Frage durch den Kopf, ob ich sie jetzt siezen sollte, weil wir ja jetzt deutsch sprechen, aber im gleichen Augenblick verwerfe ich den Gedanken wieder, es wäre irgendwie lächerlich. Wir bleiben also beim schwedischen Du, obwohl wir deutsch sprechen.

Alexandra führt uns in ihr Atelier und erfreulicherweise erwarten uns dort weder Osterglockenaquarelle noch Bullerbükitsch mit Elchen und blaugelben Fahnen, sondern „einfach nur“ tolle Bilder. Sie ist ausgebildete Kunsttherapeutin und Künstlerin und wie es der Zufall so will, wird demnächst just in unserer Stadtteilbibliothek eine Ausstellung mit ihren Bildern eröffnet. Schweden ist halt auch nur ein Dorf.

Während heute ausnahmsweise Jonas mit der Kamera herumzieht (ich hab ja zwei Krücken in der Hand) verquatsche ich mich mit Alexandra. Als draußen der angekündigte Regen losgeht, schmeißt sie den gusseisernen Ofen an und setzt Teewasser auf. Eine halbe Stunde später stößt eine Freundin von Alexandra hinzu, ebenfalls Deutsche. Irgendwann nach drei oder vier Stunden merken wir, wie die Zeit gerannt ist, aber niemanden scheint das so wirklich zu stören, im Gegenteil.

Zum Vergrößern die Bilder anklicken.

Den Boråser Frühlingsmarkt können wir jetzt zwar vergessen, aber hej, der ist ja morgen auch noch. Stattdessen verdanken wir dem langsamen Vorwärtskommen auf den schwedischen Straßen mal wieder einen unvergesslichen Nachmittag und eine wundervolle neue Bekanntschaft, die wir bestimmt nicht zum letzten Mal getroffen haben.

Im Sommer wird Alexandra übrigens ein weiteres Schild an die Straße hängen: Sommarcafé. Wer dann nicht in den schmalen Schotterweg einbiegt, ist wirklich selbst schuld.

Alexandras Skogsateljé: Klick.

Ikea, Datenschutz, Plätzchen, Trödel


Wenn man an einem Samstagnachmittag in den Weihnachtsferien im größeren der beiden Göteborger Ikeas einen Kollegen aus Jonas Musikschule trifft und gemeinsam Köttbullar mit Preiselbeeren isst, ist man dann angekommen?

Wir haben jetzt Deckenlampen für alle Zimmer.  Im Gegensatz zum Internet. Das dauert noch, wir haben unseren Internet-Stick mal vorsichtshalber für eine Woche aufgeladen. Es liegt aber anscheinend nicht an Telia (was unser erster Verdacht war), sondern vermutlich an einer alten Steckdose, die nicht mehr so tut wie sie soll. Nächste Woche kommt ein Tele-TubbyTechniker.

Rein formell war der Umzug übrigens ein Klacks – von unserem Internetproblem mal abgesehen. Ganz bequem konnten wir uns mit unserem schwedischen elektronischen Personalausweis und einem Kartenlesegerät auf der Homepage des Finanzamtes ausweisen (das hier die Funktion des Einwohnermeldeamtes erfüllt) und unsere Adresse online ändern. Das Skatteverket informiert dann auch automatisch alle anderen Behörden über unsere neue Adresse: Krankenkasse, Rentenkasse, Ausländerbehörde und was sonst noch so überlebenswichtig ist. Darüber hinaus konnte man am Ende der Prozedur noch in einer Liste freiwillig ankreuzen, welche Firmen und Organisationen sonst noch so über die neue Adresse informiert werden sollten. Diese Liste umfasste wohl über hundert Posten, angefangen bei Banken, Mieterbund und Gewerkschaften, über Greenpeace und Jugendherbergsverband bis hin zu Lokalzeitungen und Fitnessstudios. Praktisch, oder? Und jetzt kommt mir nicht mit Datenschutz – Adresse, Geburtsdatum und Familienstand kann man eh im Internet nachgucken. (Und damit meine ich nicht unseren Blog.) Gegen einen geringen Aufpreis kann sich auch jeder meinen letzten Steuerbescheid ansehen.
[Mehr dazu: Der hellerleuchtete Bürger]

