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Zwei Schritte vorwärts


Zwei Verträge habe ich gestern unterschrieben: einen Mietvertrag und einen Arbeitsvertrag. Es fühlt sich an wie zwei Schritte vorwärts… sicherlich geht es auch irgendwann wieder einen zurück, deswegen find ich es umso wichtiger, das Vorwärts festzuhalten.

Nachdem ich bei der Hausbesichtigung gehört hatte, dass es über 40 andere Interessenten gab, wollte ich es gar nicht mehr so toll finden, um die Enttäuschung in Grenzen zu halten. Gestern waren wir dann fast eine Stunde lang alleine im Haus und haben gemessen und geguckt, entdeckt und fotografiert. Es ist immer noch Baustelle, es werden gerade noch Böden verlegt, Wände tapeziert und die Küche neu gemacht, deswegen sieht es noch etwas chaotisch aus. Aber viel fehlt nicht mehr und seit letztem Mal hat sich schon viel getan. (Bilder kommen auch irgendwann.)

Um das Haus herum stehen erfreulicherweise nur halb soviele Bäume, wie wir dachten. Vor allem in Jonas‘ Erinnerung waren die Bäume riesig, dunkel und engstehend gewesen. Ich hatte dafür den Flur doppel so lang in Erinnerung, was sich heute als riesiger Spiegel herausstellte. Seltsam, welche Streiche Wahrnehmung und Erinnerung einem manchmal spielen.

Weil ich dann gestern viel Zeit hatte, während Jonas die Kohle (die für den Saunaofen, ihr wisst schon…) verdient hat, habe ich auch gleich unsere zwei nächstgelegenen Badplätze inspiziert. Ich hoffe auf baldiges Zufrieren des Sees. Dann kann Jonas auf Schlittschuhen zur Arbeit…

Der Steg liegt zur Zeit zum Schutz gegen Eis auf dem Trockenen.
Der Steg liegt zur Zeit zum Schutz gegen Eis auf dem Trockenen.

Beim Aufsetzen des Mietvertrages dann noch eine kleine Überraschung: wir haben keine Adresse. Also keine „richtige“, so mit Straße und Hausnummer. Stattdessen hat das Haus einen Namen: „Lichtung am See“, danach folgen Postleitzahl und Ort. Das klingt jetzt alles furchtbar nach kitschigem Bullerbü-Fetischismus, ich weiß, aber es ist einfach zu nett, um es an dieser Stelle nicht zu erwähnen.

Wenden wir uns also wieder dem Ernst des Lebens zu – das ist ab Januar mein Arbeitsplatz:

„Haus der Musik“ – Quelle: http://www.boras.se

Ich war so aufgeregt, dass ich nicht an die Kamera im Rucksack gedacht habe, als ich gestern dort war, daher ausnahmsweise kein eigenes Bild. Meine Kollegen – also die restlichen vier, die ich noch nicht bei einem der Vorstellungsgespräche getroffen habe – werde ich aber noch im Dezember kennenlernen, voraussichtlich am Luciatag.

Frisch verliebt


Nachdem mich ja mein Ex vor kurzem verlassen hat, tändle ich mit seit einer Weile wieder mit einem Neuen. Zuerst ein paar vorsichtige Emails, dann das erste Blind Date. Dann das Warten auf seinen Anruf. Der dann auch kam – am Abend, bevor ich nach Deutschland geflogen bin. Na toll… ob ich ihn wohl noch eine Woche hinhalten konnte? Würde er das mit sich machen lassen…? Ja, er wartete auf mich, aber er hatte noch eine andere, die ihm auch ganz gut gefiel und bevor er sich für eine von uns entscheiden könne, wolle er uns beide nochmal treffen. (Nicht so schön das, aber wenigstens war er ehrlich.)
Dann gestern unser zweites Date… Und die alles entscheidende Frage: Willst Du mit mir gehen? Ja. Nein. Vielleicht.

Er wolle mit seiner Familie drüber reden und eine Nacht drüber schlafen, sagte er, und sich dann heute melden. Meine Nacht hingegen war eher schlaflos. Ab acht Uhr hielt ich krampfhaft das Telefon in der einen, das Handy in der anderen Hand. Nicht mal aufs Klo wollte ich gehen. Als es sich dann nicht mehr vermeiden ließ, lagen beide Telefone auf der Klorollenhalterung.

