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80:20-Regel


Jedes Jahr das gleiche…

Die alte 80:20-Regel hat sich diese Woche mal wieder bestätigt: 80% der Arbeit lässt sich in 20% der zur Verfügung stehenden Zeit erledigen, aber die letzten 20% kosten 80% der Zeit (und Energie).

Wenn ich zu Schuljahresbeginn alle meine Schüler – dieses Jahr über 50, ein neuer Rekord! – mit einer Unterrichtszeit für den Einzelunterricht versorgen soll, läuft ein Großteil der Gespräche nach Schema F:

„Hej, hier ist Annika von der Musikschule, ich rufe an wegen Lenas Klavierstunde. Ich habe bereits mit ihrem Klassenlehrer Lars-Åke gesprochen und wir haben uns auf Mittwoch 10:30 geeinigt, da hat sie Schwedisch. Ist das ok für euch? Gut, danke. Hejdå!“

Oder: „Hallo, blablabla, gleiche Zeit wie letztes Jahr, Dienstag um 16 Uhr? Nein? Wie ist es mit Donnerstag um 15 Uhr? Ja? Passt, danke.“

Dann noch ein bisschen Info zu evt. neuen Heften, Nachfrage zu Übegewohnheiten oder Klavierstimmern, ein bisschen Smalltalk und das ganze Gespräch ist in drei Minuten über die Bühne und alle Parteien sind glücklich.

Und dann gibt es die 20%, wo es nahezu unmöglich ist, eine Zeit zu finden, weder am Vormittag noch am Nachmittag.

Weil wir an der Musikschule unsere Stundenpläne erst bauen sollen, wenn das Kind alle seine Unterrichtszeiten weiß und außerdem klar ist, wann das Fußballtraining liegt, die Funkenmariechen sich mit dem Tischtennisverein über die Trainingspläne in der Turnhalle geeinigt haben, der Hockeyverein die neue Gruppeneinteilung beschlossen, die Jugendabteilung vom Hundesportverein die wöchentlichen Trainingszeiten veröffentlicht und der Kinderchor seine Probentermine festgelegt hat. Und die Pfadfinder waren da ja auch noch… Und wenn das alles fix ist, kann man mal gucken, ob man noch irgendwann 20 Minuten Zeit für eine Klavierstunde hat.

Oder weil es Eltern gibt, denen nicht klar ist, dass ich mehr als nur ihr eigenes Kind unterrichte und ich nicht, nur weil es ihnen so am besten passt, die Unterrichtsstunde auf die Superzeit fünf Minuten nach Schulschluss lege. (Hallo? Ich habe noch mindestens 25 andere Schüler, die zur gleichen Zeit aus haben, aber auch meine Arbeitswoche hat nur 5 Tage, d.h. genau 5 Schüler, denen ich die Superzeit anbieten kann.

Oder, auch sehr beliebt, geschiedene Eltern, wo das Kind eine Woche bei Mama und eine Woche bei Papa wohnt und man mit dem einen Elternteil eine Zeit festlegt und eine Viertelstunde später der andere Elternteil wutentbrannt anruft, warum der/die Ex sich denn die Freiheit nehme, einfach so über die Zeit des Kindes zu bestimmen. Und das solle ich bitte der/dem Ex mitteilen. Ja, nee, is klar…

Oder Geschwisterkinder. Drei Kinder auf zwei unterschiedlichen Schulen, die drei verschiedene Instrumente bei drei verschiedenen Lehrern spielen und das bitte zur gleichen Zeit tun sollen (wir reden hier von Teenagern). Und das soll bitte mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten der geschiedenen Eltern passen, die sich wöchentlich ändern, weil Schichtarbeit im Krankenhaus.

Versteh ich alles, geschieden, drei Kinder, zwei Wohnorte und achtunddrölfzig Freizeitaktivitäten zu koordinieren ist sicher kein leichter Job. Und harmoniebedürftig wie ich bin, versuche ich immer, es allen recht zu machen. Und manchmal kostet es mich dann 15 Telefonate und 10 SMS mit den Eltern, dem Kind, dem Klassenlehrer, dem Yoga-Instructor und dem Meerschweinchen, um eine einzige Klavierstunde zu legen. Alles ok, das ist mein Job, dafür werde ich bezahlt.