Um nochmal auf unsere Lampen zurückzukommen: natürlich haben wir auch hier in einigen Fenstern kleine Lämpchen stehen, sodass hier jeder reingucken könnte. Allerdings reichen unsere Fensterbrettlämpchen bei weitem noch nicht für alle Fenster, aber das ist kein Fall fürs Möbelhaus, sondern für die zahlreichen Antik- und Trödelmärkte hier in der Umgebung.

Apropå Trödelmärkte: einer meiner zukünftigen Kollegen hat mich am Freitag auf eine kleine Spritztour durch die Gegend ausgeführt. Ich kenne jetzt zumindest schonmal alle Kirchen (wichtig für Musiker), Badplätze (wichtig im Sommer), Hofläden (wichtig für Ziegenkäseliebhaber), und Trödelmärkte und Auktionsscheunen (immer wichtig) im Umkreis von 20 Kilometern. Anschließend haben wir ihn beim Fika (unser erster schwedischer Gast im neuen Heim!) in die Geheimnisse deutscher Weihnachtsplätzchenkultur eingeweiht. Unsere Mütter waren wie immer sehr fleißig und wahrscheinlich reichen unsere Vorräte noch bis Ostern.

Das Ankommen geht also insgesamt in großen Schritten voran und uns wurde bereits prophezeit, dass wir bald nicht mehr in Ruhe im örtlichen Supermarkt einkaufen werden können, weil die Musikschullehrer hier sehr präsent im öffentlichen Leben sind. Naja, wenn’s uns zuviel wird, treffen wir uns dann am Samstagnachmittag alle incognito im Ikea.

Pryl!


Irgendwann kommt die Zeit, wenn Gegenstände nicht mehr zu gebrauchen sind. Und was mit diesen passiert – dazu habe ich eine Theorie: Ich glaube nämlich nicht, das diese Dinge einfach in den Müll wandern. Ich glaube, dass sie in irgendeinem Haus liegen bleiben, bis es verkauft wird oder bis die Bewohner gestorben sind. Dann kommen nämlich die Wohnungsentrümpler und machen eine Haushaltsauflösung und nehmen alles mit, was sie kriegen können. Diese Wohnungsentrümpler veranstalten dann in regelmäßigen Abständen Auktionen, bei denen sie alle diese Dinge versteigern – dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Da die Wohnungsentrümpler aber wissen, dass ein Großteil ihres Angebots aus Schrott oder zumindest aus nicht besonders attraktiven Waren besteht, stellen sie kleine Plastikkisten zusammen, in denen immer ganz viel Unsinn und ein attraktiver Gegenstand liegen. Und wenn man dann eine bestimmte Vase haben will, dann bekommt man halt noch vier andere Vasen dazu. Denn sie wollen ja alles loswerden, Platz schaffen für die nächste Wohnungsauflösung. Vieles findet so einen neuen Besitzer, aber manchmal hilft einfach alles nichts, manchmal meldet sich einfach niemand. Aber zum Glück gibt es auf diesen Auktionen immer einige Stammkunden, die nicht nej sagen können. Diese werden dann vom Auktionator direkt angesprochen und nehmen die Kiste dann widerwillig mit.