Endlich klingelte es… mööörp, Fehlalarm – bloß irgendein Heini, der mir ein neues Telefonabo an die Backe quatschen wollte. Und damit blockierst Du meine Leitung, du Doofkopp?!

Um zwei hatte er sich immer noch nicht gemeldet und ich war in der Stimmung, mir die Decke über den Kopf zu ziehen und die nächsten Monate im Niemandsland zwischen Herbstdepression und Winterschlaf zu verbringen.

Um halb vier hatte das ungewisse Warten dann endlich ein Ende. Ich fasse den Inhalt des Gesprächs und meinen aktuellen Gemütszustand kurz zusammen:

Er ist übrigens Musiker und will, dass ich seinen Kindern Klavierunterricht gebe. Und ein bisschen Blockflötenunterricht. Und ein bisschen korrepetieren. Ein Orchester hat er auch, da soll ich auch ab und an dirigieren.  Wenn ich will, darf ich seine Kinder auch für Musiktheorie begeistern. Oder sie beim Komponieren unterstützen. Oder einen Chor gründen. Oder, oder, oder… Gut, dass ich das alles mal in der Bräuteschule gelernt habe. Mein Neuer wirkt da sehr freizügig, was meine ehelichen Pflichten angeht.

Toll ist auch sein Wohnort: ganz in der Nähe von Jonas‘ Nebenfrau – die beiden sind sogar miteinander verwandt! – in einem Stadtteil, der wegen seiner Lage und seiner Einwohnerschaft liebevoll „Beverly Hills“ genannt wird. Damit steht jetzt definitiv wieder ein Umzug an, das hatten wir ja schon lange nicht mehr. Oder so.

Nächste Woche unterschreiben wir den Ehevertrag, die Hochzeit ist dann Anfang Januar. Bis dahin sollte sich mein Endorphinspiegel wieder normalisiert haben, sodass ich mich wie ein gesitteter Mensch aufführe und nicht unvermittelt aufspringe und qietschend durch die Gegend hopse.

Unverhofft kommt oft


Eigentlich hatte ich den Job als Kontrabasslehrer schon fast abgeschrieben, denn keine meiner Referenzen hatte mir von einem Anruf berichtet – und da sich die Musikschule schon sehr bald entscheiden wollte, war ich davon ausgegangen, dass man sich für einen anderen Kandidaten entschieden hatte.

Wie man doch falsch liegen kann! Gestern bekam ich den Anruf: die Musikschule möchte mich gerne einstellen. Zu 50 Prozent, mit Einzelunterricht, Orchester, Ensembles, Klassenmusizieren, Unterrichtsvorbereitung, Verwaltung, Konferenzen… Alles, was man als echter, angestellter Musikschullehrer so macht. (Leider werden in Deutschland die meisten Musikschullehrer nur noch mit Honorarverträgen angestellt. Geld gibt es dann nur für den tatsächlich gegebenen Unterricht, und wenn ein Schüler mal krank wird, bekommt man entsprechend weniger.) Nächsten Mittwoch werde ich wieder hinfahren, dann muss ich die genauen Anstellungsbedingungen aushandeln und bekomme eine Masse neuer Informationen, wie dann mein Alltag als Musikschullehrer ab dem 18. August aussehen wird. Ich freue mich auf jeden Fall riesig!

Von Baby-Elefanten und Bewerbungsgesprächen


Kurz nachdem Annika wusste, dass sie den neuen Job bekommen würde, entdeckte ich eine spannende Anzeige auf der Seite der arbetsförmedlingen: Die dortige Kulturschule suchte zum neuen Schuljahr einen Kontrabasslehrer, Teilzeit und tillsvidare (unbefristet). Zum Glück darf man in Schweden gleichzeitig arbeiten und studieren, was in Deutschland meines Wissens nur eingeschränkt möglich ist, so dass ich mich bedenkenlos bewerben konnte. Als ich einige Tage später bei der Kulturschule anrief, um zu fragen, wie weit denn die Auswahl schon gediehen sei, bekam ich meinen Termin für das Bewerbungsgespräch gleich per Telefon durchgegeben. Zusätzlich sollte noch eine kleine Probeprobe mit einem Ensemble der Schule stattfinden. Meine Freude war natürlich groß, denn zum einen vermisse ich das Kontrabassspiel, zum anderen aber auch, überhaupt unterrichten zu können. Außerdem fände ich es schön, nach dem Studium nicht in das große „Und-was-mache-ich-jetzt?“-Loch zu fallen, sondern zumindest teilweise zu wissen, wie es weitergeht.

