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Zu viel des Guten


Nur einen Katzensprung von Falun entfernt liegt das Örtchen Sundborn, das als Wohnort des Künstlerpaares Karin und Carl Larsson Eingang in die Reiseführer dieser Welt gefunden hat. Wir entschieden uns für eine Radtour von Falun aus. Da am Sonntag keine vernünftige Karte aufzutreiben war, nahmen wir die Sträßchen, die in unserem Straßenatlas eingezeichnet sind. Auf dem Hinweg folgten wir dem Nordufer des Sees Runn entlang durch Wohngebiete und Ferienhäuser und dann gings am Ufer des Sundbornsån entlang, der sich durch ein liebliches Tal schlängelte. Es war wie gesagt ein Sonntag im Frühsommer und weder Berufs- noch übermäßiger Touristenverkehr störten uns auf der kleinen Landstraße, deren Gräben von Lupinen und anderen Sommerblumen nur so überquollen. (Wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs sind, ist die Kamera immer einigermaßen sturzsicher verpackt und ungefähr das Gegenteil von griffbereit, daher gibt’s hier keine Bilder von der überbordenden Blütenpracht, aber Blumenbilder gabs hier im Blog ja auch schon zur Genüge.)

In Sundborn angekommen, wurde man direkt in für große Touristenmassen vorbereitete Bahnen geleitet, die schnurstracks in den Shop mit den Carl-Larsson-Devotionalien führten. Wir widerstanden jedoch dem zweifelhaften Charme aquarellbedruckter Kaffeetassen und erstanden lediglich zum stolzen Preis von je 145 kr (ca. 16,80€) zwei Eintrittskarten für das Wohnhaus, das man nur in Begleitung eines Guides betreten darf.

Das Wohnhaus wird von Leuten, die das besser beurteilen können als ich, als stilprägend bezeichnet und obwohl ich üblicherweise einen großen Bogen um Einrichtungszeitschriften, -blogs und -läden mache, kann ich in der Tat bestätigen, das der aktuelle Trend zu Blümchentapeten, geschnörkelten Bordüren und Shabby Chic durchaus als legitimer Nachfolger des Larsson-Stils gelten mag. Leider durfte man im Haus keine Fotos machen, dafür sei auf die Google Bildersuche zum Stichwort Lilla Hyttnäs verwiesen.

Zweifellos besticht das Haus durch seine Lage direkt am Flussufer und die Tatsache, dass es ein rotes Schwedenhaus mit weißen Kanten ist. Auch der Garten, der Besucher einlädt, den Picknickkorb auszupacken und das Frühstück unter der großen Birke nachzustellen oder gleich die Staffelei auszupacken, ist zweifellos einer der Höhepunkte des Ortes.

Dennoch war mein persönlicher Eindruck nach dem Besuch von Sundborn vor allem eines: Zu viel. Zu viel Handgewebtes, zuviele Fresken an den Wänden, zuviel Schwedenklischees, zuviel Kitsch, zuviel Rosenduft, zuviel Oh-guck-mal-hier-ist-das-hübsch-Idylle, zuviel Tourismus. Und für mich auch zu viel Sonne an dem Tag, aber dafür kann Sundborn nichts.

Für den Rückweg wählten wir eine andere Strecke, die uns vor Ort empfohlen worden war. Lätt kuperad – „ein bisschen hügelig“ sei die Strecke, sagte der nette Mann aus dem Andenkenladen, dafür angenehmer dem Rad, weil weniger Verkehr und mit ein bisschen Aussicht. Es mag an der Sonne und der Nachmittagshitze gelegen haben oder auch an der Tatsache, dass wir radfahrtechnisch nichts mehr gewohnt waren, aber lätt kuperad ist seither eine viel zitierte Phrase bei uns. Als sich einige Tage später unser Bus im ersten Gang im Schritttempo ins Fjäll hinauf quälte und wir uns fragten, ob der Motor das noch schafft oder ob wir im nächsten Augenblick wieder zurückrollen würden, kam uns direkt der Andenkenladenmann und sein lätt kuperad wieder in den Sinn…