Aber warum muss ich mir dann am Ende anhören, dass ich so unflexibel sei?

Es sind zum Glück wirklich nur Einzelfälle, weniger als 20%, wo sich zu einer schwierigen Stundenplanung auch noch Unverschämtheit gesellt, aber die rauben mir 80% meiner Energie.

Ich geh dann mal das Womo packen, meine Ohren bluten, ich brauch Wochenende…

Wochenende. Fast.


Freitagabend, kurz vor sechs: Das Diensthandy glüht, mein Ohr blutet. Nach knapp 200 Telefonaten haben fast alle Schüler ihre Zeit bekommen und die wenigen, die noch nicht versorgt sind, sind entweder noch im Urlaub oder der Ball liegt jetzt in ihrer Mailbox. Uff. Ich packe mein Unterrichtsmaterial für Montag ein (da unterrichte ich auswärts an einer Grundschule), sammle alle meine Telefonlisten zusammen und will gerade den Laptop zuklappen, da kommt eine SMS:

„Hallo Annika! Bei Lisa kommt am Montagmorgen der Schulfotograf, und ihre Klasse ist gerade dann dran, wenn sie Klavierunterricht hat. Aber sie freut sich soooo auf ihre erste Klavierstunde, kannst du den Unterricht nicht ausnahmsweise verlegen?“

Freitagabend, kurz nach sechs: Klonk. Meine Stirn knallt auf die Tischplatte.

[Fortsetzung.]

Alltag


– „Hallo, hier ist Annika von der Musikschule, ich rufe an wegen Lasses Klavierstunde. Hat er denn seinen Stundenplan von der Schule schon bekommen? Ich nehme an, er möchte wieder direkt nach der Schule kommen, damit das mit den Buszeiten passt. An welchem Tag würd’s denn passen?“

– „Ja, genau; gut, dass du dran denkst mit dem Bus. Letztes Schuljahr hatte er ja immer donnerstags, das würde eigentlich jetzt auch wieder passen, aber…“

– „Ja?“

– „Lasse möchte lieber montags Klavierunterricht haben. Da hat er zwar länger Schule, dann klappt das mit dem Bus nicht mehr, aber egal. Ich hol ihn dann ab.“

-„Mhm. Hat er denn donnerstags viele anstrengende Fächer?“

-„Nee, das nicht, aber er übt doch immer nur sonntags und hat dann bis Donnerstag alles wieder vergessen.“

„Ok, dann am Montag, eine Stunde später als im letzten Jahr, ich habs notiert. Der Unterricht fängt nächste Woche an. Tacktack! Hejdå!“

Klick.

– „Hallo, hier ist Annika von der Musikschule, ich rufe an wegen Mias Klavierstunde. Hat sie denn ihren Stundenplan von der Schule schon bekommen? … Prima. An welchem Tag würd’s denn passen? Wieder montags, wie letztes Jahr? … Stimmt, die Pfadfinder haben die Zeiten geändert. Am Dienstag hätt ich auch noch was frei, allerdings erst nach vier. … Oh, das ist ja toll für sie, dass sie jetzt die Kleinen beim Innebandy trainieren darf, aber früher hab ich leider nichts mehr frei. Am Donnerstag ist aber eben was frei geworden, am frühen Nachmittag. … Young voices, verstehe. Nee, klar, wenn sie da solo singt, kann sie nicht jedes Mal zu spät kommen. … Mittwoch? Ich dachte, da hat sie erst Klarinette und anschließend Orchester? … Eben, dacht ich mir doch. Freitag also. … Oh die Arme, freitagnachmittags eine Doppelstunde Naturexperimente … Ja, die Turnhalle, wo die Funkenmariechen trainieren, ist gleich um die Ecke. … Kommt drauf an, wann die Funkenmariechen anfangen. … Um halb sechs muss sie da sein? Das könnte gehen. Der Schüler, bisher um fünf kam, hat eh angedeutet, dass er freitagabends immer so fertig ist und an einem anderen Tag kommen wollte. Ich melde mich nochmal, wenn ich mit ihm gesprochen habe, ok? … Tacktack! Hejdå!“

Klick.

– „Hallo, hier ist Annika von der Musikschule, ich rufe an wegen Gustavs Klavierstunde…“