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Fast vergessen


Ganze neun Wochen haben wir unsere Ferien mit Sonne, Eis und vielen Erlebnissen genossen. Mittlerweile wacht Schweden allerdings aus seinem Sommerschlaf wieder auf und seit Dienstag arbeiten auch wir wieder. Schüler treffen wir zwar noch nicht, aber mit vielen Konferenzen und den Vorbereitungen für das kommende Schuljahr haben wir einiges zu tun. Und da hätten wir doch beinahe ein kleines Jubiläum verpasst: Heute sind wir seit genau zwei Jahren in Schweden. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist! Stattdessen fallen wir jetzt allerdings ins Bett, an das frühe Aufstehen müssen wir uns erst wieder gewöhnen…

Ikea, Datenschutz, Plätzchen, Trödel


Wenn man an einem Samstagnachmittag in den Weihnachtsferien im größeren der beiden Göteborger Ikeas einen Kollegen aus Jonas Musikschule trifft und gemeinsam Köttbullar mit Preiselbeeren isst, ist man dann angekommen?

Wir haben jetzt Deckenlampen für alle Zimmer.  Im Gegensatz zum Internet. Das dauert noch, wir haben unseren Internet-Stick mal vorsichtshalber für eine Woche aufgeladen. Es liegt aber anscheinend nicht an Telia (was unser erster Verdacht war), sondern vermutlich an einer alten Steckdose, die nicht mehr so tut wie sie soll. Nächste Woche kommt ein Tele-TubbyTechniker.

Rein formell war der Umzug übrigens ein Klacks – von unserem Internetproblem mal abgesehen. Ganz bequem konnten wir uns mit unserem schwedischen elektronischen Personalausweis und einem Kartenlesegerät auf der Homepage des Finanzamtes ausweisen (das hier die Funktion des Einwohnermeldeamtes erfüllt) und unsere Adresse online ändern. Das Skatteverket informiert dann auch automatisch alle anderen Behörden über unsere neue Adresse: Krankenkasse, Rentenkasse, Ausländerbehörde und was sonst noch so überlebenswichtig ist. Darüber hinaus konnte man am Ende der Prozedur noch in einer Liste freiwillig ankreuzen, welche Firmen und Organisationen sonst noch so über die neue Adresse informiert werden sollten. Diese Liste umfasste wohl über hundert Posten, angefangen bei Banken, Mieterbund und Gewerkschaften, über Greenpeace und Jugendherbergsverband bis hin zu Lokalzeitungen und Fitnessstudios. Praktisch, oder? Und jetzt kommt mir nicht mit Datenschutz – Adresse, Geburtsdatum und Familienstand kann man eh im Internet nachgucken. (Und damit meine ich nicht unseren Blog.) Gegen einen geringen Aufpreis kann sich auch jeder meinen letzten Steuerbescheid ansehen.
[Mehr dazu: Der hellerleuchtete Bürger]

Um nochmal auf unsere Lampen zurückzukommen: natürlich haben wir auch hier in einigen Fenstern kleine Lämpchen stehen, sodass hier jeder reingucken könnte. Allerdings reichen unsere Fensterbrettlämpchen bei weitem noch nicht für alle Fenster, aber das ist kein Fall fürs Möbelhaus, sondern für die zahlreichen Antik- und Trödelmärkte hier in der Umgebung.

Apropå Trödelmärkte: einer meiner zukünftigen Kollegen hat mich am Freitag auf eine kleine Spritztour durch die Gegend ausgeführt. Ich kenne jetzt zumindest schonmal alle Kirchen (wichtig für Musiker), Badplätze (wichtig im Sommer), Hofläden (wichtig für Ziegenkäseliebhaber), und Trödelmärkte und Auktionsscheunen (immer wichtig) im Umkreis von 20 Kilometern. Anschließend haben wir ihn beim Fika (unser erster schwedischer Gast im neuen Heim!) in die Geheimnisse deutscher Weihnachtsplätzchenkultur eingeweiht. Unsere Mütter waren wie immer sehr fleißig und wahrscheinlich reichen unsere Vorräte noch bis Ostern.

Das Ankommen geht also insgesamt in großen Schritten voran und uns wurde bereits prophezeit, dass wir bald nicht mehr in Ruhe im örtlichen Supermarkt einkaufen werden können, weil die Musikschullehrer hier sehr präsent im öffentlichen Leben sind. Naja, wenn’s uns zuviel wird, treffen wir uns dann am Samstagnachmittag alle incognito im Ikea.

God fortsättning!


Für lange oder gar sentimentale Jahresrückblicke fehlt uns gerade definitiv die Muße, denn bei uns ist zur Zeit wesentlich mehr neu als nur die letzte Ziffer im Datum.

Unser Umzug ist dank enormer Hilfe von Jonas‘ Eltern und seinem Bruder erfreulich geschmeidig über die Bühne gegangen und zwei Drittel der Kartons sind auch schon wieder ausgepackt.
Silvester fiel dieses Jahr in jeder Hinsicht ins Wasser. Gegen 23 Uhr beschlossen wir, keine neuen Kartons mehr aus dem Keller zu holen und auszupacken, denn unsere Arme hingen inzwischen bis zum Boden. Mindestens.
Als der Blick aus dem Fenster auch nur die Erkenntnis zuließ, dass bei dem Wetter vermutlich kein vernünftiger Mensch eine Rakete abfeuern würde, war die Entscheidung gefallen, dass das Bett trotz der frühen Uhrzeit vermutlich die bessere Wahl war.