Ich glaube nun, dass diese Leute, die die Auktion mit einem Haufen unnötigem Krempel verlassen, große Scheunen besitzen. Denn in Schweden gibt es viel mehr große Scheunen, als es aktive Bauernhöfe gibt. Und in diese Scheunen kommt dann das, was wirklich keiner mehr haben will, was einfach nur noch nutzlos ist. Ich glaube, in Schweden gibt es ganz viele Scheunen, die als Endlager für Dinge dienen. Aber wer weiß, vielleicht kommt ja einer der Besitzer eines Tages auf die Idee, dass da vielleicht doch noch etwas von Wert sein könnte. Dann macht er am Wochenende die Tore seiner Scheune auf und stellt ein Tischchen mit einer Kasse hinein, hängt ein Schild mit Antik oder Loppis an die Straße und setzt die Kaffeekanne auf den Herd.

Dieses Exemplar einer Antikscheune steht übrigens in der Nähe von Dals-Rostock im pryl-Paradies Dalsland, wo wir im Spätsommer ein paar Tage mit Freunden verbracht haben. Pryl? Pröll! Wieder einmal sind die niederdeutschen Mundarten im Vorteil, wenn es darum geht, Schwedisch zu verstehen:

Der Pröll ist niederdeutschen Ursprungs. Im Norden heißt er Prull oder Prüll, in den Niederlanden kennt man den prul, den man in den prullenbak (Papierkorb) wirft. Die genaue Wortgeschichte ist noch unbekannt, auffällig ist allerdings, dass es eine ganze Reihe von Wörtern gibt, die auf Pru-/Plö- anlauten und etwas Minderwertiges bezeichnen: Pröllen, Plörre (minderwertiges Getränk), Prött (Kaffeesatz), Plünnen, Plunder, Plörren, Pröttel usw. Hier ist durchaus ein gemeinsamer Stammbaum anzunehmen.

(Hier geklaut und wiederverwertet)

Urlaubsende


Wieder in Schweden angekommen, ließen wir Uppsala links liegen und fuhren nach Sala, wo wir nach einem kleinen Stadtbummel schon am frühen Nachmittag auf den Campingplatz gingen. Erstens waren wir für die Fähre früh aufgestanden und schon ganz schön lange auf den Beinen, außerdem brauchten wir – vor allem aber Annikas Mutter und ihr Lebensgefährte – dringend eine Waschmaschine. Sala hatte uns aber sehr gut gefallen und für den nächsten Tag planten wir deshalb einen etwas ausführlicheren Besuch ein. Zuvor konnten wir uns aber noch an einem Bad und Sonnenuntergangskitsch erfreuen.

Wie beschlossen kehrten wir noch einmal nach Sala zurück, wurden dort aber von einem heftigen Gewitter am Fotografieren gehindert. Dann ging die Reise weiter nach Ängelsberg wo wir einen langen Stopp einlegen mussten. Denn hier gibt es eine fantastischen Aussicht auf einen See, und in diesem See liegt eine Insel mit der ältesten erhaltenen Ölraffinerie der Welt. Außerdem – und wahrscheinlich noch viel interessanter – steht hier Engelsbergs Bruk, eine Ansammlung eisenverarbeitender Anlagen aus verschiedenen Jahrhunderten, die zum Weltkulturerbe gehören. Einen Schlafplatz gab es aber leider nicht, daher mussten wir nach einem Einkaufsstopp in Fagersta noch weiter nach Riddarhyttan fahren. Leider fiel deshalb auch eine Besichtigung der Anlage in Ängelsberg aus, denn wir waren zu spät gekommen und am nächsten Tag zurückfahren wollten wir nicht mehr.

Der Schmelzofen von Ängelsbergs bruk – gebaut im 18. Jahrhundert und während des 19. Jahrhunderts zwei Mal modernisiert.

Unsere letzte Reiseetappe führte uns über das wunderschöne Städtchen Nora. Diesen Tipp hatten wir irgendwann bei Lussekatt gelesen und ich muss sagen: Es lohnt sich! Nora ist zwar für schwedische Verhältnisse ziemlich touristisch, aber nicht Ausländer-Wikingerhelm-und-Elche-touristisch; hierher kommen vor allem Schweden, und die verzichten gerne auf diese Art von Touristenkitsch. Stattdessen gibt es hier viele kleine Second-Hand-Läden, nette Cafés und alles mögliche, um einen schönen Nachmittag zu verbringen; außerdem einen kleinen Bahnhof mit Museumsbetrieb direkt am See. Und Eis, das für sich allein schon Grund genug ist, um die Stadt zu besuchen.