Erst einige Wochen später, nachdem ich mir schon Sorgen gemacht hatte, ob ich mich denn jetzt wirklich vorstellen dürfte, bekam ich endlich auch die schriftliche Einladung inklusive der Noten für die Probe.
Gestern war es dann soweit. Das Vorstellungsgespräch verlief ziemlich genau so, wie ich es mir ausgemalt hatte: Eine ziemlich große Kommission – sechs Menschen in unterschiedlichen Funktionen – saß mit mir an einem runden Tisch. Wir redeten über alles mögliche, freundlicher Smalltalk wurde mit jobrelevanten Fragen vermischt. Neben meinen Erfahrungen als Kontrabasslehrer ging es ebenso um mein Studium und Annikas Job; sogar unser VW-Bus wurde zum Thema, denn der Schulleiter träumt anscheinend schon lange von einem Wohnmobil. Als er mich dann fragte, was wir denn im Sommer damit vorhätten, fragte ihn die Geigenlehrerin: »Warum, willst du es dir ausleihen?« Angenehm fand ich übrigens, dass mir ohne Nachfrage mitgeteilt wurde, dass es insgesamt nur drei Bewerbungen auf die Stelle gab – alle Geigen- und Klavierlehrer dürfen jetzt gerne neidisch gucken.

Am Nachmittag war dann die Probe angesetzt: Zuerst stand Henry Mancinis Baby Elephant Walk aus dem Film Hatari! auf dem Programm, gespielt vom Streichorchester der Kulturschule, danach ein klassisches Streichquartett von Johann Georg Distler. Leider waren sie mit dem Zeitplan anscheinend schon ziemlich im Verzug, da man aber die Kinder trotzdem pünktlich wieder entlassen wollte, hatte ich sehr wenig Zeit und konnte keinen wirklich schönen Bogen schlagen. Insgesamt habe ich mich aber nicht ganz schlecht geschlagen, glaube ich.

Nächste Woche wollen sie mir Bescheid geben. Außer dem Kontrabassunterricht könnte ich auch noch andere Aufgaben übernehmen, zum Beispiel E-Bass, Orchester, Band, Vorstellung der Streichinstrumente in Grundschulen, vielleicht sogar etwas Kompositionsunterricht.
Das alles ist sehr spannend, aber jetzt heißt es vorerst Bangen und Hoffen. Andererseits muss ich mir aber auch sagen, dass das mein erstes „echtes“ Bewerbungsgespräch außerhalb einer Hochschule war und dass ich noch ein Jahr Zeit habe, um mich umzugucken und hier und da zu bewerben, bevor mein Studium zu Ende ist. Ich habe also nichts zu verlieren.

Aber trotzdem…

Mehr Geld!


Dass Schweden in absehbarer Zeit nicht der Eurozone beitreten will, wurde gestern klar, als die Serie neuer Scheine vorgestellt wurde, die 2015 in Umlauf gehen soll. Mit seiner Serie „Kulturresan“ (Kulturreise) hat der Entwurf des Designers Göran Österlund den Wettbewerb gewonnen:

Quelle: Riksbanken

Auf den Scheinen sieht man Portraits von Astrid Lindgren, Evert Taube, Greta Garbo, Ingmar Bergman, Birgit Nilsson und Dag Hammarskjöld und auf der Rückseite jeweils eine zur Person passende schwedische Landschaft. Auch wenn sich in der Tagespresse heute einige pseudofeministische Leserbriefe darüber mokierten, dass „mal wieder“ auf dem kleinsten Schein ein Frau und auf dem größten Schein ein Mann ist, finde ich den Gedanken ziemlich süß, auf den kleinsten, den „Kinderschein“, wieder eine Person zu drucken, die einen gewissen Wiedererkennungseffekt für Kinder bietet. Seit 25 Jahren ist auf diesem Schein übrigens Selma Lagerlöf und auf der Rückseite Nils Holgersson abgebildet.

Auffällig ist auch, dass sich nun kein König mehr auf den Scheinen findet, während aktuell auf den beiden größten Scheinen noch schwedische Könige zu sehen sind. In der o.g. Zeitung las ich heute außerdem, dass der erhoffte „Estelle-Effekt“ bisher anscheinend ausgeblieben ist und das Königshaus nach wie vor an Sympathie verliert. Aber das nur am Rande.