Allerdings inspirierten mich die Wassermassen vom Himmel dann doch noch, dieses Silvester ein wenig zu zelebrieren. So hässlich und unmodern unser beige-braunes 70er-Jahre-Bad auch sein mag – es hat eine Badewanne! Und so lag ich dann zum Jahreswechsel in lavendelduftendem Muskelentspannungsbad, das Fenster sperrangelweit offen, und beguckte die fünf Raketen, die trotz Weltuntergangsregen und 4°C aufstiegen.

Morgen früh (viel zu früh) werden wir dann unsere zukünftige ehemalige Pendelstrecke zwar zur gewohnten Uhrzeit, aber in umgekehrter Richtung fahren, denn wir müssen um halb neun in der alten Wohnung sein, wenn sich unser Herr Schiedmayer auf die Reise macht… Haltet uns die Daumen, dass auch dieser letzte Akt noch unfallfrei vonstatten geht.

Wir haben schon mehrere Anfragen nach Bildern vom neuen Heim bekommen, aber im Moment sieht es hier zwischen den Kartons noch geringfügig unattraktiv aus. Gut Ding will Weile haben… Das gilt übrigens auch für unser Internet, zur Zeit haben wir nur einen Internetstick, mit dem das Hochladen der Bilder ohnehin nicht denkbar wäre.

Trotz Umzugsstress möchten wir dann doch noch kurz die Gelegenheit nutzen und uns bei euch, unseren Lesern, bedanken, dass ihr uns auch 2012 die Treue gehalten habt. Unser Leserkreis scheint zu wachsen, wenn wir die Zahl der Besucher und Klicks auf unserem Blog richtig deuten. Dafür spricht auch die wachsende Zahl unserer Stammleser, die unseren Blog abonniert haben (wer das jetzt nachholen will: oben rechts – prenumerera). Vielen Dank für eure Kommentare, Anregungen, Links und Mails, die uns immer wieder erreichen. Es freut und motiviert uns, wenn wir eure Reaktionen auf unsere Artikel lesen und wir hoffen, dass das auch im neuen Jahr so weitergeht. Und in diesem Sinne wünschen wir dann auch euch: God fortsättning!

Zwei Schritte vorwärts


Zwei Verträge habe ich gestern unterschrieben: einen Mietvertrag und einen Arbeitsvertrag. Es fühlt sich an wie zwei Schritte vorwärts… sicherlich geht es auch irgendwann wieder einen zurück, deswegen find ich es umso wichtiger, das Vorwärts festzuhalten.

Nachdem ich bei der Hausbesichtigung gehört hatte, dass es über 40 andere Interessenten gab, wollte ich es gar nicht mehr so toll finden, um die Enttäuschung in Grenzen zu halten. Gestern waren wir dann fast eine Stunde lang alleine im Haus und haben gemessen und geguckt, entdeckt und fotografiert. Es ist immer noch Baustelle, es werden gerade noch Böden verlegt, Wände tapeziert und die Küche neu gemacht, deswegen sieht es noch etwas chaotisch aus. Aber viel fehlt nicht mehr und seit letztem Mal hat sich schon viel getan. (Bilder kommen auch irgendwann.)

Um das Haus herum stehen erfreulicherweise nur halb soviele Bäume, wie wir dachten. Vor allem in Jonas‘ Erinnerung waren die Bäume riesig, dunkel und engstehend gewesen. Ich hatte dafür den Flur doppel so lang in Erinnerung, was sich heute als riesiger Spiegel herausstellte. Seltsam, welche Streiche Wahrnehmung und Erinnerung einem manchmal spielen.

Weil ich dann gestern viel Zeit hatte, während Jonas die Kohle (die für den Saunaofen, ihr wisst schon…) verdient hat, habe ich auch gleich unsere zwei nächstgelegenen Badplätze inspiziert. Ich hoffe auf baldiges Zufrieren des Sees. Dann kann Jonas auf Schlittschuhen zur Arbeit…

Der Steg liegt zur Zeit zum Schutz gegen Eis auf dem Trockenen.
Der Steg liegt zur Zeit zum Schutz gegen Eis auf dem Trockenen.

Beim Aufsetzen des Mietvertrages dann noch eine kleine Überraschung: wir haben keine Adresse. Also keine „richtige“, so mit Straße und Hausnummer. Stattdessen hat das Haus einen Namen: „Lichtung am See“, danach folgen Postleitzahl und Ort. Das klingt jetzt alles furchtbar nach kitschigem Bullerbü-Fetischismus, ich weiß, aber es ist einfach zu nett, um es an dieser Stelle nicht zu erwähnen.

Wenden wir uns also wieder dem Ernst des Lebens zu – das ist ab Januar mein Arbeitsplatz:

„Haus der Musik“ – Quelle: http://www.boras.se

Ich war so aufgeregt, dass ich nicht an die Kamera im Rucksack gedacht habe, als ich gestern dort war, daher ausnahmsweise kein eigenes Bild. Meine Kollegen – also die restlichen vier, die ich noch nicht bei einem der Vorstellungsgespräche getroffen habe – werde ich aber noch im Dezember kennenlernen, voraussichtlich am Luciatag.

Stimmung im Keller


Wetter und Stimmung hängen bei mir ziemlich oft zusammen. Sonnenschein mit gemäßigter Wärme, Schnee, Sturm in allen Varianten (wenn niemand aus der Familie Autofahren muss, auch Schneesturm), Eiseskälte, Herbstfrost, Post-Nebel-Frost an den Bäumen, warmer Sommerregen oder auch Prä-Gewitter-Himmel sorgen für gute Laune.
Übermäßige Hitze (also alles ab 25°C), Schwüle (auch unter 25°C), „Vårvinter“ (Frühlingsmatschwetter), Dauerregen und Hoch-, Tief- und sonstiger Nebel drücken eher aufs Gemüt.