Nach dem Bummel ging es noch weiter bis Kristinehamn. Diese Stadt ließen wir dann aber links liegen, da wir schon so ausgiebig durch Nora gewandert waren. Stattdessen steuerten wir direkt Revsands Camping in der Nordostecke des Vänern an, ein Campingplatz, den wir noch aus unserem zweiten Schwedenurlaub in lebhafter Erinnerung hatten. Hier gibt es nämlich eine Hoppkudde. Was das ist, wird jetzt aber noch nicht verraten…

Die Hoppkudde war am Ende aber nicht der einzige Grund, warum wir nun erst einmal nicht weitergefahren sind. Das Wetter wurde nämlich endlich richtig gut und da wollten wir nicht die ganze Zeit im Auto sitzen. Stattdessen entschieden wir uns für Faulheit auf dem Campingplatz. Und dafür für eine etwas längere Heimfahrt, die wir am Sonntag antraten.

Luxus ist auch…


…unser Wohnmobil. Nicht, dass unser Bus als solcher besonders luxuriös wäre. Natürlich ist er bequemer als ein Zelt, und die Toilette hat uns auch schon manchen Gang durch den Regen erspart. Aber klassischer Luxus sieht im Wohnmobil sehr anders aus.

Der eigentliche Luxus mit unserem Bus ist ein ganz anderer: Freiheit. Die Möglichkeit, einfach mal am Wochenende abzuhauen und den Alltag zu Hause zu lassen. Und zwar ohne sich vorher große Gedanken über die Reiseorganisation zu machen. Einfach ein paar Klamotten zusammengepackt, WoMo-taugliches Essen eingekauft und fahren, wohin einen die Straße führt. Oder wo nette Freunde aus Deutschland auf einen warten. Zum Beispiel über die Pfingstferien in Dalsland.

Mein erstes Studienjahr ist schon seit ein paar Tagen vorbei, ich hatte also am Freitag keine Verpflichtungen und konnte schon (fast) alles für die Reise vorbereiten. Ziemlich bald nachdem Annika den Laptop zugeklappt hatte – sie kann freitags mittlerweile von zu Hause aus arbeiten – waren wir auf der Straße nach Norden. Gegen acht hatten wir unser Ziel erreicht und warteten auf unsere Freunde.

Am nächsten Morgen gab es dann Frühstück mit verspätetem Geburtstagskuchen für Annika vorm Ferienhaus und…

Dann ging es weiter zu einem Antiquitätenladen. Zu Mittag aßen wir im Holzofen gebackenes Brot mit Butter und Käse im urgemütlichen Café in Hamrane (dazu an anderer Stelle mehr).

Den Abschluss machten dann ein Spaziergang und ein Eis am Vänerstrand.

Am Sonntag war dann das Wetter leider nicht mehr ganz so schön, was uns aber nicht von einem Besuch der Schleusen in Trollhättan abgehalten hat.

Selbst in den heute stillgelegten Schleusentreppen grünt und blüht es überall.

Und jetzt dürft ihr raten, was Annika außer dem Kuchen noch zum Geburtstag bekommen hat.