Um nun auf den Titel zurückzukommen: es ist tatsächlich auch ein Schein mehr, denn im Moment gibt es keinen 200-Kronen-Schein, was anscheinend viele Schweden stört, mir aber tatsächlich noch gar nicht aufgefallen war…

…, denn sonderlich viel Geld hatten wir ja in letzter Zeit eh nicht…ähöm… :-) Das wird sich aber nun hoffentlich bald ändern, denn seit einer Woche habe ich einen neuen Job. Vollzeit. Und nach der Probezeit von sechs Monaten soll ich eine unbefristete Anstellung übernommen werden.
Nachdem ich nun über zwei Jahre in mehreren meist sehr spannenden, interessanten und abwechslungsreichen Anstellungsverhältnissen gearbeitet habe, die überwiegend auch entsprechend unsicher und lausig bezahlt waren, habe ich jetzt einen vergleichsweise üppig entlohnten Job. („Vergleichsweise“ in Relation zu dem, was ich vorher hatte, nicht unbedingt bezogen auf den schwedischen Durchschnitt.)

Daher pendle ich jetzt jeden Tag über 70km (einfache Strecke), um für ein internationales Unternehmen den Webauftritt ins Deutsche zu übersetzen. Die Fahrt geht überwiegend durch den Wald, sodass ich knapp 90 Minuten für eine Fahrt rechnen muss. Wir werden sehen, wie lange das machbar ist. Für den Moment freue ich ich mich erst mal über mehr Geld mit alten schwedischen Männern drauf…

Ein Jahr Brevlåda


Wie der Titel schon sagt: heute vor einem Jahr ist Brevlåda online gegangen. Wenn ich denke, wo wir vor einem Jahr noch standen… manmanman, wir wussten noch nichtmal, wann und wohin wir nach Schweden ziehen würden. Und jetzt sind wir schon bald sieben Monate hier. Unser Sechsmonatsrückblick ist ja leider wegen dieser Autogeschichte irgendwie unvollendet geblieben, aber…

Kurzes Update: Der Wagen wurde von der Versicherung als Totalschaden eingestuft, weil die Reparaturkosten den Wert des Autos überstiegen hätten und es musste daher verschrottet werden. So hässlich diese ganze Autogeschichte auch war, wir haben ganz tolle Unterstützung von unseren Eltern und da der schwedische Kleinwagen-Gebrauchtmarkt eher mau aussieht (gefühlt gab es nur Volvos und andere Kombis oder Geländewagen), wurde für uns in Deutschland gesucht und gefunden. Aber das ist eine andere Geschichte, die einen eigenen Artikel verdient.

… gerade passiert auch so viel, dass es mir müßig erscheint, irgendwelche Rückblicke zu schreiben, weil zur Zeit wieder soviele Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden wollen. Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Und die letzten drei Wochen war hier ganz schön Durchzug, um im Bilde zu bleiben. Ganz oft hatte ich das Bedürfnis, wie bei einer DVD mal kurz auf „Pause“ zu drücken, um die neuesten Ereignisse irgendwie für mich sortieren zu können, bevor wieder neue Informationen auf mich einstürmten und schnelle Entscheidungen von mir verlangten. Ausgerechnet von mir. Entscheidungen. Schnell. Haha…

Der Traumjob als Waldpädagogikprojektleiterin, für den ich bereits eine Absage erhalten hatte, meldete sich nochmal, weil der Wunschkandidat abgesprungen war. Allerdings war die Stelle auch von 100% auf 50% geschrumpft und damit auch nur noch halb so interessant. Ungefähr zeitgleich hatte sich aber auch eine eine andere spannende Stelle aufgetan, 70 km von hier. Vollzeit, unbefristet. Nicht Lehrer. Aber auch das verdient bei Gelegenheit einen eigenen Artikel.

Mein 30%-Job in der Schule wächst sich langsam zu einer veritablen 95%-Stelle aus, zumindest was den Arbeitsaufwand angeht, nicht die Bezahlung. Wäre auch einen ganzen Artikel wert. Ebenso wie die Tatsache, dass meine Schule am letzten Freitag, meinem freien Tag, geschlossen war, weil in einem Restaurant im gleichen Gebäudekomplex in der Nacht etwas explodiert ist. Die Polizei ermittelt noch, aber im Moment gehen die Vermutungen in Richtung Bombenanschlag. Gruselig das.

