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Schotterwege und Begegnungen


Ein Grund, warum man in Schweden auf Landstraßen nur so langsam vorankommt, ist  – neben der Rücksicht auf querende Elche – die Tatsache, dass da immer so lustige handgemalte Schilder am Straßenrand stehen, die einen vom rechten Weg abbringen. Da steht dann zum Beispiel Loppis, Second Hand, Antik, Hantverk oder Konst drauf, manchmal auch Gårdsbutik, Specialiteter oder schlicht Sommarcafé.

Kaum sind wir gestern die Schotterpiste von den Osterglocken zurückgefahren und wieder auf der asphaltierten Straße, weckt ein Schild mit der Aufschrift Skogsateljé/Gårdsbutik unsere Aufmerksamkeit. Waldatelier in Kombination mit Hofladen? Keine Ahnung, was uns da erwartet, aber klingt nett. Zwar wollen wir noch weiter zum Boråser Frühlingsmarkt, aber hej, der ist ja noch den ganzen Nachmittag und solange kein Loppis dabei ist, sind Hofläden ja meist eine überschaubare Sache.

Wir fahren also zwei Kilometer weiter Richtung Gislaved anstatt zurück nach Borås und biegen dann wieder in einen geschotterten Waldweg ein. Nach wenigen Minuten taucht ein idyllischer Hof in Bullerbüoptik auf (wie gesagt, wir sind ja auch schon fast in Småland): links Bienenstöcke, rechts ein rotes Häuschen mit zwei Parkplätzen und eine Wiese mit Metallskulpturen, weiter hinten ein kleines Gehege mit Hühnern. Ein Katze nimmt sofort unsere warme Motorhaube in Beschlag.
In dem kleinen Laden erwarten uns unter anderem frischgelegte Eier, hausgemachter Honig, Fruchtsäfte aus der Region und diverses Zubehör zum Brotbacken sowie ein größeres Sortiment an Duschgels, Kosmetika und Müsliriegeln, wie man sie aus deutschen Reformhäusern kennt und die ich hier in Schweden noch nie gesehen habe. Die Besitzerin des Ladens begrüßt uns freundlich und fragt, wie wir hergefunden haben. Ein nettes Gespräch entwickelt sich und mein geschultes Ohr erkennt den Akzent, den die Frau spricht – es ist der gleiche wie unserer. Daher also auch Demeter und Co.

Wir outen uns als Landsleute und führen das Gespräch auf Deutsch weiter. Für mich ist sie die erste Deutsche seit langem, die ich in Schweden treffe und es ist anfangs total seltsam, mit jemand anderem als mit Jonas Deutsch zu sprechen.

Meine Kollegen waren mal total verwundert, als ich erzählte, dass wir kaum deutsche Freunde in Schweden haben und auch nicht gezielt danach suchen. Aber ebensowenig, wie ich auf die Idee käme, Menschen aufgrund ihrer Herkunft abzulehnen, ebensowenig suche ich mir meine Freunde nach ihrer Nationalität aus. Wenn ich Menschen sympathisch finde und/oder wir gleiche Interessen haben, wie z.B. Musik, die Bloggerei oder Fotografie, dann sind das Gründe, den Kontakt zu suchen und zu pflegen – aber nicht die Frage, ob auf dem Pass ein Bundesadler oder drei Kronen sind.

Aber zurück in den kleinen Hofladen. Einen kurzen Augenblick schießt mir die Frage durch den Kopf, ob ich sie jetzt siezen sollte, weil wir ja jetzt deutsch sprechen, aber im gleichen Augenblick verwerfe ich den Gedanken wieder, es wäre irgendwie lächerlich. Wir bleiben also beim schwedischen Du, obwohl wir deutsch sprechen.

Alexandra führt uns in ihr Atelier und erfreulicherweise erwarten uns dort weder Osterglockenaquarelle noch Bullerbükitsch mit Elchen und blaugelben Fahnen, sondern „einfach nur“ tolle Bilder. Sie ist ausgebildete Kunsttherapeutin und Künstlerin und wie es der Zufall so will, wird demnächst just in unserer Stadtteilbibliothek eine Ausstellung mit ihren Bildern eröffnet. Schweden ist halt auch nur ein Dorf.

Während heute ausnahmsweise Jonas mit der Kamera herumzieht (ich hab ja zwei Krücken in der Hand) verquatsche ich mich mit Alexandra. Als draußen der angekündigte Regen losgeht, schmeißt sie den gusseisernen Ofen an und setzt Teewasser auf. Eine halbe Stunde später stößt eine Freundin von Alexandra hinzu, ebenfalls Deutsche. Irgendwann nach drei oder vier Stunden merken wir, wie die Zeit gerannt ist, aber niemanden scheint das so wirklich zu stören, im Gegenteil.

Zum Vergrößern die Bilder anklicken.

Den Boråser Frühlingsmarkt können wir jetzt zwar vergessen, aber hej, der ist ja morgen auch noch. Stattdessen verdanken wir dem langsamen Vorwärtskommen auf den schwedischen Straßen mal wieder einen unvergesslichen Nachmittag und eine wundervolle neue Bekanntschaft, die wir bestimmt nicht zum letzten Mal getroffen haben.

Im Sommer wird Alexandra übrigens ein weiteres Schild an die Straße hängen: Sommarcafé. Wer dann nicht in den schmalen Schotterweg einbiegt, ist wirklich selbst schuld.

Alexandras Skogsateljé: Klick.