17. Dezember 2011 – Tomtarnas julnatt


Den Jultomte, der sich zur Vorweihnachtszeit mit weißem Bart und rotem Kostüm zur Jingle-Bells-Beschallung in den Einkaufszentren dieser Welt herumtreibt, gibt es natürlich auch in Schweden, hou hou hou.
Eine nordische Besonderheit ist jedoch der Tomte ohne Jul, zu dessen erweiterter Verwandtschaft auch die Wichtel, Kobolde, Pucks, Nissen, Leprechauns, Heinzelmännchen, Elfen und Brownies dieser Welt zählen.
Der Tomte ist ein wohlmeinender Hausgeist, der auf einem Gehöft über das Wohlergehen von Mensch und Tier wacht. Zum Dank dafür erhält er von den Menschen Milch, Grütze oder was eben sonst gerade regional oder saisonal auf der Speisekarte steht.
Aber wehe, man zieht durch Faulheit, Tierquälerei oder sonstiges schlechtes Betragen den Zorn des Tomte auf sich, dann sollte man sich in Acht nehmen: Nils Holgersson beispielsweise wurde bekanntermaßen zur Strafe in einen Däumling verwandelt, der Rest ist Geschichte.

Eine wunderbare Beschreibung eines Tomte ist das Gedicht Tomten von Viktor Rydberg, das 1881 veröffentlicht wurde. 1960 wurde es von Harald Wiberg illustriert und als Bilderbuch bei Rabén und Sjögren erneut verlegt. Es wurde ein solcher Erfolg, dass der Verlag überlegte, wie man das Buch auch auf dem ausländischen Markt vertreiben könnte. Da das Übersetzen von Lyrik selten ohne sprachliche Verluste möglich ist, bat man Astrid Lindgren um eine Prosaadaption, welche dann wiederum in viele Sprachen übersetzt wurde. In Deutschland erschien das Bilderbuch schließlich unter dem Titel Tomte Tummetott.

Vor kurzem fiel mir in einem Second-Hand-Laden (wo auch sonst) das Bilderbuch mit dem Rydberg-Gedicht in die Hände, dessen Bilder mir natürlich geläufig waren. Aber erst da wurde mir bewusst, dass Astrid Lindgren damit eigentlich überhaupt nichts zu tun hatte. Und dass der Originaltext noch viel schöner ist und ich mich freue, dass ich heute den schwedischen Text verstehe. Rydbergs Gedicht samt der Bilder kann man sich auch online anschauen oder vorlesen lassen.

Unser heutiges Weihnachtslied handelt von einer Schar Tomter, die mitten in der Weihnachtsnacht aus allen Winkeln gekrochen kommen, sich über das Weihnachtsessen hermachen, das die Menschen bereitgestellt haben, anschließend um den Baum tanzen und gegen Morgen wieder so leise verschwinden, wie sie gekommen sind. Großartig arrangiert und interpretiert von The Real Group:

1. Midnatt råder, det är tyst i husen,
Tyst i husen.
Alla sova, släckta äro ljusen,
Äro ljusen,

Tipp tapp, tipp tapp,
Tippe-tippe-tip, tapp,
Tipp, tipp, tapp.

2. Se då krypa tomtar upp ur vrårna,
Upp ur vrårna,
Lyssna, speja, trippa fram på tårna,
Fram på tårna.
Tipp tapp . . . .

3. Snälla folket låtit maten rara,
Maten rara
Stå på bordet åt en tomteskara,
Tomteskara.
Tipp tapp . . . .

4. Hur de mysa, hoppa upp bland faten,
Upp bland faten,
Tissla, tassla: „God är julematen,
Julematen“!
Tipp tapp . . . .

5. Gröt och skinka, lilla äppelbiten,
Äppelbiten,
Tänk, så rart det smakar Nisse liten,
Nisse liten.
Tipp tapp . . . .

6. Nu till lekar! Glada skrattet klingar,
Skrattet klingar
Runt om granen skaran muntert svingar,
Muntert svingar.
Tipp tapp . . . .

7. Natten lider. Snart de tomtar snälla,
Tomtar snälla,
Kvickt och näpet allt i ordning ställa,
Ordning Ställa.
Tipp tapp . . . .