Und ich will mich hier heute über ein Jahr „just another wordpress blog“ auslassen…? Ja, will ich. 110 Artikel, das macht statistisch etwa zwei Artikel die Woche. 12 000 Klicks in diesem Jahr, macht etwa 32 am Tag; wobei wir in den Monaten vor dem Umzug unter 20 Besucher pro Tag hatten und die Zahlen seit August ständig wachsen. Ist das Schielen auf die Statistik dem Streben nach 15 minutes of fame geschuldet? Nein. Vielmehr dem Wunsch oder der Hoffnung, so mit den Freunden in Deutschland in Kontakt zu bleiben, ganz so wie wir es vor einem Jahr formuliert haben:

Brevlåda („Breew-lohda“) ist schwedisch und bedeutet Briefkasten. Als Schnittstelle zwischen uns und der Welt soll er Berichte über unser Leben vor, während und nach dem Umzug sammeln und später den Kontakt nach Deutschland aufrechterhalten.

Gelingt uns das? Schwer zu sagen, denn leider nutzen (noch) nicht so viele unserer Leser die Kommentarfunktion, die es zu jedem Artikel gibt. Aber wenn dann immer mal wieder ganz unerwartete Mails oder Kommentare von Menschen kommen, von denen wir lange nichts mehr – oder auch noch nie etwas – gehört haben, dann freuen wir uns jedesmal riesig. Und meistens – Asche auf unser Haupt, weil nicht immer – antworten wir auch.

Im diesem Sinne stelle ich hier jetzt mal ein paar Briefkästen hin, die ich in den letzten Monaten gesammelt habe und vielleicht mag sich ja der eine oder andere stumme Mitleser mal zu erkennen geben und ein virtuelles Zettelchen einwerfen…

Seit sechs Monaten in Schweden – I


Heute vor sechs Monaten, an einem Dienstag im August, sind wir in Schweden angekommen. Zeit also für einen kurzen Zwischenstand. Ausgehend von unseren Kategorien in der rechten Spalte werden wir die nächsten Tage ein wenig auf das letzte halbe Jahr zurückblicken.

Arbeta och studera – arbeiten und studieren:

Jonas:
Als Komponist habe ich fantastische Bedingungen an der Göteborger Musikhochschule. Meine Auftragskomposition für großes Orchester wird im April uraufgeführt und demnächst beim Sirén-Festival, bei dem drei Tage lang die ganze Hochschule im Dienste der Kompositionsklasse steht, stehen drei meiner Stücke auf dem Programm (mehr dazu). Die Chemie zwischen mir und meinen drei Hauptfachlehrern (Komposition, Komposition und Komposition) stimmt ebenfalls und mit meinen Kommilitonen komme ich immer mehr in Kontakt – ich bin ja nicht so oft in Göteborg und daher ergeben sich auch nicht so viele Möglichkeiten für Diskussionen mit den anderen Kompositionsstudenten der Hochschule.
Auch hier bei uns in der Kommune bin ich bereits als Komponist angekommen und erhielt von unserer Kommune Ale das Kulturstipendium 2011, was die Lokalpresse auch gebührend würdigte

Annika:

Die Dinge gehen vielleicht nicht immer gerade, aber immer irgendwie vorwärts...

Es hat zwar fünf Monate gedauert, aber im Januar hat es dann endlich mit einer Anstellung geklappt. Fünf Monate waren länger als erhofft, aber kürzer als befürchtet. So richtig fest im Sattel sitze ich zwar noch nicht, weil der Job nur teilzeit und befristet ist, aber dennoch fühlt es sich für den Moment gut an. Zumal sich allmählich zeigt, dass ich immer öfter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werde und eine unbefristete Festanstellung in einer Position, in der ich mich weder über- noch unterfordert fühle, nicht völlig außer Reichweite ist. Also alles im gelben Bereich mit Tendenz ins Grüne.
Außerdem profitiere ich von den zahllosen kostenlosen Weiterbildungsangeboten hier in Schweden. So viele Sprachkurse und eine Weiterbildung im Projektmanagement hätte ich mir in Deutschland nicht leisten können.