Seit meinem Flug nach Stuttgart vor fast einem Monat habe ich hier in Schweden keine Sonne mehr gesehen – und das liegt nicht daran, dass sie gerade um halb neun auf- und um halb vier untergeht. Nein, das liegt daran, dass sie gar nicht mehr durchkommt. Durch den Nebel. Und den Hochnebel. Und die Wolken. Und den flüssigen Nebel. Also dieses Zeug, das mehr ist als Nebel, aber weniger als ordentlicher Regen. Das alles bei lauwarmen 3-10°C. (Der einzige Trost ist, dass Jonas die 70 km nach Borås nicht auf gefrorenen Straßen fahren muss.)

Die Stimmung also im Keller? Nein, wir haben hier ja keinen Keller, wo die Stimmung hingehen könnte. Noch nicht. Das wird sich aber zum Jahreswechsel ändern. Jaaaa, wir ziehen um! Heute morgen kam der langersehnte Anruf eines Vermieters.

Ich sage es ja nur ungern, aber wir hatten einfach unanständig viel Glück, ähnlich wie schon vor anderthalb Jahren. Wieder war es die erste Wohnung, in die wir uns sofort verliebt haben, nur dass wir diesmal eigentlich nicht so schlimm unter Stress standen wie damals. Schließlich drohten uns nicht die Obdachlosigkeit oder die Preise des Göteborger Wohnungsmarktes, sondern wir hätten uns eigentlich bequem erstmal 20 Wohnungen anschauen können und deutlich wählerischer sein können. Aber was können wir denn dafür, dass wir gleich bei der ersten Besichtigung einen Volltreffer landen? Ok, das mit dem Volltreffer dachten die 40 anderen Interessenten vermutlich auch. Ähnlich wie bei meinem Job hingen wir auch hier eine ganze Weile in der Luft. Alle drei Tage haben wir uns eine neue (mehr oder weniger überflüssige) Frage ausgedacht, um den Vermieter anzurufen, ein bisschen netten Smalltalk zu machen und uns als nette, zuverlässige, doppeltverdienende kinder- und haustierlose Lehrer in Erinnerung zu bringen. Und… was soll ich sagen… es hat funktioniert!

Ab Januar werden wir also in etwas wohnen, das die Schweden eine Villa nennen, in einem freistehenden Einfamilienhaus. Für uns fühlt es sich auch so schon sehr hochherrschaftlich an. Fast doppelt so groß wie aktuell, aber nur ein Bruchteil mehr Miete. Vier frisch renovierte Zimmer und Küche. Garten. Zwei Terrassen. Keller. Garage. Spülmaschine, Waschmaschine und Trockner. Wintergarten mit (Grill-)Ofen. 2 km zur Arbeit für mich, 12 für Jonas. Fahrradwege in beide Richtungen. 2-4 Busse pro Stunde. Badplats in fußläufiger Entfernung. Sauna im Keller.

Sogar unser Herr Schiedmayer bekommt Gesellschaft: Unser Vermieter wusste nicht, was er mit dem Klavier der Vormieter anstellen sollte und meinte bei der Besichtigung etwas hilflos: „Hm, ist ein ganz schönes Möbel und ich wusste nicht, wohin damit. Störts euch? Dann entsorg ich das noch.“ Ochnee, lass ma…
Das Möbel ist – soweit wir das unter der Schutzfolie beurteilen konnten – ordentlich in Schuss und gestimmt. Jetzt wird das ja vielleicht doch noch was mit den Hauskonzerten für zwei Klaviere…

Die Stimmung ist also trotz miesen Novemberwetters gerade alles andere als im Keller. Im Gegenteil: In Zukunft können wir sogar zum Feiern in den Keller gehen! In unseren echt knorke, holzgetäfelten Partykeller im 60er-Jahre-Stil Retro-Stil. Der passt stilmäßig auch superdufte zum Badezimmer, das dem ähnelt, was dabei rauskommt, wenn sich Käseigel, Eierlikör und kalte Ente nach einem Abend im Partykeller zusammen auf den Rückweg machen das ganz in warmem bahamabeige gehalten ist.

Frisch verliebt


Nachdem mich ja mein Ex vor kurzem verlassen hat, tändle ich mit seit einer Weile wieder mit einem Neuen. Zuerst ein paar vorsichtige Emails, dann das erste Blind Date. Dann das Warten auf seinen Anruf. Der dann auch kam – am Abend, bevor ich nach Deutschland geflogen bin. Na toll… ob ich ihn wohl noch eine Woche hinhalten konnte? Würde er das mit sich machen lassen…? Ja, er wartete auf mich, aber er hatte noch eine andere, die ihm auch ganz gut gefiel und bevor er sich für eine von uns entscheiden könne, wolle er uns beide nochmal treffen. (Nicht so schön das, aber wenigstens war er ehrlich.)
Dann gestern unser zweites Date… Und die alles entscheidende Frage: Willst Du mit mir gehen? Ja. Nein. Vielleicht.

Er wolle mit seiner Familie drüber reden und eine Nacht drüber schlafen, sagte er, und sich dann heute melden. Meine Nacht hingegen war eher schlaflos. Ab acht Uhr hielt ich krampfhaft das Telefon in der einen, das Handy in der anderen Hand. Nicht mal aufs Klo wollte ich gehen. Als es sich dann nicht mehr vermeiden ließ, lagen beide Telefone auf der Klorollenhalterung.