8. Sedan åter in i tysta vrårna,
Tysta vrårna,
Tomteskaran, tassar nätt på tårna,
Nätt på tårna.
Tipp tapp . . . .

Second Hand


Tisch: Second Hand, Läufer: Second Hand, Ljusstake: Second Hand, Adventsschmuck: Second Hand, Grünzeug: Wald, Kerzen: IKEA

Es gibt verschiedene rationale Gründe, gebrauchte Dinge einzukaufen. Manch einer ist einfach darauf angewiesen, sich auf diesem Wege mit notwendigen Dingen auszustatten. Vielleicht kann man sich so aber auch etwas leisten, was der Geldbeutel ansonsten nicht hergeben würde. Und dann gibt es natürlich noch diejenigen, die einfach alte Dinge mögen, seien es Retro-Kleidern aus den 70ern oder Biedermeier-Möbel.

Effektiv ist diese Art des Einkaufens aber nicht: Man weiß nie, was man eventuell finden wird und etwas Bestimmtes zu suchen ist meistens zwecklos und zeitaufwändig. Deshalb muss es noch andere Gründe geben, warum Second Hand so beliebt ist: Second Hand kauft man nicht ein, um Zeit zu sparen oder Geld; es geht vor allem um den Spaß, um das Gruschteln durch Krempel und pryl, wobei es eigentlich gar keine Rolle spielt, ob man nun wirklich etwas findet. Und natürlich findet man immer etwas; zwar nicht immer nützlich, dafür aber häufig schön – wobei sich über Geschmack ja bekanntlich streiten lässt. Und da es vor allem um das Erlebnis geht und weniger um das eigentliche Einkaufen von Dingen, haben hier in Schweden viele Second Hand-Geschäfte nur am Samstag oder Sonntag geöffnet und laden zum Wochenendausflug ein – dann natürlich gleich mit Kaffee und Kuchen.

Allein in Älvängen gibt es für die 4.000 Einwohner zwei gemeinnützige und einen kommerziell betriebenen Laden und die Zahl der loppisar (Flohmärkte) in der Umgebung ist kaum überschaubar. Denn irgendwann ist das Haus halt voll und muss ausgemistet werden, und was wäre da lustiger als ein kleiner Privatflohmarkt vor der Haustür?

Kändis…


… bedeutet soviel wie Promi, ein umgangssprachlicher Ausdruck für eine bekannte oder berühmte Person. Etymologisch stecken da noch Gene von bekannt drin. Aber ist ja auch egal.

Als wir uns heute auf dem Weihnachtsmarkt im Nachbarort Älvängen gerade die Vorteile handgeschnitzter Holzmesser erklären ließen, stutzte der nette Mann am Stand plötzlich und fragte: „Oh, bist du nicht der mit dem Stipendium?“ Jonas war die Sache etwas unangenehm und da wir gerade sowieso keinen Bedarf an handgeschnitzten Holzmessern haben, gingen wir schnell weiter. Ich fand es lustig, dass Jonas jetzt anscheinend zur Lokalprominenz gehört, aber er war der Meinung, dass dieser Händler bestimmt nur von Berufs wegen diesen Alekurir so genau studiert hat.

Nach dem Weihnachtsmarkt gingen wir noch auf einen Abstecher in einen Second-Hand-Laden. Kaum hatten wir das Geschäft betreten, rief die Dame an der Kasse: „Oh, då kommer kändisen!“ Ich ahne es, demnächst werden die Groupies Jonas auf offener Straße überfallen…

Fredagsmys und Ljusstake


– „Hast du das Ansökan schon an die Kulturförvaltning geskickat?“
– „Nein, das mach ich nach dem Lunch, ich will jetzt erst Mat lagan.“
– „Was gibt’s denn?“
– „Heimgemachte pannkakor.“

Jonas und ich sind zwar weit davon entfernt, miteinander schwedisch zu sprechen, aber deutsch kann man das Kauderwelsch, das hier manchmal erklingt, auch fast nicht mehr nennen. Eher Schweutsch. Das liegt zum einen daran, dass viele Begriffe, die wir hier im Alltag brauchen, in Deutschland seltener gebraucht haben, (z.B. Dubbdäck), zum anderen dass wir manche Dinge hier erst kennengelernt haben und es keine deutsche Entsprechung gibt oder es irgendwie zu anstengend ist, nach einem deutschen Äquivalent zu suchen.