Ein Intervju und ein Ausflug an die Küste


Letzten Samstag hatte ich ein anställningsintervju für eine Vollzeitstelle in Bohuslän und da wir die lange Fahrt (nach deutschen, nicht nach schwedischen Maßstäben) dann schon mal hinter uns hatten, haben wir den Rest des Tages für ausgiebiges Sightseeing genutzt.

Es war zwar nicht so kalt wie in Piteå, wo an diesem Tag -34° gewesen wären (Piteå stand ja im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Schweden eine Zeitlang ganz oben auf der Wunschliste), aber auch bei uns kletterte das Thermometer an diesem Tag in der Mittagssonne auf der Fensterbank gerade mal auf -12°.

Beim Frühstück haben wir -19°C – zum Glück nur draußen

Nach dem Intervju am Vormittag kamen wir an einem See vorbei. Da nur Tierspuren auf dem Eis waren, haben wir uns nicht weiter hinaus getraut, sondern blieben brav am Ufer.

Winterschilf am Aspen

Dann gings weiter Richtung Küste. Unterwegs fuhren wir an einigen zugefrorenen Wasserfällen vorbei. Eigentlich waren das gar keine richtigen Wasserfälle, sondern nur Rinnsale; ich fand es trotzdem ziemlich beeindruckend.

Wer ist größer?
Warum hast du so ein großes Maul?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glitzerndes Eis
In der Halle des Bergkönigs

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schließlich kamen wir in Bovallstrand an, einem kleinem Fischerort. In dieser Gegend gibt es einige Fjorde und die waren alle zugefroren, aber das offene Kattegat ist natürlich eisfrei. Die Küstenorte in Bohuslän, die im Sommer ziemliche Touristenmagnete sind, sind jetzt im Winter menschenleer, aber deshalb nicht weniger idyllisch – im Gegenteil.

Bovallstrand
Strand und Steg

Auch wenn ich den Job letztendlich nicht bekommen sollte, so hat sich die Fahrt doch wenigstens für diesen wunderschönen Tag gelohnt. Abends zeigte der Kilometerzähler im Auto übrigens über 200km an. Also läppische 20 schwedische mil (Meilen)…

Tadaaa!!


Meine Güte ging das schnell! (Der Satz war jetzt bei Olaf geklaut:-)) Auch wenn es erst Donnerstag ist, ist, glaube ich, heute schon ein kleiner Überblick über die Woche fällig.

Montag:
Ich finde eine Jobannonce, die schon etwas veraltet scheint und frage an, ob sie noch aktuell ist. Die Antwort kommt zügig: man habe zwar schon einige Kandidaten, sei aber nicht richtig zufrieden, meine Bewerbung ist also noch välkommen. Ich schicke meine Bewerbung und am frühen Abend kommt ein Anruf: Bewerbungsgespräch am Dienstag? Jo, passt.

Dienstag:
Bewerbungsgespräch. Sehr neutral und kühl, nicht die Kuschelatmosphäre, die ich bisher in schwedischen Schulen kennengelernt habe. Ich habe zwar das Gefühl, alle Fragen „irgendwie ok“ pariert zu haben, aber angenehm ist anders. Es kamen keine Fangfragen, alles ausschließlich jobbezogen (und deshalb erwartbar), null Smalltalk. Zumindest bekomme ich das Feedback, dass meine Kleidung dem Dresscode der Schule angemessen ist. Um die Frage nach meinen Gehaltsvorstellungen winde ich mich herum.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Intelligenztest

Mittwoch:
Der nächste Schritt im Rekrutierungsverfahren sind zwei Online-Tests: Intelligenz und Persönlichkeit. Der Intelligenztest besteht aus 40 geometrischen Aufgaben von nebenstehendem Typ, für die ich 30 Minuten Zeit habe. Die ersten 20 Aufgaben fallen mir leicht, danach wird es schwieriger, am Schluss rate ich mich irgendwie durch.
Der Persönlichkeitstest ist ein klassischer Big-Five-Test und besteht aus 120 Sätzen, die ich auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 4 (stimme voll zu) bewerten soll: „Ich rede gerne vor größeren Gruppen.“ „Ich finde es wichtig, dass sich alle an gegebene Regeln zu halten.“ „Bei schwierigen Aufgaben gebe ich schnell auf.“

Offensichtlich besitze ich sowohl Intelligenz als auch Persönlichkeit (zumindest genug für solche Tests…), denn am frühen Abend kommt der Anruf der Schule: Die Tests habe ich bestanden und wenn ich will, kriege ich den Job – YEAH! Und erneut die Frage nach meinen Gehaltswünschen. Wieder laviere ich mich raus, ich will erst noch mit zwei Lehrerinnen aus dem Chor sprechen, die ich den Tag über nicht erreicht habe. Der weitere Abend vergeht mit Telefonaten und Lohnrecherche.