Endlich klingelte es… mööörp, Fehlalarm – bloß irgendein Heini, der mir ein neues Telefonabo an die Backe quatschen wollte. Und damit blockierst Du meine Leitung, du Doofkopp?!

Um zwei hatte er sich immer noch nicht gemeldet und ich war in der Stimmung, mir die Decke über den Kopf zu ziehen und die nächsten Monate im Niemandsland zwischen Herbstdepression und Winterschlaf zu verbringen.

Um halb vier hatte das ungewisse Warten dann endlich ein Ende. Ich fasse den Inhalt des Gesprächs und meinen aktuellen Gemütszustand kurz zusammen:

Er ist übrigens Musiker und will, dass ich seinen Kindern Klavierunterricht gebe. Und ein bisschen Blockflötenunterricht. Und ein bisschen korrepetieren. Ein Orchester hat er auch, da soll ich auch ab und an dirigieren.  Wenn ich will, darf ich seine Kinder auch für Musiktheorie begeistern. Oder sie beim Komponieren unterstützen. Oder einen Chor gründen. Oder, oder, oder… Gut, dass ich das alles mal in der Bräuteschule gelernt habe. Mein Neuer wirkt da sehr freizügig, was meine ehelichen Pflichten angeht.

Toll ist auch sein Wohnort: ganz in der Nähe von Jonas‘ Nebenfrau – die beiden sind sogar miteinander verwandt! – in einem Stadtteil, der wegen seiner Lage und seiner Einwohnerschaft liebevoll „Beverly Hills“ genannt wird. Damit steht jetzt definitiv wieder ein Umzug an, das hatten wir ja schon lange nicht mehr. Oder so.

Nächste Woche unterschreiben wir den Ehevertrag, die Hochzeit ist dann Anfang Januar. Bis dahin sollte sich mein Endorphinspiegel wieder normalisiert haben, sodass ich mich wie ein gesitteter Mensch aufführe und nicht unvermittelt aufspringe und qietschend durch die Gegend hopse.

Die erste Woche


Nun sind wir schon fast eine Woche hier, aber mir kommt es schon wie eine Ewigkeit vor, weil bis jetzt jeder Tag so proppevoll mit Eindrücken und Erlebnissen war. Bis heute morgen waren ja auch noch Jonas‘ Bruder und dessen Freundin hier und heute ist der erste Abend, an dem wir hier alleine sind. Aber der Reihe nach.

Montag – der Auszug

Deutschland verabschiedet sich mit einem grandiosen Sonnenuntergang

Dank vieler helfender Hände – nochmal ein dickes DANKE an euch!!! – ging das Kistenschleppen erfreulich fix und selbst beim Wohnungsputz hatten wir noch Helfer. Der Umzugs-LKW war dann auch um 11:30 schon wieder weg, während wir noch die Wohnung übergaben. Für den Flügel hatten wir eine eigene Firma engagiert, die unseren Herrn Schiedmayer aus dem 3. Stock runtertragen und den Transportschlitten und Rollwagen an die beiden Männer vom Umzugsunternehmen übergeben sollten. Der Flügel war auch fix im LKW verschwunden, nur haben sie aus unerfindlichen Gründen Schlitten und Rollwagen mitgenommen. Böser Fehler…
Gegen eins konnten wir dann auch aufbrechen. Jonas und Bruder im VW-Bus, meine „Schwippschwägerin“ und ich im Twingo. Die Fahrt nach Travemünde bei Lübeck war soweit ereignislos und glücklicherweise haben sogar beide Autos noch einen Platz auf der Fähre um 22:00 nach Malmö gekriegt, während unser LKW die kürzere Fähre nach Trelleborg nehmen musste und damit am nächsten Morgen zwei Stunden vor uns in Schweden ankommen sollte.

Dienstag – der Einzug

Gegen 7 Uhr kamen wir in Malmö an und starteten direkt durch nach Skepplanda, schließlich hatte der LKW schon einigen Vorsprung (dachten wir zumindest). Nach etwa dreieinhalb Stunden kamen wir an und Per, der Platzverwalter der Wohnungsgesellschaft, mähte gerade vor unserer Wohnung den Rasen. Die Wohnung war blitzblank geputzt, das hatte offensichtlich eine Reinigungsfirma gemacht, so sauber kann eine Küche eigentlich nur sein, wenn sie gerade neu eingebaut ist (ich weiß, wovon ich rede, ich hatte in Karlsruhe gerade noch einen ganzen Tag lang unsere Küche geputzt!).

Unser Haus wird gerade noch frisch gestrichen - der Giebel wird auch noch rot

Alle Elektrogeräte, d.h. Kühlschrank, Waschmaschine, Trockenschrank und – endlich! – Spülmaschine sahen ebenfalls aus wie frisch ausgepackt und sind von einer namhaften deutschen Weißwarenfirma.

Unser LKW war noch nicht da, also hatten wir noch Zeit für einen Gang zu unserem Minisupermarkt im Ort. Am fortgeschrittenen Nachmittag – wir fragten uns allmählich, ob sie nicht doch die Fähre nach Litauen genommen hatten und dort gerade unseren kompletten Hausstand vertickten – kam dann endlich auch der LKW. Sie hatten in Trelleborg eine falsche Adresse ins Navi eingegeben und waren direkt zu ihrem nächsten Kunden in der Nähe von Växjö gefahren. Da wir ja jetzt ebenerdig wohnen, waren die Kartons und die Möbel zügig ausgeladen – und dann kam der Flügel. Ohne Schlitten, ohne Rollwagen.