Blogartikel, die leider nie geschrieben wurden


Der Sommer in Schweden ist kurz, aber dafür umso intensiver. Das merke ich gerade vor allem daran, dass wir jeden Tag so viel erleben und täglich einen Blogartikel schreiben könnten, gleichzeitig aber so im Erlebnisrausch sind, dass die Zeit noch nicht einmal dafür reicht. Was vor zwei Wochen geschah, liegt schon wieder so weit weg, als wäre es ein halbes Jahr, weil seither so vieles passiert ist…

Ein dreitägiger Kurztrip mit unserem Bus kurz vor Mittsommer: Gränna am Vättern und die Insel Visingsö im Vättern. Zwei Tage Inselleben im halben Tempo. Traumhaft und unbedingt empfehlenswert. Ein Artikel über das Zuckerbäckerstädtchen Gränna und seine Zahnärzte und ein Artikel über die Künstlerklausen auf Visingsö.

Mittsommer: Das erste Mal mit schwedischen Freunden. Wunderbar. Einen Artikel wert.

Fünftägige Orchesterreise mit unserem Jugendorchester nach Deutschland: Ein Artikel über die grauslige Ferienanlage in Weissenhäuser Strand an der Ostsee. Ein Artikel über das zweifelhafte Vergnügen zu Deutschlands ältestem (und angeblich größtem) Totengilde- und Schützenfest in Oldenburg/Holstein eingeladen zu sein und die Reaktion von Schweden, denen während eines Umzuges Schnaps und Bier gratis und in rauhen Mengen vor die Nase gehalten werden. Ein Artikel über meinen Kulturschock in Deutschland – keine Nummern ziehen und das seltsame Erlebnis, dass Deutsche mir auf gebrochenem Englisch antworten, wenn ich auf Deutsch (trotz allem: immer noch fließend und akzentfrei) nach dem Weg frage. Ein Artikel mit meinen Fotoexperimenten im Hansa-Park.

Ähm… ja. Solange ich nicht unter die hauptberuflichen Blogger gehe, entgehen euch leider all diese im Kopf vorformulierten Artikel.

Seit letztem Samstag sind wir wieder mit dem Bus auf Tour. Altmodisch wie wir sind, besitzen wir weder Smartphone noch Surfplatte – Internetzugang haben wir daher nur sporadisch, wenn wir auf Campingplätze gehen. In nächster Zeit wird es hier also ruhig bleiben, auch wenn in meinem Kopf bereits die nächsten Artikel fertig sind: Über das Wohnhaus des Malers Carl Larsson in Sundborn, die Grubenstadt Falun, das einwöchige Volksmusikfestival Musik vid Siljan (mein Geburtstagsgeschenk von Jonas!) und über ein unglaublich stimmungsvolles Konzert morgens um sieben auf einer Almhütte, wo der Gesang ein Kuhherde anlockte und Ziegen zwischen den Zuhörern spazierten, darüber, wie wir versehentlich im Garten eines erweckten Baptistenmissionars landeten und in seiner Kirche duschten oder über die Schwierigkeiten, in Mittelschweden einen neuen Fahrradständer für einen fast 20 Jahre alten VW-Bus zu kriegen, wenn einem beim rückwärts Ausparken hinterlistig ein Baum vor’s Auto springt, der da vorher nicht war.

Aber um das alles mit euch Lesern hier im Blog zu teilen, müsste ich jetzt Urlaub vom Urlaub nehmen – oder mich technisch mal aufrüsten. Aber auf beides habe ich vorerst herzlich wenig Lust. Ich muss jetzt nämlich ganz dringend nochmal eine Runde in der Abendsonne schwimmen gehen, auch wenn es schon elf ist.