Donnerstag:
Ich bringe erst Jonas zum Flughafen, der übers Wochenende beim Neujahrskonzert der FES in Bonn spielt und fahre anschließend weiter zur Schule. Die erste Gehaltsverhandlung meines Lebens steht an. Ich weiß, was ich will, ich weiß wo meine Untergrenze ist. Als es dann soweit ist, sage ich eine Zahl, die wohl völlig unerwartet ist. Merke für die Zukunft: in Schweden verhandelt man bei Teilzeitstellen nicht das tatsächliche Gehalt, sondern das 100%-Niveau und rechnet dann entsprechend runter. Wir multiplizieren also schnell (und sehr „über den Daumen gepeilt“, was mir in der Aufregung nicht auffällt) meine Vorstellungen auf ein 100%-Niveau und landen mehrere 1000 SEK über dem, was man mir eigentlich zahlen möchte. Ich rechtfertige mich jedoch mit dafür vorher zurechtgelegten Argumenten (Studium, Berufserfahrung) und komme durch. Schon steht die Zahl im Vertrag. Als ich später in Ruhe nachrechne, merke ich, dass das Über-den-Daumen-Gerechne zwar zu meinen Ungunsten ausgefallen ist, dass mein Gehalt aber noch über dem liegt, was mir meine gewerkschaftlich informierte Chorgenossin als Richtwert genannt hat. Auch der Blick in die Lohnstatistik sagt mir, dass ich mich nicht unter Wert verkauft habe – wenn man mal davon absieht, dass es sich um eine 30%-Stelle handelt, die erstmal bis zu den Sommerferien befristet ist. Trotzdem bin ich sehr glücklich. Es ist ein Anfang und mein „Marktwert“ auf dem Arbeitsmarkt ist so allemal höher als vorher.

Wie sieht mein Arbeitsplatz jetzt also aus? Das private Gymnasium (d.h. Klasse 10-12), das zu einer der größten Bildungsfirmen Schwedens gehört, liegt in einem schicken Jugendstilgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zu Anwaltskanzleien, Architekturbüros und schicken Hotels, ein paar Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Es hat eine deutlich sichtbare Ausrichtung auf… ich nenne es mal „Business“. Sichtbar insofern, als da für die Lehrer ein Dresscode gilt – für die Männer heißt das Anzug, für Frauen… keine Ahnung. Jeans jedenfalls nicht. Ich werde wohl das erste Monatsgehalt in neue Klamotten investieren müssen, kann ja jetzt nicht täglich zwischen meinem Konzert- und meinem Prüfungsoutfit wechseln…
Auch die Schüler wirken auf den ersten Blick wie… wart ihr schonmal an einem Sommertag in einem schicken Schärenort und habt gesehen, was da so von den Motoryachten runterkommt? Alternativ verweise ich auf einen ehemaligen deutschen Verteidigungsminister. Nur mit mehr Haargel.
Aber don’t judge a book by its cover. Immerhin gibt es Umkleideräume für die Lehrer und die Rektorin sagte frei heraus, dass sie natürlich noch keinen Hosenanzug trage, wenn sie mit dem Fahrrad zu Schule komme. So praktisch, die Schweden…

Ich werde zwei Deutschkurse übernehmen – einen montags und mittwochs, den anderen dienstags und donnerstags. Keine optimale Aufteilung für eine 30%-Stelle, aber was solls. Ich konnte heute schon mit der werdenden Mutter sprechen, die ich vertrete und das war ausgesprochen positiv. Morgen treffen wir uns nochmal länger und ich werde einen dicken Ordner mit Schüler- und Unterrichtsunterlagen erben. Das Wochenende ohne Jonas wird also nicht langweilig, denn am Montag ist schon mein erster Arbeitstag.

Das Schicksal meinte es diese Woche wirklich gut mit uns. Nicht nur, dass Jonas ein neuer (bezahlter!) Kompositionsauftrag aus Deutschland in Aussicht gestellt wurde, es kam für mich auch noch eine Einladung zu einem weiteren Vorstellungsgespräch im Februar. Ein Verein für Waldpädagogik sucht ab März einen hauptamtlichen Projektleiter, der Ferienlager und Waldtage für Schulen organisiert und betreut. Auch eine befristete Stelle, aber immerhin bis August 2013.