Erstes Abendessen auf unserer Veranda

Zuerst versuchten wir eine Schiebelösung mit massenhaft Wolldecken. Unmöglich. Dann konstruierten wir eine Gurttragevorrichtung (Auf der Gurtverpackung stand: „ACHTUNG! Nur zum Verzurren, nicht zum Transport schwerer Gegenstände!“), die uns – oder vielmehr: den Flügel – aber auch nicht nennenswert weiterbrachte. Schließlich fuhr Jonas mit einem der Umzugsmänner in den nächsten Baumarkt, um einen Rollwagen zu kaufen. Fehlanzeige. Ziemlich frustiert saßen wir sechs dann da und wussten nicht richtig weiter.

Ziemlich hoffnungslos fragte Jonas schließlich Milan, den Maler, der gerade unsere Dachbalken rot anmalte, ob er nicht eine Idee habe. Und siehe da: aus seinem Werkzeugschuppen holte Milan einen hydraulischen Hebewagen, der unser Problem in kürzester Zeit löste. 20 Minuten später stand der Flügel unversehrt und spielbereit im Wohnzimmer. Milan ist übrigens nach eigenen Angaben Jugoslawe und hat 8 Jahre in Mainz gelebt und freute sich riesig mal wieder deutsch sprechen zu können – was er gleich dazu nutzte, mich zu fragen, ob ich nicht seiner immer noch in Deutschland lebenden Frau eine Arbeitserlaubnis z.B. als Putzhilfe verschaffen könnte.

Mittwoch – Kisten auspacken

Was soll ich viel schreiben, außer auspacken haben wir an diesem Tag nicht viel gemacht.

Donnerstag – erster Kontakt mit schwedischen Behörden und IKEA

In Schweden gibt es kein Einwohnermeldeamt, denn die Anmeldeformalitäten übernimmt das skatteverket (Finanzamt), dann kennt zumindest die wichtigste schwedische Behörde schonmal die neue Adresse… Bevor wir uns dort aber anmelden und damit eine Personennummer beantragen konnten, mussten wir zunächst unser Aufenthaltsrecht als EU-Bürger beim migrationsverket registrieren. Das hatten wir schon zwei Wochen zuvor von Deutschland aus online gemacht und uns auf eine Wartezeit von 3 Monaten eingestellt. Aber siehe da: Als wir einzogen, lag der wichtige Brief vom Migrationsverk bereits seit 10 Tagen in unserem neuen Briefkasten. Also konnten wir damit direkt zum Skatteverk gehen und die Personennummer beantragen. Das war ein unkomplizierter Gang mit einem zweiseitigen Formular ohne irgendwelche Wartezeiten. Jetzt heißt es 4-6 Wochen auf die Personennummer warten.

Sommerdiamanten!

Das Skatteverk liegt auf dem Weg zu unserem nächsten IKEA, der etwa 30 km entfernt ist. Auch dazu muss ich nicht viel sagen, es gibt dort Billy, Benno und Köttbullar. Und das Regal, dessentwegen man dorthin gefahren ist, ist gerade nicht mehr im Lager. Also alles genauso wie in einem deutschen IKEA.

Abends lockt ein Sprung in „unseren“ See, nur 8 km entfernt. Inzwischen hüpfe ich rein, ohne mich vorher abzukühlen. Wir haben noch nicht gemessen, aber er hat wohl so um die 20 Grad. Und wenn man abends hingeht, hat man den See auch ganz für sich alleine.

Freitag – Ausflug nach Trollhättan

Die Vattenfall-Wasserfälle

Jonas zweiter Bruder ist gerade in Oslo und kam übers Wochenende. Da die Bahnstrecke vor unserem Dorf noch die nächsten zwei Wochen umgebaut wird, konnte er nur bis Trollhättan fahren, was wir dazu nutzten, uns die Stadt anzuschauen. In Trollhättan sitzen Saab und Volvo Aero, außerdem ist es die Geburtsstadt von Vattenfall, denn dort steht das „Ur-Wasserkraftwerk“ an einem Wasserfall, der heute noch zu touristischen Zwecken im Sommer eine Viertelstunde am Tag geöffnet wird. Als wir dort waren, fiel tatsächlich jede Menge Wasser, sodass wir uns schnell in das absolut empfehlenswerte Technik- und Naturwissenschaftsmuseum Innovatum verkrochen.

Leuchtturm auf Marstrand, im Hintergrund eine Regatta

Samstag – Ausflug ans Meer

Mit nun drei Feriengästen und bestem Sommerwetter bot sich ein Ausflug in die Schären geradezu an.

In den Schären bei Marstrand

Marstrand liegt auf einer Schäre desselben Namens etwa eine Autostunde von uns entfernt. Man kann mit dem Auto bis auf die vorletzte Insel fahren, dann geht es mit einer kleinen Fähre hinüber nach Marstrand. Dort machen viele Schweden Urlaub, aber auch superreiche Russen mit ihren schicken Yachten kann man dort sehen. Oder man macht sich zu Fuß auf den Weg in den westlichen Teil der Insel und kann sich ganz schnell wie der einzige Insulaner fühlen.

Sonntag – Ausflug in Königs Elchjagdrevier

Nahe Trollhättan gibt es zwei Tafelberge direkt am Vänern – Halle- und Hunneberg -, wo die Königsfamilie wohl regelmäßig auf Elchjagd geht, was die Wahrscheinlichkeit, dort einen Elch zu sehen, zumindest außerhalb der Jagdsaison deutlich erhöht. Uns reizte jedoch mehr die Vorstellung, von einer  50 m hohen Steilklippe aus über den Vänern zu schauen und eine schöne Wanderung zu unternehmen, daher haben wir auch das Elchmuseum links liegen gelassen. Abends wartete dann in Trollhättan der Zug nach Oslo auf Jonas Bruder.

