Jonas und ich feiern dieses Jahr in Schweden, zu dritt, mit Katze. Für die wenigen Tageslichtstunden heute ist eine größere Wanderung mit einer befreundeten Familie geplant, mit Glögg und Pepperkakor im Rucksack. Am Ende der Wanderung wird gegrillt, es gibt – was auch sonst? – Würstchen mit Kartoffelsalat. Das Wetter verspricht knapp über 0 und niederschlagsfrei zu werden. Vielleicht sogar Sonne, das wäre Luxus.
Jaja, ich weiß, das letzte Türchen an unserem diesjährigen Brevlåda-Adventskalender hätte eigentlich schon gestern erscheinen müssen…
Aber. Wir haben Ferien. Und nach Baum schmücken (Annika) und Essen kochen (Jonas) und Essen essen, fanden wir gestern beide, dass wir für einen Ferientag bereits genug geleistet hatten.
Mein Motto für diese Ferien, frei nach Loriot: Ich möchte einfach nur hier sitzen. Findet Pulcinella auch. Jetzt müssen wir uns nur noch einig werden, wer wann wo sitzen darf.
Frohe Weihnachten euch allen, die ihr hier mitlest!
Nach Jonas‘ Nacht-und-Nebel-Aktion in der Nacht von Freitag auf Samstag, wo er mal eben noch schnell den kompletten Wintergarten ein letztes Mal gestrichen hat, konnten wir am Samstag endlich alle Klebestreifen entfernen, die Bodenabdeckung wegschmeißen, alles einmal durchwischen und das Malergerüst gegen Möbel eintauschen, die schon seit September im Keller auf ihren Einsatz warten. Gestern stank es aber noch so erbärmlich nach Farbe, dass wir es nicht längere Zeit darin aushielten. Aber heute nachmittag haben wir jetzt endlich unseren Wintergarten bei Ostfriesentee und Plätzchen einweihen können.
Während ich hier im Schaukelstuhl sitze und meine Füße Richtung Kaminofen strecke, kocht Jonas in der Küche Wildschwein, Rotkohl und brät Speck an, das beste Mittel gegen Farbgeruch…
Und so sieht es jetzt hier drin aus:
Ehrlich gestanden ist es im Dunkeln hier drin deutlich gemütlicher als im „Hellen“ (oder das, was der schwedische Mittwinter so an Helligkeit hergibt). Obwohl die Handwerker am Freitag noch einen ganzen Container Krempel abgeholt haben, sieht es draußen nach wie vor aus wie bei Hempels unterm Sofa auf einer Baustelle.
Die Drainage ist erst teilweise fertig, und daran wird auch erst im Frühjahr weitergearbeitet, wenn der Boden nicht mehr gefroren ist. Deshalb haben wir gerade einen Burggraben mit Zugbrücke um den Wintergarten. Und von außen ist das Ganze auch noch nicht gestrichen sondern nur grundbehandelt.
Aber zum Glück ist es ja gerade 18 Stunden am Tag dunkel und 6 Stunden lang nicht hell, so bleibt einem die Aussicht auf das Elend in unserem sogenannten Garten erspart. Und bei dem Wetter will eh keiner raus.
Gardinen fehlen noch, im Moment sitzen wir hier ziemlich auf dem Präsentierteller. Aber wir gucken ja Richtung Wald, und wenn uns der eine oder andere Elch auf dem Sofa sitzen sieht, stört mich das nur marginal…
Nach den Schulabschlussfeiern und dem obligatorischen Julfika mit Smörgåstårta mit den Kollegen endlich ins Bett fallen und richtig krank sein. Hallo Weihnachtsgrippe!
Krank sein passt ja irgendwie nie, aber selten so wenig wie kurz vor Weihnachten. Seit Sonntag huste und schniefe ich und habe Fieber und gehöre eigentlich ins Bett, aber gerade ist jeden Tag irgendwas, warum man es sich gerade nicht leisten kann, zuhause zu bleiben.
Heute z.B. das große Musikschulweihnachtskonzert, wo wir wirklich alles auffahren, was die Musikschule so zu bieten hat (mit Ausnahme des großen Orchesters, die haben soviel Programm, dass die ihr eigenes Konzert machen). Heute also: kleine Orchester, mittelgroße Orchester, Streicher, Bläser, Sänger, Gitarristen, Pianisten, Neuanfänger, Fortgeschrittene, angehende Musikstudenten… 90 Minuten querbeet. Und auch immer nett: der Auftritt unseres Fördervereins mit Umschlagüberreichung. Mich freut das tatsächlich, dass die Vorsitzende vom Elternverein uns jedes Jahr auf die Bühne holt und einmal vor 250 Eltern aufzählt, was wir im vergangenen Jahr alles außerhalb unserer Kernaufgaben auf die Beine gestellt haben.