Falls dieser Verein mich tatsächlich auch wollen sollte, müsste ich mich entscheiden. In jedem Fall müsste ich shoppen gehen. Fragt sich nur: Fjällräven oder Lacoste (haben die überhaupt Frauensachen? – Keine Ahnung.), Fleecejacke oder Hosenanzug, Wander- oder Stöckelschuhe…

Aber noch ist ja nicht soweit. Aber nach so einer Woche darf man doch ein bisschen träumen, oder?

Jobsuche: Von Bewerbungsfotos und Schneemännern


Gute zwei Monate sind wir jetzt hier und ich weiß, dass viele sich fragen, warum ich noch nie was über die Jobsuche geschrieben habe. Das hat mehrere Gründe: Zum einen gibt es einfach noch nichts zu erzählen, was ich unbedingt mit der Weltöffentlichkeit teilen müsste, zum anderen sehe ich es seit geraumer Zeit als wichtiges Lernziel für mich, Job und Freizeit zu trennen. (Und Brevlåda ist doch eher eine Freizeitbeschäftigung.)

Die ersten Wochen habe ich mich vor allem meinen Sprachkursen gewidmet und nur „nebenberuflich“ nach Jobs gesucht. Mit den schnellen Erfolgen im Schwedischen fühle ich mich aber seit kurzem wirklich fit für den Arbeitsmarkt und widme mich seither voll dem Schreiben von Bewerbungen.

Mithilfe eines Jobbcoaches (mehr dazu demnächst, das ist ein eigenes Kapitel) übe ich mich gerade darin, den richtigen schwedischen Stil in meinen Bewerbungen zu treffen. Meinen Lebenslauf fand meine Coacherin (Coachine? Coachesse? Couch?) inhaltlich spannend und formal hatte sie auch nichts dagegen einzuwenden. Viel lernen musste ich aber in Sachen Anschreiben. Während man sich in einem deutschen Bewerbungsschreiben ja schon anstrengen muss, zwischen den ganzen formalen Anforderungen noch eine persönliche Note einzuflechten – zumindest wenn man den meisten Ratgebern Glauben schenkt – fallen hier nahezu alle Formalitäten weg.

Das deutsche „Sehr geehrter Herr Duck, Ihre Anzeige vom 29. Februar im Entenhausener Kurier habe ich mit großem Interesse… quakquakquak…“ Höflichkeiten und edle Lügen… wird zu: „Hej! Ich heiße Donald und bin vor kurzem mit Daisy, meiner Verlobten, hierher gezogen. Ich liebe es, mit meinen Neffen angeln zu gehen…“

Und erst das Theater um das deutsche Bewerbungsfoto: Haare offen (wirkt kreativ!) oder hochgesteckt (für Führungspositionen und Banken), geschminkt (ein Muss bei Jobs mit Kundenkontakt) oder natürlich (wenn persönliche Bindungen im Job eine Rolle spielen), helle oder dunkle Kleidung (hängt von der Haarfarbe ab), usw. Und bitte unbedingt vom professionellen Fotografen! Als ich ihr ein solches Foto von mir zeigte, winkte sie gleich ab: bitte etwas persönlicher! Ob ich nicht eines habe, das mich in der Freizeit zeige? Nun ja die gibts, aber mich damit bewerben…? Also ein paar Fotos ausgegraben, die mal im Urlaub entstanden sind – vom Typ „lass mal ein paar Bilder von uns machen, meine Mutter möchte mal wieder welche fürs Regal“. Aber auch die waren ihr noch zu steif. Schließlich schickte ich ihr – fast schon aus Trotz – die ganz absurden: Annika beim Schlittenfahren, beim Ponyreiten, Arm in Arm mit einem Schneemann und mit Drei-Wochen-Lappland-Rucksack in voller Regenmontur. Die fand sie dann allesamt bewerbungstauglich…

In der Zwischenzeit habe ich Jonas genötigt, noch ein paar pseudo-entspannte Freizeitfotos von mir zu machen, weil es mir doch zu peinlich ist, mich mit einem Bild zu bewerben, das meine heiße Affäre mit einem Schneemann dokumentiert…