Montag – Alltag kehrt ein

Nachdem vormittags auch unsere beiden geduldigen Umzugshelfer abgereist sind, war das heute unser erster Tag allein in unserem neuen Heim. Inzwischen haben wir zumindest einen Internetstick, mit dem sich das Surfen ein bisschen anfühlt wie in den späten 90ern, so langsam ist es. Daher können wir leider noch nicht skypen, aber wir sind an einer besseren Internetverbindung dran. Immerhin habe ich heute ernsthaft mit der Jobsuche beginnen können und meine Daten in verschiedenen Jobbörsen hinterlegt.

Der Urwald vor der Haustür

Zum ersten Mal haben wir heute einen längeren Spaziergang von unserem Haus aus unternommen. Nur 100m von hier beginnt ein Urwald, wo man hinter jedem Baum Ronja Räubertochter erwarten könnte und der noch viele Möglichkeiten für unterschiedliche Runden über Stock und Stein bereithält. Und für den Winter gibt es eine beleuchtete Loipenrunde durch den Wald. Das ist doch was anderes als unsere Standardrunde durch die Karlsruher Schrebergärten.

Viel los also in den letzten Tagen und jeden Tag so viel Neues. Die nächsten Tage werden wir hier noch weiter rumräumen und ein Besuch bei IKEA steht auch noch an, bevor für Jonas nächsten Montag das Semester startet. Bis dahin genießen wir hier den Spätsommer, der uns mit viel Sonne und Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad beglückt. So solls sein!

Gedanken am Umzugsmorgen


Es ist halb sieben. Neben mir liegt Jonas und schläft selig. Noch eine halbe Stunde, dann klingelt der Wecker. Ich habe wenig geschlafen, zu viel ging mir durch den Kopf. Vor allem der Dauerregen heute Nacht machte mir Sorgen. Wie kommt der Flügel trocken in den LKW? Halten die Kartons noch, wenn wir sie 10 Meter durch Platzregen tragen? Draußen Lärm. Ich stehe auf und öffne das Wohnzimmerfenster. Gerade kommen die Sperrmüllautos. Das erste sammelt Teppiche und alles, was weich ist, ein. Das zweite kriegt alles aus Holz, die Sachen werden direkt zerkleinert, das ist ganz schön laut. Gut, dass wir meinen schönen Computertisch, der nicht in die neue Wohnung passt, gestern abend noch an die chinesische Studentin aus der WG über uns verschenken konnten, sie hat sich so gefreut.
Der Regen hat aufgehört, Richtung Westen sieht man ein paar blaue Ecken am Himmel. Draußen riecht es schön frisch und kühl, perfektes Wetter zum umziehen. Die Straßenbahnen rattern unentwegt an unserm Haus vorbei, neuerdings liegen wir baustellenumleitungsbedingt ja an der Hauptstrecke, die von Osten in die Stadt kommt.Das wird in Schweden bestimmt ruhiger sein…

Viertel vor sieben. Ich gehe wieder ins Bett, Jonas nuschelt verschlafen „blogstduschonwieda?“. Schlaf weiter, hast noch ne Viertelstunde. Gleich gehen wir zu unserem Bäcker um die Ecke frühstücken, ist ja schon alles eingepackt. Frau A., die nette Verkäuferin, die uns immer was extra schenkt, müsste heute aus Ihrem Urlaub zurück sein, vielleicht können wir uns noch verabschieden.

Jetzt klingelt der Wecker. Es geht los. Ich freue mich!

Der letzte Abend in Karlsruhe


Die Sonne scheint, leise plätschert das Wasser ans Ufer, eine gelbe Fähre tuckert durchs Bild… es ist Sonntagabend und Inga-Lindström-Zeit! Und – ja, wir haben tatsächlich Zeit, mit einem Auge diese Schmonzette zu schauen. (Natürlich nur wegen der Landschaftsaufnahmen, denn nach den ersten fünf Minuten war ja eh klar, wie’s ausgeht ;-)) Alle Kisten sind gepackt, die Wohnung geputzt, der Sperrmüll entsorgt. Wir sind bereit für den Umzugs-LKW, der morgen früh um neun anrollt.

Die zahlreichen ungeplanten Vorfälle der letzten Tage haben sich zum Teil noch gelöst. Jonas hat seine Pässe wieder und ist krankenversichert und das neue Schloss am Auto ist nach viel Gerenne und einem Kniefall vor dem Werkstattmitarbeiter tatsächlich noch eingebaut worden. Der kurzfristige Rückzug unserer „Beinahe-Nachmieterin“ wird uns jetzt voraussichtlich eine weitere Monatsmiete kosten, aber es gibt bereits wieder einige Interessenten für unsere Wohnung. Vielleicht klappt es ja doch noch rechtzeitig, aber die Chance darauf ist realistisch betrachtet doch eher gering.