Im Konzert hatte ich heute vier Pianisten dabei: einmal Solo, einmal vierhändig mit mir, einmal mit Trompete, einmal mit Gesang. Alle vier haben ihre Sache gut gemacht, brauchten aber zum Teil vor dem Konzert nochmal eine Infusion Selbstvertrauen. Das kann man leider nicht mal eben an einen Kollegen übergeben. Und Schubert Militärmarsch spielt auch keiner meiner Kollegen vom Blatt.
Das Stück ist in Schweden ein richtiger Weihnachtsklassiker, weil jedes Jahr an Heiligabend um 15.00 Kalle Ankas Jul, Weihnachten mit Donald Duck, im ersten Programm ausgestrahlt wird (Schubert ab 4:17):
Tagsüber habe ich noch normal unterrichtet, denn wenn gerade kein Konzert ist, dann ist es doch für einige die letzte Unterrichtsstunde vor dem nächsten Auftritt bei einer Schulabschluss- oder Luciafeier, sodass man irgendwie nie krank machen kann, ohne das Gefühl zu haben, jemanden im Stich zu lassen.
So habe ich mich also heute schniefend und hustend durch den Tag geschleppt und fleißig Alvedon (so heißt Paracetamol in Schweden) und Koffeintabletten gegessen. Mittwoch und Donnerstag kommen noch jeweils zwei Luciaauftritte, wo ich Chöre am Klavier begleite – die Grippe muss sich noch bis Donnerstagnachmittag gedulden.
Knalle ist das lokale Wort für einen fahrenden Händler und ein wichtiger Teil der Boråser Identität. Die Gegend um Borås, auch Sjuhärad genannt, war früher arm und für Landwirtschaft aufgrund der kargen Böden nur bedingt geeignet. Gleichzeitig war der schwedischen Krone die Loyalität der Menschen hier aber sehr wichtig, handelte es sich doch lange Zeit um eine Grenzregion zum Erzfeind Dänemark. Daher gab man den Bewohnern das Recht, auch außerhalb von Märkten Handel zu treiben. Vor allem mit Wolle und Stoff machten sich über mehrere hundert Jahre die knallar auf in alle Teile Schwedens, um mit ihren Waren von Tür zu Tür zu ziehen.
An verschiedenen Stellen in Borås ehrt man diese Vergangenheit: mit Straßennamen, Kunstwerken und Betonabsperrungen (diese Dinger, den Straßenverkehr aus autofreien Straßen fernhalten, sehen hier aus wie ein rastender Wanderer).
Ein fahrender Händler – Verkehrsabsperrung in Borås (Quelle: www.ubab.se)
Außerdem heißt das örtliche Shoppingcenter auf der grünen Wiese Knalleland. Da bin ich heute hingefahren, um ein paar schnelle Besorgungen zu erledigen. An einem Adventssonntag. Ich glaub‘, ich hab ’nen Knall!
Erledigte Konzerte im Advent (Jonas/Annika/Gesamt): 3/1/4 Noch zu spielende Konzerte im Advent (Jonas/Annika/Gesamt): 3/6/9
Am Samstag war Halbzeit was meine Adventskonzerte für dieses Jahr anbelangt, Annika hat das meiste noch vor sich. Bachs Weihnachtsoratorium, das große Streicherabschlusskonzert und gestern Jul i GA (Weihnachten in der Gustav-Adolfs-Kirche), wahrscheinlich das traditionsreichste Konzert der Kulturschule, liegen hinter mir, Händels Messias und zwei kleinere Konzerte mit Solisten und kleinen Streicherensembles noch vor mir.
Jul i GA gibt es meines Wissens nach seit mindestens dreißig Jahren, vielleicht auch schon länger. Dieses Jahr war jedoch einiges anders: Der Kollege, der seit vielen, sehr vielen Jahren die Hauptverantwortung hatte, ist seit den Sommerferien im verdienten Ruhestand. Es war also an der Zeit, dass wir jüngeren Kollegen das Ruder in die Hand nahmen.
Bisheriges Hauptmerkmal von Jul i GA war ein größeres Werk für Chor und Orchester/Ensemble: hierfür habe ich zum Beispiel 2016 mein Stück Tomten geschrieben, was nur durch einen weiteren externen Chor mit ausreichend Männerstimmen möglich war.
