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Ein Fluss mit vielen Namen


An der schwedisch-norwegischen Grenze liegt der See Rogen, dem ein Fluss gleichen Namens entspringt und nach wildem Lauf durch die norwegische Wildnis in den Femundsee mündet. An dessen Südufer hatten wir nach unserer Wanderung auf den Städjan übernachtet und von nun an wollten wir diesem Fluss folgen. Zunächst begleitete er uns für ein paar Kilometer unter dem Namen Gløta, bis wir den See Isteren erreichten, von wo aus er als Isterfossen in den See Galtsjøen fließt.

Auf der anderen Seite dieses Sees liegt das beeindruckende Sølenmassiv, auf das wir noch gerne gekraxelt wären. Aber zum einen war das Wetter eher ungemütlich und Norwegen außerdem so teuer, das wir nicht auf Sonnenschein warten wollten.

Stattdessen ging es also weiter Richtung Süden, immer dem Fluss nach, der mittlerweile Femundselva hieß. Über vierzig Kilometer folgten wir auf Schotterpisten seinem Lauf, durch tief eingeschnittene Täler, vorbei an ruhigen Seen, hohen Bergen und donnernden Stromschnellen.

Geliebte Kinder haben viele Namen und so hieß unser Fluss irgendwann Trysilelva. Von nun an sahen wir leider immer weniger von ihm, denn wir hatten wieder eine breitere Straße erreicht, die eher autofreundlich als idyllisch verlief. Dafür bot sich uns in Trysil noch einmal die Möglichkeit, hoch bis an die Baumgrenze zu fahren. Die kahlen Liftspuren und Skipisten von Norwegens größtem Skigebiet ließen die nordische Hochgebirgsidylle aber nur von weitem erahnen und das menschenleere Høyfjellssenter (Hochgebirgszentrum) hatte den Charme einer verlassenen Goldgräberstadt. Hübsch waren lediglich die kleineren Ferienhäuser, die sich mit ihren Grasdächern wie Hobbithöhlen in den Hängen versteckten.

Wieder im Tal angekommen, wurde die Straße immer eintöniger. Die schroffen Berge verwandelten sich in sanfte Hügel, der Wald wurde dichter und vom Fluss war nur noch selten etwas zu sehen. Ein wenig Abwechslung bot sich lediglich direkt hinter der schwedischen Grenze: Hier nutzten so viele Norweger die günstigen Einkaufsmöglichkeiten auf schwedischer Seite, dass die Parkplätze des Örtchens mit dem treffenden Namen – Grensen – nicht ausreichten und wir uns durch die parkenden Autos hindurchschlängeln mussten; nach unzähligen Meilen über abgeschiedene Sträßchen ein sehr ungewohnter Anblick. Von nun an trug unser Fluss seinen bekanntesten Namen: Klarälven – als Flusssystem zusammen mit dem Göta älv Schwedens längster Fluss.

Bald war auch die letzte Stromschnelle passiert und in großen Mäanderschlingen floss der Strom nur noch träge seiner Mündung in den Vänern entgegen. So träge, dass sich Touristen Flöße aus Baumstämmen zusammenknoten, mit denen sie sich dann gemächlich mehrere Tage lang den Fluss hinabtreiben lassen. Da wir aber noch ein wenig die värmländischen Seenlandschaft genießen wollten, verließen wir irgendwann endgültig das Tal. Ein letztes Mal konnten wir den Klarälven von einem Aussichtsturm auf dem Värmullsåsen südlich von Hagfors erspähen.

Urlaub


Jetzt ist der Urlaub schon seit über einer Woche vorbei. Leider… Aber schön war’s! Wir brachen noch am Freitag auf, Annikas letztem Arbeitstag. Unser Großziel waren die Ålands, eine zu Finnland gehörende Inselgruppe in der Ostsee, die aber von Schweden bewohnt wird und deshalb bereits seit 90 Jahren sich sehr autonom selbst verwaltet. Die Fähre auf die Inselgruppe ging von Grisslehamn, eine Autostunde nördlich von Stockholm. Die Anreise dorthin konnten und wollten wir natürlich nicht am ersten Abend schaffen, deshalb steuerten wir zunächst Torsö an, eine Insel im Vänern etwa zwei Stunden von Zuhause. Wie herrlich, wenn der Urlaub quasi vor der Haustür anfängt und nicht erst 1000 km Anfahrt und eine Ostseeüberquerung anstehen!

Dort sind wir auf einen wunderschönen kleinen Campingplatz gefahren, der nur zu empfehlen ist, weil er außer einem Plumpsklo und einer Solardusche keine Infrastruktur bietet. Weil es so schön ruhig war – das normalerweise fast unhörbare Pfeifen unseres Gaskühlschrankes erschien uns nach der ersten Nacht unheimlich laut -, weil wir ein wenig Zeit zum durchatmen haben wollten, und weil das Wetter zum Baden einlud, blieben wir gleich noch eine zweite Nacht.

Im strömenden Regen ging es am Sonntag weiter Richtung Westen. Nach einem kurzen Einkaufsstopp in Laxå fuhren wir nach Örebro, das uns immerhin eine kurze Regenpause gönnte. Vermutlich lohnt sich die Stadt mit mehr Ruhe, aber an einem Sonntagnachmittag mit dunklen Regenwolken im Nacken wirkte sie doch etwas trostlos, daran konnte auch das nette Altstadtviertel-Freilichtmuseum Wadköping nicht viel ändern. Auf der Weiterfahrt durch Västerås kamen wir in einen riesigen Stau (unser erster in Schweden!), da die Autobahn aufgrund des Regens gesperrt werden musste. Das war dann auch das spektakulärste, was wir an diesem Tag erlebten.