Viele Abschiede haben wir in den letzten Tagen hinter uns gebracht und mit jedem wurde ich ein wenig sentimentaler, auch wenn die Umzugsaufregung, die Vorfreude und die Neugier auf unser neues Zuhause überwiegen. Habe ich schon erwähnt, dass wir in der neuen Wohnung eine Spülmaschine haben? Wenn das kein Grund ist, sich zu freuen…

Der große Tag

Morgen, am Tag 0, auf den unser Zähler seit 158 Tagen hinzählt, haben sich für halb neun einige von Jonas‘ Kollegen aus dem Max-Reger-Institut zum Kartons tragen angemeldet. Wahrscheinlich gab es in der Musikgeschichte wenig Umzüge, bei denen der prozentuale Anteil an promovierten Musikwissenschaftlern unter den Umzugshelfern größer war :-) Wir danken Euch jetzt schon dafür!
Um neun will das Umzugsunternehmen kommen und erst mal den Flügel in den LKW packen, dann der Rest hinterher. Auch Jonas‘ Bruder und dessen Freundin werden morgen vormittag in Karlsruhe eintreffen und mit nach Schweden kommen. Der LKW sollte dann gegen 12 abfahren, denn der muss die Nachtfähre um 22.00 ab Travemünde nach Malmö kriegen. Wir saugen nochmal die Wohnung und übergeben dann (hoffentlich komplikationsfrei – haltet uns die Daumen!) unsere Wohnungsschlüssel an den Hausmeister. Mit zwei Autos folgen wir vier dann dem LKW. Mit viel Glück schaffen wir auch die Nachtfähre und gönnen uns acht Stunden Pause, ansonsten gehts via Vogelfluglinie auf dem Landweg durch Dänemark durch bis nach Skepplanda. Finanziell macht das fast wie keinen Unterschied, schlaftechnisch natürlich schon. Aber wir müssen ja irgendwie vor dem LKW in Skepplanda sein, damit wir dort die Wohnung und die Schlüssel in Empfang nehmen können. Man erwartet uns dort schon und das letzte Telefonat am Freitag mit dem dortigen Hausverwalter war sehr nett.

Soweit jedenfalls der Plan, mal sehen, ob wir das alles so einhalten werden oder ob noch wieder neue Katastrophen eintreten. Ich weiß noch nicht, wie schnell wir in Schweden wieder Internet haben, wahrscheinlich werden wir uns übergangsweise erstmal mit einem Internet-Stick behelfen.

Die blonde Frau im Fernsehen hat sich inzwischen – völlig unerwartet natürlich – dafür entschieden, nicht nach Amerika auszuwandern, sondern ihr Leben in einer beschaulichen schwedischen Kleinstadt an der Seite eines Arztes zu verbringen. Ob Jonas nicht doch noch Arzt werden will? Ich frag ihn mal…

Ja, mach nur einen Plan – Die letzten Tage


Ich bin für die Einführung einer Auswanderungspauschale. Klingt komisch? Ist aber so. Ich wäre liebend gern bereit, einen dreistelligen Fixbetrag an ein höheres Wesen zu bezahlen, das mir im Gegenzug garantiert, dass die Dinge, die man Wochen und Monate vorher vorausschauend geplant, organisiert und eingefädelt hat, dann auch einfach so funktionieren wie angemeldet. Ich will keinen Umzugs- oder Auswanderungsmanager, der mir die Dinge aus der Hand nimmt, im Gegenteil. Nein, ich möchte doch einfach nur, dass nicht in der Woche vor dem Umzug die Katastrophen im Stundentakt zuschlagen, weil Anträge und Papierkram erst monatelang irgendwo in irgendwelchen Büros unbearbeitet herumliegen und dann auf einmal Probleme verursachen, weil der Sachbearbeiter sich nicht darum gekümmert hat. Kleine Auswahl gefällig?

Telefon. Mathe für Anfänger, denn: 37 Monate > 24 Monate

In unserem Vertrag, den wir vor über drei Jahren abgeschlossen haben, steht eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten und eine Kündigungsfrist von mindestens 6 Tagen, sofern man in ein Gebiet umzieht, in dem Kabel WB (Firmenname geändert) keinen Service anbietet. Ordentlich wie wir sind, kündigen wir schon drei Wochen im Voraus. Antwort: „Gerne nehmen wir Ihre Kündigung zum 31.8.2012 [sic!] entgegen. Wenn Sie schon früher kündigen möchten, lösen wir den Vertrag gerne gegen eine einmalige Zahlung von 50 €.“ Hä? Was? Davon steht aber nichts in unserem Vertrag. Anruf. Warteschleife. Für Elise. Mitarbeiter: „Ja, die AGB haben wir vor acht Monaten geändert, aber beschweren können Sie sich gerne. Ich kann daran nichts ändern, bin dazu nicht befugt.“ Also Widerspruchsbrief schreiben und warten. Bislang noch keine Antwort.

Arbeitsamt. Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.

Pünktlich 3 Monate vor Ende des Arbeitsvertrages bin ich zur Arbeitsagentur gegangen (ich berichtete), um mich in Sachen Arbeitslosengeld zu informieren, zu melden und zu klären, wie das mit Umzug innerhalb der EU ist. Lief ja alles wunderbar, den positiven Antrag hat die Dame ja auch gleich ausgefüllt, ich musste nur noch die Arbeitsbescheinigung nachreichen. Hab ich auch einen Monat vor Ende der Frist gemacht und dann mehrmals angerufen, ob auch alles vollständig und in Ordnung ist. Antwort: „Ja, alles in Ordnung, sie kriegen dann ihr Arbeitslosengeld, während Sie in Schweden nach Arbeit suchen.“ Zwei Tage nach Ende meines Arbeitsvertrages ruft mich ein anderer Sachbearbeiter an und erklärt mir, dass die Dame, die mich seinerzeit beraten und mir den Antrag ausgefüllt hat, ihre Kompetenzen überschritten hat und das gar nicht hätte machen dürfen. Aber nicht nur, dass sie es nicht durfte, nein, offensichtlich konnte sie es auch nicht. Denn wie mir dieser Sachbearbeiter dann erklärte, gibt es eine Sonderklausel, die sich anfühlt, als wäre sie mir persönlich auf den Leib geschrieben und die verhindert, dass ich auch nur einen Cent Arbeitslosengeld bekomme. Wäre schön gewesen, das geringfügig früher zu erfahren, man hätte doch finanziell etwas anders geplant.