Dieses Jahr wollten wir das Konzert aber ohne externe Hilfe auf die Beine stellen: Mitwirkende waren ein aus mehreren Chören zusammengesetzter Frauenchor, das Gitarrenorchester, unser Streichorchester, eine Solistin sowie mehrere Lehrer. Jedes Ensemble hatte ein wenig eigenes Programm und zum Schluss haben wir dann alle zusammen zwei Weihnachtslieder gespielt und gesungen, arrangiert von mir. Darunter die in Schweden sehr populäre Julvisa von Jean Sibelius mit einem sehr schönen Text von Mikael Wiehe. Leider hat Annikas Handy gestreikt daher fehlt das Vorspiel:
Zum Konzertabschluss wurde es aber doch wieder traditionell: Seitdem es Jul i GA gibt, steht am Schluss Dagen är kommen, die schwedische Version von Adeste fideles/O Come All Ye Faithful/Herbei, o ihr Gläub’gen oder Nun freut euch, ihr Christen oder welche Version man nun anführen will. Um der Tradition genüge zu leisten, musste noch das richtige Arrangement gewählt werden: drei Strophen vierstimmiger Choral, eine Strophe mit Oberstimme und eine dramatisch-festliche letzte Strophe für das richtige Weihnachts-Gänsehaut-Feeling.
„Das ist so gemütlich, wenn man bei euch reinkommt und hinter jeder Tür hört man ein anderes Weihnachtslied.“
Sagte eine Klavierschülerin, die heute zu einer Sonderprobe mit einer Gesangsschülerin in die Musikschule kam. Die beiden sind eines von drei Kammermusikprojekten, die ich fürs erste Weihnachtskonzert nächsten Dienstag zusammengestellt habe.
Pianisten kriegen ja sonst immer eher wenig Ensemblespiel ab, es gibt einfach zu viele davon, um alle in irgendwelchen Ensembles unterzubringen. Manche Kollegen experimentieren deshalb mit Projekten wie „Synthesizerorchester“ rum, aber da rollen sich mir die Fußnägel hoch.
Dann doch lieber Überstunden sammeln mit vielen kleinen Projekten. So wie z.B. den beiden Teeniemädels, die auf eigenen Wunsch ein freikirchliches Kirchenlied spielen und singen werden. Jesus-Pop ist jetzt ja nicht so meins, aber wenn die Schüler dafür üben, solls mir recht sein. Und eine schöne Abwechslung zu Jinglebells, dessen Refrain im anfängerfreundlichen Fünftonraum mir aller Gemütlichkeit zum Trotz zu den Ohren rauskommt, ist es allemal.
Ok, das klingt jetzt furchbar fatalistisch. Aber heute Abend war meine erste julavslutning. Egal was man in Schweden macht, sei es arbeiten, zur Schule gehen, die Kulturschule besuchen, Fußball spielen oder Bienen züchten: Zweimal im Jahr, nämlich zu Weihnachten und vor der Sommerpause, muss man diese Aktivität mit irgendeiner Veranstaltung beenden – mit einer avslutning. Avslutning heißt Abschluss, julavslutning also Weihnachtsabschluss. Das kann in Form einer großen Weihnachtsfeier mit julbord (Weihnachtsbuffet) sein, ein Konzert oder auch nur ein letztes Treffen mit extra viel Fika. Aber eine julavslutning pro sozialer Aktivität muss sein.
Heute haben wir also schon einmal achtzig Schüler in die Ferien geschickt – obwohl viele von ihnen noch weiterhin Unterricht haben werden. Aber die Ensembles hören diese Woche auf und viel Unterricht fällt in den letzten Wochen vor Weihnachten wegen anderer Aktivitäteten aus. Zum einen müssen wir Lehrer nämlich noch bei anderen julavslutningar mitmachen, zum anderen beenden auch die vielen anderen Aktivitäten unserer Schüler dieses Halbjahr, was dann häufig zu terminlichen Konflikten mit dem Unterricht führt.
Heute versammelten wir sechs Lehrer also alle Streicherschüler bis zur sechsten Klasse inklusive deren Eltern in unserer neuen Kulturschule zu einem gelungenen Konzert. Mit dabei übrigens neun Kontrabassisten! Meine Klasse wächst langsam und stetig. Für den festlichen Teil sorgte der Elternverein, der Glögg und Pepparkakor verkaufte. Und nach dem Konzert, zufrieden und völlig fertig, konnte ich eine deutliche Vorfreude auf die Weihnachtsferien spüren, die jetzt gar nicht mehr weit sind.