Ganz schlimm wird die Sprachverwirrung, wenn wir uns in internationaler Gesellschaft befinden. Da bin ich gerade im Gespräch mit einem Schweden (auf schwedisch) und es stößt ein Schweizer Austauschstudent hinzu, der nur wenig Schwedisch kann. Natürlich switchen wir dann auf englisch um, aber eigentlich ist mein Hirn noch im Schwedisch-Modus. Dann geht der Schwede weg, aber irgendwie bleibe ich mit dem Schweizer auf englisch, obwohl wir beide deutsch als Muttersprache haben. Dann kommt eine belgische Austauschstudentin hinzu und quatscht den Schweizer auf französisch an. Aus einem versteckten Winkel meines Hirns melden sich die sterblichen Reste aus meinem Französisch-Leistungskurs und sieben Jahren Schulfranzösisch. O là là! Und wenn dann noch im Vorbeigehen die nette Chinesin grüßt, die weiß, dass ich auch ein paar Brocken ihrer Muttersprache spreche…

Wenn das einen ganzen Abend lang so geht, weiß man irgendwann nicht mehr, welche Sprache man eigentlich gerade hört, geschweige denn in welcher Sprache man selbst antworten oder auch nur denken soll. Irgendwie ist das aber auch sehr lustig, weil es natürlich allen mehr oder weniger genauso geht. Nur Alkohol sollte man an einem solchen Abend nicht trinken, sonst stehen bereits nach einem halben Glas Wein alle Sprachzentren im Hirn gleichzeitig auf und fangen an zu tanzen.

Heute ist Freitag und damit Zeit für fredagsmys, „Freitagsgemütlichkeit“. Aber irgendwie klingt das auf deutsch so gemütlich wie German Gemutlichkeit in the beergarden und Weihnachten bei Familie Hoppenstedt. Fredagsmys hingegen klingt irgendwie… mysigare.
Fredagsmys ist eigentlich eine vergleichsweise neue Erscheinung, die als Begriff erst 2006 Eingang in das schwedische Äquivalent zum Duden gefunden hat. Es markiert das Ende der Arbeitswoche und den Beginn des Wochenendes und in Familien mit arbeitenden Eltern und vielbeschäftigten Kindern ist der Freitagabend eine heilige Zeit, zu der man sich tunlichst nicht verabeden oder jemanden anrufen sollte. So gemütlich die Idee klingt, so sehr scheinen die modernen Rituale sich jedoch hauptsächlich auf einen gemeinsamen Fernsehabend mit viel Chips, Pizza und Cola zu beschränken, zumindest wenn man der furchtbaren Werbung glaubt.

Unser "neuer" Adventsljusstake

Wir haben heute auch Fredagsmys gemacht (ganz ohne Fernsehen und Chips): nachmittags ein Besuch im Second-Hand-Weihnachtsmarkt und anschließende die Wohnung umdekoriert. Endlich haben wir auch einen Adventsljusstake oder kurz Ljusstake für die Fensterbank wie alle unsere Nachbarn! Was das ist? Nun ja, bab.la nennt es ganz prosaisch Kerzenhalter, die Wikipedia gar Armleuchter. Auch Adventskranz trifft die Sache nicht wirklich. Ein Adventsljusstake eben. Und für alle, die beim Lesen dieses Wortes über ihre Zunge stolpern, hier eine kleine Hilfe: „Advents-jüs-stake.“

Und was gabs danach? Hemlagade pannkakor mit Lingonsylt.