Krankenkasse. Ein Perso und ein Reisepass allein auf großer Reise.

Krankenversicherung wäre natürlich kein Problem gewesen, wenn das mit dem Arbeitslosengeld geklappt hätte. Die Kasse war rechtzeitig informiert, alles ganz geschmeidig. Nach dem negativen Bescheid: Endlose Telefonate um freiwillige Versicherung ohne Wohnsitz in Deutschland. Wir brauchen ja übergangsweise noch die deutsche KV, bis wir in Schweden unsere Personnummer haben und das kann ein paar Monate dauern, wie Skatteverk (Finanzamt) und Migrationsverk (Ausländerbehörde) auf ihren Websites schreiben. Mit einem persönlichen Gespräch ließ es sich letztlich doch irgendwie regeln und bis jetzt hat auch noch keiner angerufen und gesagt, dass dieser Mitarbeiter nicht befugt gewesen wäre…

Anders bei Jonas‘ KV: Da schien bis heute morgen alles problemfrei und dann kam der Anruf, dass er einen deutschen Wohnsitz braucht, um seine studentische Versicherung zu behalten. Also mit dem Einwohnermeldeamt im 300 km entfernten Sauerland telefoniert, ob er seinen Wohnsitz dorthin zu seinen Eltern verlegen kann, ohne persönlich zu erscheinen, unser Umzugswagen kommt ja in vier Tagen. Hätten die sich mal ein paar Tage früher um Jonas‘ Schreiben gekümmert, hätten wir das am Montag noch persönlich machen können. Es geht jetzt jedoch anscheinend auch ohne Jonas – aber nur, wenn seine Mutter seinen Personalausweis und Pass vorlegen kann. Beide Dokumente sind nun per Einschreiben unterwegs und kommen hoffentlich rechtzeitig zurück, sonst hat Jonas ein Problem, denn die Dänen machen ja neuerdings wieder fröhlich Grenzkontrollen.

Wohnung. Wenn aus Freunden Nachmieter werden.

Seit zwei Jahren haben wir eine Bekannte als Nachmieterin für unsere Wohnung. Unsere Wohnung haben wir sofort gekündigt, nachdem wir in Schweden was hatten und die Nachmieterin vorgeschlagen. Die Vermietungsgesellschaft hat dann aber leider (angeblich) wochenlang die Wohnungsbesitzerin nicht erreicht und konnte uns deshalb nicht aus dem Vertrag lassen. Schließlich haben wir im Netz die Nummer der älteren Dame recherchiert, obwohl das so von der Vermietungsgesellschaft nicht gedacht ist. Und wer sagts, die ältere Dame war zuhause und auch die letzten Wochen nie länger weg. Schade, dass jetzt erstmal unserer Sachbearbeiter im Urlaub ist und wir deshalb noch sinnlos weiter Miete zahlen, weil keiner da ist, der den Vertrag aufsetzen kann. Zu allem Überfluss hat jetzt die Nachmieterin auf einmal die Lust verloren und wir werden die nächsten Tage noch nebenher neue potentielle Nachmieter durch unsere Wohnung führen. Man hat ja sonst nichts zu tun.

Auto. Gießen, das kriminelle Pflaster.

Und als ob dieser ganze Bürokratiesch… noch nicht genug wäre: Auf dem Rückweg vom Sauerland 15 Minuten Water-in-Water-out-Pause neben der Autobahn und – schwupps – war das Auto aufgebrochen. Glück im Unglück: das Auto war noch da und es wurde nichts geklaut. Aber das Schloss ist zerstört, der Lack vom Aufhebeln zerkratzt und ob der Ersatzzylinder noch diese Woche kommt, steht in den Sternen. Das war aber noch nicht alles: die Versicherung scheint nun zu glauben, dass es sich um Versicherungsbetrug handelt und hat erst ein Gutachten angefordert. Nach (ungelogen!) Stunden in Telefonwarteschleifen habe ich es aber hingekriegt, noch am Freitag einen Termin beim Gutachter zu bekommen.
Liebe Autodiebe, ein Tipp: wenn ihr in Zukunft auf Tour seid, sucht euch doch bitte nicht die kleinste und älteste Studentenkarre auf dem Parkplatz aus, wenn rechts und links lauter dicke schwarze Geschäftswagen-Limousinen und -SUVs stehen. Vielleicht habt ihr davon mehr.

All diese Dinge sind vor allem deshalb so ärgerlich, weil wir uns seit Wochen bemüht haben, die stressige Schlussphase nicht stressiger als notwendig werden zu lassen und uns um alles so früh wie möglich zu kümmern. Aber wahrscheinlich muss das einfach so sein, damit uns der Abschied aus Karlsruhe leichter fällt. Trotzdem: wenn ich das alles durch eine einmalige Auswanderungspauschale hätte vermeiden können, ich glaube, das wärs mir wert gewesen. Oder um Brecht zu zitieren:

Ja, mach nur einen Plan.
Sei nur ein großes Licht!
Und dann mach noch nen zweiten Plan,
gehn tun sie beide nicht.

So, vermutlich war das heute für die Leser ein wenig ergiebiger oder informativer Artikel. Aber wichtig für meine persönliche Psychohygiene. Verzeiht es mir.