Unsere Fähre auf die Ålands ging erst am Montagabend, genug Zeit also, um am nächsten Tag einen längeren Stopp im sonnigen und belebteren (Montag eben) Uppsala einzulegen und „im Vorbeigehen“ noch schnell ein spätnachmittägliches Bad zu nehmen, bevor wir auf die Fähre fuhren.

Nach kurzer Überfahrt (<2 Stunden) mit der MS Eckerö von Grisslehamn nach Eckerö kamen wir spät auf den Ålands an, zumal uns die Zeitverschiebung eine Stunde geklaut hatte. Aber dadurch, dass wir uns jetzt ganz westlich in der neuen Zeitzone befanden, war es bis weit nach Mitternacht noch „lesehell“ (ob es überhaupt noch dunkler geworden ist, wissen wir leider nicht, irgendwann muss der Mensch ja auch mal schlafen). Es reichte noch zu einem kurzen Begrüßungstrunk mit Annikas Mutter und Lebensgefährten, die aus der anderen Richtung die Ålands erreicht hatten. (Mehr über deren zweimonatige Reise um die Ostsee: Bonjourelfie.)

(Alle Karten sind von eniro.se.)

Kinnekulle


Nach unserer Wanderung auf Hindens Rev ging’s via Lidköping weiter zum Kinnekulle, einem Tafelberg mit sensationellen 306 m. Da das Umland aber überwiegend aus Wasser und Pfannkuchenlandschaft besteht, machen die 306 m überraschend viel her.

An Ostern sind die meisten Campingplätze noch geschlossen, deshalb standen wir auch die zweite Nacht mit unserem Bus in freier Landschaft, was ja in Schweden dank Allemansrätt (Jedermannsrecht) mit gewissen Einschränkungen erlaubt ist. Ohne dass wir danach gesucht hätten, landeten wir abends auf diesem Platz in der Nähe von Hällekis:

Logenplatz

Einfach nur traumhaft… Der Platz war nach drei Himmelsrichtungen offen, und lag ein ganzes Stück oberhalb des Vänern, Schwedens größtem und Europas drittgrößtem See, sodass man eine sagenhafte Aussicht hatte. Schloss Läckö mit seinen schneeweißen Türmen, die Insel Kållandsö mit dem vorgelagerten Schärengarten von Eken und die Värmlandsnäs, aber auch die ganze Westküste zwischen Mellerud und Åmål konnten wir sehen, also über 70 km weit. Lediglich nach Norden war nur der blaue Horizont zu sehen. Zumindest solange, bis vor unserem Panoramahotel die Sonne unterging…


Die gängige schwedische Interpretation eines Osterfeuers scheint ein klassisches Feuerwerk zu sein. Und als es gegen halb 10 dann dunkel wurde, ging es los: Die komplette Küstenlinie war mit bunten Lichtern gesprenkelt und man konnte anhand der Raketen deutlich erkennen, wo Städte, Dörfer oder auch nur einzelne Häuser lagen.
Sogar Karlstad am nördlichen Vänernufer, das bei Tageslicht noch unter dem Horizont versteckt lag, ließ sich auf einmal erahnen, denn die Raketen kamen offensichtlich hoch genug, um die Erdkrümmung zu überwinden. Wenn ich dann mal ganz groß bin, habe ich vielleicht eine Kamera, die auch sowas einfangen kann…

Am Ostersonntag waren wir dann endlich oben auf dem Kinnekulle und haben eine schöne Schneewanderung gemacht. Schade nur, dass der Aussichtsturm noch geschlossen war. Aber das ist nur einer der Gründe, warum wir unbedingt nochmal in diese Ecke müssen.

Hindens Rev


Eiskalter Nordostwind bläst mir ins Gesicht, sodass mir die Tränen kommen. Mein rechtes Ohr und mein rechter Nasenflügel sind beinahe taub vor Kälte. Die Wellen brechen sich schon weit draußen und die Gischt schlägt hoch ans felsige Ufer. Die Horizontlinie ist leicht gekräuselt, was auf starken Wellengang hindeutet. Das Dröhnen des Windes und das Rauschen der Wellen machen ein Gespräch fast unmöglich.

Szenenwechsel.

Die Sonne scheint warm vom wolkenlosen Himmel, es ist fast windstill. Das Wasser liegt glatt vor mir und ganz leise plätschern Miniwellen ans Ufer. Meine linke Gesichtshälfte hätte ein wenig Sonnencreme gebrauchen können. Die großen Findlinge am Ufer sind sonnenwarm und laden ein, sich darauf zu legen und sich von oben und von unten wärmen zu lassen…

Zwischen diesen beiden Szenen liegen nur wenige Schritte, denn die Landzunge Hindens Rev ist zwar etwa fünf Kilometer lang, aber nicht mehr als einen Steinwurf breit.

Dennoch fühlte es sich an, als ob sie sich über mindestens zwei Klimazonen erstreckte – je nachdem, ob der Weg gerade an der Nord- oder der Südseite der Landzunge entlangführte. Je weiter wir zur Spitze kamen, desto mehr prallten die beiden Extreme aufeinander. Schade, dass die Bilder weder Lautstärke noch Temperatur wiedergeben…

Am südlichen Ansatz der Landzunge liegt außerdem einer der endlosen Sandstrände, die so typisch für den Vänern sind. (Tipp: In der Karte oben Satellitenansicht wählen!)
Am Ufer stehen zwar keine Palmen, sondern Kiefern, aber nun gut… Und ganz so weiß ist der Strand im Sommer auch nicht. Trotz Neuschnee war es ein wunderbarer Osterausflug, mit dem wir den Bus aus seinem Winterschlaf geweckt haben.